Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Werner Bäcker wieder steht.
    Hier im Schatten der stolzen Palmen nahm er auch das Taschentuch von den Augen, diesen einzigen Schutz vor dem Erblinden. Das Meer reflektierte das fast weiße Licht und schleuderte Strahlenbündel wie aus einem Brennglas gegen die Augen.
    Er untersuchte die Böschung und wunderte sich. Der ganze Hügel bestand aus Korallen, deren obere Schicht zu fruchtbarem Boden verwittert war. Unter den Korallen aber – er schlug mit dem Beil einen Schlitz in den Hang – traf er auf hartes Gestein und etwas weiter auf porösen Fels, in den die Erosion eine Menge kleine Höhlen gewaschen hatte.
    »Der Hang ist nicht höher als vier Meter, Vogel«, sagte Bäcker. Der Albatros stieß sich ab, flog hinauf und setzte sich oben auf den Rand der Böschung. »Siehst du, du kannst es. Machst die Flügel breit und hinauf geht's. Wenn ich stehe und die Arme ausstrecke, habe ich über die halbe Strecke erreicht, und wenn ich die kleinen Höhlen als Stütze nehme, kann man mit Leichtigkeit hinaufklettern. Aber ich kann nicht stehen und schon gar nicht klettern, und daran scheitert alles. So ist das mit den Menschen, Vogel. Unsere herrliche Größe scheitert an den Kleinigkeiten. Als Gott mit dem Teufel um den Menschen pokerte, wem dieser Mensch nun am ähnlichsten sehen sollte, hat der Teufel diese Biesterei gewonnen.« Er lehnte sich an die zerklüftete Böschung, wartete, bis der Albatros vom Hang wieder herunterkam und sich vor ihn und das Meer stellte. In seinem Gefieder lag golden der Sonnenglanz.
    »Warum, Vogel, bist du auf dieser einsamen Insel kein Urvogel?« sagte Bäcker weiter. »Es wäre dann deine Pflicht, mich in deine Krallen zu nehmen und den Hang hinaufzutragen. Dort oben ist Wasser, weißt du das? Kein Leben ohne Wasser. Hast du schon Blumen gesehen, die auf totem Boden blühen? Es gibt gar keine andere Wahl, mein Lieber … ich muß da hinauf!«
    Auf seinem ›Jeep‹ rutschte er die Böschung entlang, und obwohl er jetzt im Schatten der hochmütigen Palmen blieb, war es ein weiter Weg, er brauchte drei Tage dafür, bis er an der Biegung lag, die er schon vom Strand gesehen hatte und hinter der er die ganze Größer der Insel erst vermutete.
    Er war enttäuscht, als er sein Ziel erreicht hatte … Der Hang ging in einen kahlen, dunklen, zum Meer hin mit weißem Vogelkot überzogenen Felsen über, der gezackt wie ein Drachenrücken weit in die See hineinstieß.
    »Das ist die Grenze«, sagte er. »Was dahinter liegt, wird lange unbekanntes Land für mich bleiben. Aber was ich gesehen habe, genügt. Die neue Welt scheint in Ordnung zu sein.«
    Er ruhte sich lange aus und aß und trank mit großem Genuß. Wie für eine große Fahrt hatte er sich vorher ausgerüstet, schleppte, wie eine Schildkröte ihren Panzer, einen Plastiksack mit Keksen, zwei Fleischbüchsen, zwei Zinkflaschen mit Wasser, Hammer, Zange und Beil auf dem Rücken und kam sich reich ausgerüstet vor. Nachts drückte er sich zum Schlafen eng an die brüchige Hangwand und schlief sofort ein.
    Am vierten Tag entdeckte er ein Stelle, wo das Meer einmal in seiner schrecklichen Wut einen Keil in die Böschung geschlagen hatte. Hier stieg die Insel sanfter an, wie durch einen Hohlweg konnte man ins Innere des Landes gelangen … eine verfilzte, von Dornbüschen abgeriegelte Straße in die Jahrhunderte.
    »Siehst du, Vogel –«, sagte Bäcker, als er an dieser Stelle lag, »es ist nichts umsonst, was ein Mensch tut, auch wenn's manchmal so aussieht. Nun werden wir auch den Hang besiegen.«
    Er schob sich weiter, ein kurzes Stück in den Hohlweg hinein, aber vor der Steigung, die dann begann, kapitulierte er klaglos. Er sah vor sich den Wald aus Palmen und Bambus und eine Fülle von Blüten, deren Anblick ihn vor Freude fast betäubte. Ein süßer Duft zog zu ihm hinunter, er war unerklärlich schön und ekelerregend zugleich, eine Mischung, die er sich nicht erklären konnte. Ein Hauch von Verwesung schien aus allen Blumen zu strömen. Vielleicht riechen sie hier anders, die Hibiskussträucher, die Frangipani-Blüten und die betörenden Tiare-Blumen, dachte er. Das hier ist eine Insel aus der Urwelt – da haben auch die Blumen das Recht, anders zu duften.
    Er blieb auf seiner Schwimmweste liegen, drehte den Kopf nach rückwärts und sah den Vogel am Beginn des Hohlweges stehen, mit gespreiztem Gefieder und aufgerissenem Schnabel.
    »Hier fängt die Welt wieder an!« schrie Bäcker. »Und du hast Angst, Vogel? Komm her, Genosse … du

Weitere Kostenlose Bücher