Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
weißes, heißes Fleisch schmeckt.
Aber da war plötzlich ein Ton, der nicht in diese Welt paßte. Hoch oben in der Luft hing er, war nicht erklärbar, zerschnitt die Einsamkeit und brach in die Ordnung ein, in der sich Bäcker eingelebt hatte. Der Ton war auf einmal da, mischte sich in das Rauschen des Meeres, er war wie ein Schnurren, als kraule man eine Katze hinter den Ohren.
Bäcker hob den Kopf und lauschte.
Der Ton kam näher, schneller, als ob ein Wind anwächst, übertönte das Meer, stand massiv in der klaren Luft … und da begriff Bäcker, was es war, auch wenn er nicht verstehen konnte, wie so etwas möglich sein konnte. Er ließ den Bambusspeer fallen, drehte sich im Meer und suchte alle Richtungen des Himmels ab.
Da war es … ein Fleck im strahlenden Blau, von Sonnenglanz getroffen und plötzlich aufblitzend … ein träge unter dem Endlosen dahinziehender Punkt. Und dieser Punkt kam näher, wuchs und nahm Formen an – ein Rumpf, zwei Flügel, breite Schwimmer, eine gläserne Kanzel –, und das Brummen füllte jetzt alles aus und nahm Besitz von Insel und Meer.
»Halt!« brüllte Bäcker und warf beide Arme empor. »Halt! Nicht so schnell! Hierher! Hierher! Halt!« Er faltete die Hände, hob sie hoch empor und stützte sich verzweifelt auf seine Gabelkrücke. »Mein Gott, laß ihn auf mich zukommen! Auf mich zukommen! Mein Gott, hilf mir! Ein Flugzeug! Es ist nicht zu fassen! Hier ein Flugzeug! Halt! Halt!«
Er humpelte aus dem Meer, so schnell er es mit seiner Krücke konnte. An Land schwang er sich über den Strand, winkte mit dem rechten Arm und brüllte sinnlose Worte in den Himmel. Das Flugzeug zog an ihm vorbei … Er sah, daß die Schwimmer gelb lackiert waren, daß auf den Tragflächen die französische Kokarde leuchtete, daß die gläserne Kabine vier Fenster hatte – so greifbar nahe flog die Freiheit an ihm entlang und sah ihn nicht.
»Halt!« schrie er wieder. Er winkte mit der Krücke, balancierte auf einem Bein, fiel dann wieder auf die Krückengabel, als ihn das Gleichgewicht verließ, und das Flugzeug donnerte über ihn hinweg, und er brüllte, streckte die rechte Hand und bettelte in den Himmel hinauf um einen Blick herunter auf die Erde. »Halt doch!« schrie er immer wieder. »Halt! Laß mich an meine Signalpistole kommen! Rote Kugeln … Hilfe … Hilfe …«
Die Pistole lag in einem Plastikbeutel in einer der schützenden Höhlen der Böschung. Er hatte sie nicht ausgepackt, weil es sinnlos war. Warum sollte er hier Signale verschießen? Nun, da er sie brauchte, als es um die wertvollsten Minuten seines Lebens ging, wo die Freiheit mit glitzernder Glaskanzel und breiten gelben Schwimmern über ihn hinwegflog, war die Pistole so weit entfernt wie die Sonne.
»Halt!« brüllte er noch einmal. Er konnte es nicht begreifen, daß man auf einem einsamen gelben Strand nicht einen winkenden, verzweifelten Menschen erkennen konnte. Es kann doch kein Blinder im Cockpit sitzen, dachte er. Oder blickte er nur hinauf in den Himmel, oder ist dieses Fleckchen Erde hier so elend, daß es Verschwendung wäre, auf es hinunterzublicken? Aber hier lebt ein Mensch, du Mensch da oben. Hier ist einer, der sich die Lunge rausschreit, ein lahmer, armseliger Kerl mit einem verfluchten Bein, das noch nicht aufgegeben hat, ihn umbringen zu wollen.
Er blieb stehen … die Strecke bis zur Böschung war jetzt ein Weg ins Grenzenlose. »Seht mich doch!« schrie er in den Himmel. »Seht mich doch! Nur einen Blick lang … das genügt doch! Gott im Himmel, nur einen Blick sollen sie herunterwerfen! Stoß sie an, Gott, die da oben, schick einen Windstoß, laß sie nicht vorbeifliegen –«
Er hakte sich durch den Sand, den Strand hinauf zur Böschung. Vielleicht drehen sie bei, dachte er mit einem verzweifelten Glauben. Sie ziehen eine Schleife und kommen zurück. Im letzten Augenblick haben sie mich gesehen, und ein Flugzeug kann ja nicht bremsen und stehenbleiben wie ein Auto. Bestimmt kommen sie wieder, sie fliegen schon langsamer, sie drehen zurück aufs Meer …
Er erreichte die aufgespannte Gummiinsel, diesen orangen leuchtenden Fleck, den man überall sehen sollte, die Signalfarbe, der Schrei nach Überleben. Er stolperte auf seiner Krücke zum Hang, schnellte sich auf dem gesunden Bein vorwärts und schleppte das gebrochene nach; der strömende Schweiß biß in die Augen, sein Bein begann zu zittern und schien von innen aufzuweichen, die Armmuskeln erschlafften, und er hatte das Bedürfnis,
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