Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Hammerschlägen und Beilhieben und der Beobachtung des Beines. Es hing noch immer in der Hüfte wie ein Fremdkörper, und Bäcker dachte: Es wächst nie zusammen. Das ist seine einzige Rache. Ich werde es mit mir herumschleppen wie eine schwere Wurst.
Sorge machten ihm seine Vorräte. Die Konserven gingen bei aller Sparsamkeit zu Ende, das gute Wasser war aufgebraucht, er lebte jetzt nur noch von dem Regen, fing das Wasser auf in seiner Gummiinsel und füllte es in Flaschen und den Kanister ab, bohrte in dem Hang die Höhlen breiter und schuf somit eine Art Vorratskammern, in die er alles verstaute, was gegen die sengende Sonne zu schützen war. Später kam ihm eine gute Idee: Er rammte sechs Pfähle in den Sand – eine Arbeit, für die er zwei Tage brauchte, und jeder Pfahl kostete ihn eine seiner Lungen, wie er dachte – und spannte die Gummiinsel zwischen ihnen auf. So fing er das Regenwasser auf, schuf sich damit ein Wasserreservoir und hatte nach fünf Tagen so viel Wasser gesammelt, daß er sich den Luxus leistete, am Mittag, nach dem Essen, mit Hilfe eines durchlöcherten Plastikbeutels ein Brausebad zu nehmen.
»Und das alles auf einem Bein, Vogel –«, sagte er zu dem Albatros. »Man soll es nicht für möglich halten.«
Bei einem erneuten Ausflug zu dem Hohlweg fand Bäcker einen schönen, langen, dicken Ast mit einer Gabelung. Er hieb ihn mit dem Beil auf die richtige Länge zurecht, schob ihn unter die Achsel und hatte jetzt den festen Halt, den er immer gesucht hatte. Er stapfte ein paarmal hin und her, es ging sich viel besser damit, der Körper konnte sich in der Gabel ausruhen, und das Bein blieb immer in der gleichen Entfernung vom Boden.
»Auch wenn du still bist«, sagte Bäcker, »ich weiß, du lauerst nur darauf, daß ich auftrete. Aber den Gefallen tue ich dir nicht, Bein! Du bist ein hinterhältiger Knochen, und wenn du jetzt wieder auseinanderbrichst, bin ich erledigt. Ich werde mich hüten.«
Aber nach fünf Wochen wagte er es doch ein paarmal, senkte das Bein ganz langsam auf den Sand und trat so vorsichtig auf, als hauche er auf den Sand. Der Knochen reagierte sofort. Er signalisierte seinen Unwillen … der Schmerz kletterte empor bis zur Hüfte.
»Meckere nicht!« sagte Bäcker. »Gewöhne dich daran, Knochen, mir wieder zu gehorchen. Das Fundament des Lebens ist die Ordnung. Was Chaos hinterläßt, hast du gesehen, du Mistbein! Sei kein Spinner, Knochen … wachse weiter zusammen –«
VI
Eines Tages stand er im Meer und fischte.
Er hatte sich eine Angel gemacht aus Bambusrohr, die Schnur aus Nylon hatte er von einer Plastikbeutelverschnürung genommen, als Köder hängte er an einem krummgebogenen Nagel ein Stück Gulasch aus der Konservendose. Aber das war ein sinnloses Warten, wie er bald einsah. Kein Fisch biß an, und er sagte sich, daß Fische wohl kein Gulasch mochten, wenn das Meer voll von frischen Nahrungsmitteln war. So holte er sich eine lange, dünne Bambusstange, schnitzte das dünne Ende zu einer nadelfeinen Spitze und zeigte dem Albatros stolz sein Werk.
»Ein Speer –«, sagte er. »Paß auf, was man mit ihm machen kann. Du hast es einfacher, du hast zwei Flügel und deinen Schnabel.«
Schon der erste Versuch gelang. Er stach einen Fisch aus den Wellen, trug ihn wie eine Trophäe an Land, opferte ein Streichholz, machte ein Feuer und briet den Fisch auf einem hölzernen Stecken. Es war der herrlichste Fisch seines Lebens.
Auch an diesem Tage stand er im Meer, über dem Kopf ein Handtuch, die Augen zusammengekniffen. Bis zum Gürtel ließ er das Wasser an sich heran, stemmte sich gegen die lang anrollenden Wellen, die ihn trotz ihrer Sanftheit umwerfen konnten, denn nur langsam kam seine volle Kraft zurück, und jeden Tag verbrauchte er sie wieder.
Er stand da, beobachtete das Meer und wartete auf einen großen, leichtsinnigen Fisch. Manchmal kamen sie bis ans Ufer, schwammen im seichten Wasser, und ihre schlanken Leiber glitzerten silbern. Sie, die Großen, hatten hier keine Feinde. Einen Menschen kannten sie nicht. Aber nun war ein Mensch da, und sie schienen nicht zu begreifen, daß ihr Leben sich damit verändert hatte.
Mit dem Bambusspeer stoßbereit in der Hand, wartete Bäcker auf seinen Fisch. Er suchte das Meer ab, sah – zu weit von sich entfernt – die glänzenden Leiber hin und her schnellen und dachte: Kommt näher, meine Lieben. Das Feuer brennt schon oben neben meinem Dach. Ich habe Hunger, und es ist unbeschreiblich, wie gut euer
Weitere Kostenlose Bücher