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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Riffen, wenn die Ebbe die bizarren Korallenbänke freigab.
    »Vogel, das wird mein schönster Bau!« sagte er. »In Auckland habe ich Fabriken gebaut, Hochhäuser, Kirchen, Wohnsiedlungen, Schulen … McKindley wird sie jetzt nach meinen Plänen weiterbauen und vielleicht wird man einen dieser Klötze nach meinem Namen nennen, nach dem im Pazifik verschollenen Werner Bäcker. Welche Ehre! Soll ich stolz darauf sein? Nein, Vogel, hierauf bin ich stolz … auf diese Hütte … sie ist mein schönstes Werk!«
    Nach einer Woche war die Hütte fertig. Aus einem Raum bestand sie, zwölf Quadratmeter groß, groß genug für einen Mann, der darin nur schlafen und sich erinnern wollte. In der dem Meer zugewandten Seite hatte er in der Bambuswand ein Fenster ausgespart, durch das er den Strand beobachten konnte und jeden Morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend vor dem Niederlegen das Meer beschimpfte. Den Boden legte er dicht mit Palmblättern aus, in vier Schichten, und es wurde ein weicher, grüner Teppich.
    Als die Hütte fertig war, ruhte er zwei Tage aus, stach wieder einen großen silbernen Fisch, der gebraten ein paar Tage reichte, und begann dann, die Inneneinrichtung anzufertigen.
    Auch hier nahm er vor allem Bambusrohr und biegsame Zweige der Büsche, die über die Böschung hingen. Er hackte die einzelnen Bambusstangen auf die richtige Länge, band sie mit Bastfasern zusammen oder verband sie mit dem Zweiggeflecht. So zimmerte er Tisch und Hocker und eine Kiste, in die er alles legte, was immer zur Hand sein mußte – Werkzeuge, Verbandkasten, die Signalpistole, einen Kanister mit Wasser, eine Seekarte – so sinnlos sie jetzt auch war –, den Sextanten und den hölzernen Kalender.
    Für die Liege verwendete er besonders dünne Bambusstäbe, die biegsam waren und nachgaben, wenn man sich darauf legte. Er spannte sie eng zusammen, breitete die Decken darüber, und als er sich zum erstenmal auf das Bett legte, federte es ganz wundervoll. Es war ein Genuß, darauf zu liegen und dem harten Boden entronnen zu sein.
    »Der Luxus fängt schon wieder an, Vogel«, sagte Bäcker am nächsten Morgen. »Ich habe geschlafen wie auf Daunenkissen. Ein Mensch, das mußt du dir merken, ist nie zufrieden. Er verbessert immer alles – nur nicht sich selbst.«
    Am schwierigsten war die Herstellung der Tischplatte. Sie sollte glatt sein, denn er hatte vor, darauf zu schreiben. Er besaß in seiner Notausrüstung drei Schulhefte, und wenn man sie eng beschrieb, konnte man allerhand erzählen, was vielleicht einmal die Nachwelt interessieren würde. Außerdem verblödete man nicht … Wer schreibt, beschäftigt seinen Geist – man sollte es wenigstens annehmen.
    Bäcker widmete der Tischplatte fast eine ganze Woche. Mit dem Beil bearbeitete er die angeschwemmten dickeren Hölzer so lange, bis sie brettdünn waren. Er teilte sie dann in 1,50 Meter Länge, schnitzte in die Kanten mit dem Schraubenzieher Nut und Feder hinein, fügte die Bretter zu einer Platte zusammen, opferte ein paar Nägel, die er zu Bügeln bog und einschlug, und umhumpelte dann stolz den Tisch, ein wahres Prunkstück seiner Hütte.
    »Komm herein, Vogel –«, sagte er erschöpft und hielt die geflochtene Tür auf. Er hatte nun zwei Wochen lang vom Sonnenaufgang bis zur Dämmerung gearbeitet, er hatte gestanden und war herumgelaufen, und sein Bein war still geblieben. Noch immer ging er mit einem Stock, verlegte das Gewicht seines Körpers mehr auf das rechte Bein und hielt das gebrochene beim Stehen immer etwas hochgezogen, in den Knien leicht angewinkelt. Er traute seinem Knochen nicht.
    Der Vogel blieb draußen. Wenn Bäcker arbeitete hockte er an der Böschung, zupfte an seinen Federn flog ab und zu übers Meer, stieß ins Wasser hinunter holte sich kleine Fische aus den Wellen und kam satt und zufrieden zurück.
    »Du hast es gut«, sagte Bäcker. »Aber warte, ich werde mich anpassen. Wenn mein Haus fertig ist, sehe ich mir meine neue Welt an.«
    An diesem Abend, als er den Tisch aufgestellt hatte, begann er mit der ersten Seite seines Berichtes. Er schrieb in das Schulheft:
    »Heute ist nach dem Kalender von Viktoria-Eiland der 9. August 1965. Ich habe ein Haus, einen Tisch, einen Stuhl und ein Bett … Ich bin wieder ein Mensch.«
    Zwei Tage später nahm er seinen Bambusspeer und ging hinunter ans Meer. Die Ebbe war gelaufen, im gewellten Sandboden waren Krebse und Muscheln zurückgeblieben, man brauchte sie nur aufzusammeln und ins kochende Wasser zu

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