Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
schon eine solche Burg gegeben?
    Mit seinem großen Sinn für Reinlichkeit wusch er den Verbandskistendeckel sauber, indem er ihn mit dem feinkörnigen, goldenen, von verwitterten winzigen roten Korallenstäbchen durchsetzten Sand ausscheuerte. Das machte ihm Freude, er zeigte dem Vogel den glänzenden Deckel und klappte ihn dann wieder auf den Verbandskasten.
    »Das ist Kultur!« sagte er und lachte vergrämt. »Darauf ist der Mensch stolz, Vogel. Aber genau betrachtet pinkelt auch ein Hund nicht die Stelle voll, auf der er schläft.«
    Ihm blieb in den kommenden Stunden nichts übrig, als sich umzusehen und an vieles zu denken, was man machen könnte. Er starrte wieder hinüber zu dem Hang mit dem Kokospalmenwald und der wogenden Bambuswand, den leuchtenden Blütenbüschen und dem Gestein der Anhöhe. Wo Bäume wachsen und Blumen blühen, muß auch Wasser sein, dachte er. Süßwasser. Es hilft alles nichts – ich muß dort hinauf. Aber vorher muß ich die Lanze in meinem Schenkel überlisten, diesen gnadenlosen, spitzen, feindlichen, gemeinen, hinterhältigen Knochen, der mich unbedingt umbringen will.
    Er faltete schnell die Hände und hob den Kopf in den grenzenlosen blauen Himmel. Gott da oben, dachte er, du weißt, wie wenig ich von dir halte. Du hast in letzter Zeit herzlich wenig von dir gegeben, vielleicht hast du geschlafen, die Menschen haben dich so verdammt müde gemacht, und du hast recht, es ist abscheulich, immer und immer nur auf die Menschen herabzublicken und sich sagen zu müssen: Mein Gott, das habe ich nun geschaffen! – Trag's mir nicht nach, Gott, laß einmal mit dir reden: Laß mich ein Wunder tun! Dort hinauf … den Hang … hilf mir wenigstens ein bißchen …
    Er leerte den Verbandskasten aus, verstaute den Inhalt in die Seitentaschen der Gummiinsel, schob den Kasten unter seinen linken Oberschenkel, legte den Hammer und das Beil an die Innen- und die Außenseite und begann, alles mit einem starken Bindfaden aus der Werkzeugkiste zu umwickeln.
    Das Bein wehrte sich, er spürte es ganz deutlich.
    Zuerst raste Schüttelfrost durch seinen Körper, dann löste eine Hitzewelle das Kältegefühl ab, und trotzdem klapperte er mit den Zähnen, denn so heiß alles in ihm war, er fror erbärmlich. Mitten in seinen Gedanken: Aha, jetzt beginnt der Kampf. Bein, ich bin auf dem Posten. Nur zu, nur zu, wir stehen es durch … trübte sich plötzlich sein Blick, er sah den großen Vogel wie eine bizarre Schleiertänzerin um sich herumhüpfen, und als er mit Gewalt den Kopf hochwarf, verschmolzen vor ihm Himmel und Meer zu einer kompakten Masse flüssigen Bleis.
    »Nein! Du bringst mich nicht um, du Knochen!« schrie er. »Du nicht! Das Meer – ja! Die Sonne – angenommen! Der Durst – akzeptiert! Der Hunger – komm nur ran! Der Wahnsinn der Einsamkeit – ich weiche nicht aus! Aber du, mein eigener Knochen? Nie! Nie! Ein Mann sollte nie eines lächerlichen Todes sterben.«
    Am Abend erkannte er nichts mehr um sich herum.
    Er lag unter seiner Decke, fror wie auf Eis gelegt, hatte die geballten Fäuste gegen das Bein gepreßt, wußte nicht mehr, ob der große, schwankende Fleck vor seinen Augen die untergehende Sonne oder der aufsteigende Mond war und stammelte immer wieder: »Du verfluchter Knochen, du! Du Mistknochen! Du Satan von einem Knochen! Mich kriegst du nicht unter. Du nicht! Du Saukerl von einem Knochen!«
    Das Fieber nahm ihn endlich weg aus dieser Welt. Er glitt in die Bewußtlosigkeit im Augenblick des schönsten Triumphes, als er die Schmerzen plötzlich nicht mehr spürte und dachte: Siehst du, ich habe es geschafft, du lächerlicher Knochen!
    Er lag im Sand herum wie Treibholz, reglos, dem Verdorren preisgegeben.
    Über das Bein wehte der Korallenstaub. Ein Bein, eingeklemmt zwischen Blechkasten, Hammer und Beilstiel. Ein Bein mit roten Flecken vom Salz verätzter Haut.
    Der große Vogel Albatros umhüpfte Bäcker, kam dann heran, beäugte ihn ganz aus der Nähe, senkte den Kopf, stieß ihn mit dem Schnabel an, tastete ihn ab, als röche er dieses Gebilde, das Mensch hieß, gründlich in sich hinein, hockte sich dann neben ihn, einer Wache gleich, und hockte sich so hin, daß sein großer, vom Wind aufgeblähter Vogelkörper das Gesicht des Menschen mit Schatten bedeckte und damit die Sonne besiegte. Nur am frühen Morgen und am dämmernden Abend strich der Vogel mit sanften, schwebenden Flügelschlägen über die Insel, tauchte ins seichte Meer und suchte seine Nahrung.
    Irgendwie

Weitere Kostenlose Bücher