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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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willst mich doch nicht an einem großen Tag allein lassen?«
    Ein großartiges Gefühl durchrann ihn. Er begann, die Entdecker zu begreifen, wenn sie auf ihrem Neuland niederknieten und beteten.
    Später stakte er sich wieder zurück zum Strand, machte es sich an der Böschung, im Schutz der stolzen Palmen, gemütlich, musterte seine mitgeschleppten Bestände und rechnete aus, daß Kekse, Fleisch und Wasser noch gut drei Tage reichen würden. Er aß und trank und bezog dann Posten vor dem Hohlweg.
    Ich werde es wagen, dachte er. Verdammt, ich werde meinen Knochen einfach zwingen. Alles habe ich bei mir: eine Zange, einen Zollstock, um das Bein als Stütze gewickelt einen Hammer und ein Beil. In der rechten Hosentasche habe ich eine Handvoll Nägel. Was ich brauche ist nur noch die Kraft, mich aufzurichten. Dann stehe ich, verdammt, dann stehe ich aufrecht, wie es einem Menschen zukommt.
    Die Wandlung vom Lurch zum Aufrechtgeher … ich werde sie neu durchmachen.
    Er lag zwei Stunden auf seinem ›Jeep‹ vor dem Hohlweg, noch voll von Freude, hoffte auf eine Süßwasserquelle dort oben im Palmenwald und dem blühenden Garten, dachte an eine Höhle in den Felsen, wo er beginnen konnte, wie ein Urmensch zu leben, als über ihm sich eine dunkle, flatternde Wolke bildete.
    Sie wehte zu ihm hin, verdichtete sich zu einem schreienden, kreischenden Klumpen, senkte sich zu ihm hinab und zog in niedriger Höhe über ihn hinweg. Kot bespritzte ihn wie Regen, er riß die Hände hoch, um seine Augen vor diesem ätzenden Seevogelkot zu schützen, aber diese plötzliche Bewegung machte den Schwarm noch wilder, die flatternden Leiber stürzten auf ihn herunter und hackten beim Hochziehen nach seinen Armen, seinem Gesicht, seinen Beinen.
    Es sind Kampfmöwen, durchfuhr es ihn. Ich weiß nicht, ob sie so heißen, aber ich habe von ihnen gelesen. Sie sind wie die Geier, stürzen sich auf verendendes Leben, zerhacken die Wehrlosen mit ihren messerscharfen gebogenen Schnäbeln und reißen Fetzen aus ihren Körpern.
    Die schreiende Wolke über ihm wurde dichter, das Gekreische ohrenbetäubend. Hunderte aufgerissener Schnäbel, Hunderte gebogener Krallen, Hunderte starrer, mordlustiger Augen schossen auf ihn herab.
    Ich bin Aas für sie, durchfuhr es ihn. Ein auf dem Boden liegendes, über den Sand kriechendes Etwas, ein zuckendes Stück Fleisch, weiter nichts. Sie spüren das, sie sehen es mit ihren starren, kalten Augen, sie kennen es nicht anders. Die Natur ist grausam und gerecht zugleich, was schwach ist, wird vernichtet, es liegt da in Demut und wartet darauf, daß es weggeschafft wird … mein Gott, ist es schon soweit mit mir?
    Er kroch in sich zusammen und dachte daran zu schreien, laut zu schreien, um dieser Wolke aus Mord da droben zu zeigen, daß er gar nicht daran dachte, Aas zu sein. Wenn sie alle zur gleichen Zeit über mich herfallen, bin ich erledigt. Jeder Schnabelhieb ist eine Wunde, jedes Zuhacken bedeutet ein Stück Fleisch aus meinem Körper. Und wenn sie Blut merken, sind sie nicht mehr zu halten … ich weiß nicht, ob sie wie Haie reagieren, für sie ist der Geruch des Blutes das Signal zum Wahnsinn … Wer weiß denn, ob ein Vogel riechen kann, ich weiß es nicht, aber ist es nicht möglich, daß sie alle über mich herfallen, wenn sie mir die erste Wunde in den Leib gerissen haben? Wer kann hundert, tausend dieser Hiebe von Krallen und spitzen Schnäbeln aushalten?
    »Nein!« brüllte er, als die Wolke sich wieder über ihn senkte. »Nein! So nicht! Noch bin ich kein Aas! Noch nicht! Ihr verfluchten Biester, ich kann mich wehren!«
    Er riß seine ›Schiene‹ aus Beil und Hammer vom Bein, rutschte stöhnend an die Böschung, umklammerte die Werkzeuge, die jetzt zur Waffe wurden, und legte alle Kraft, die er noch hatte, in beide Arme.
    Kommt, dachte er. Kommt nur. Ich bin bereit.
    Und sie kamen. Der Himmel verdunkelte sich von schlagendem Gefieder, das fürchterliche Kreischen klang wie Triumphgeheul.
    Die erste Welle …
    Sie greifen tatsächlich in Wellen an, dachte Bäcker. Militärisch exakt, wie einexerziert, in Schützenlinie, zwar etwas veralteter Kampfstil, aber in der Natur immer noch die beste Formation: Konzentration auf das Ziel, Überrennen des Gegners, Vernichtung durch geballte Kraft. So greifen die Russen und Chinesen an … die Überlegenheit der Zahl.
    Bäcker riß die Arme hoch. Die ersten herunterstürzenden Schnäbel hackten nach ihm. Mit Beil und Hammer hieb er gleichzeitig zu, hinein in

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