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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wieder zu, immer wieder und schrie bei jedem Stoß: »Ich bring' dich um, du Satan! Das ist für Vicky … und das für die Kinder und das für mein vernichtetes Leben und das …« Seine Stimme zerbrach, er sah den Hai noch einmal kommen, senkte noch einmal den Speer und ließ ihn hineinrennen. Das Meer wurde zu einem kochenden Kessel voll Blut.
    »Hab' ich dich endlich?« keuchte Bäcker. Er konnte den Fisch nicht mehr sehen. Der Druck hatte nachgelassen, also war er wieder weg. Mit dem Speer stach er blindwütend um sich, suchte in dem aufgewühlten Wasser nach dem zerstochenen Leib, aber der Hai war nicht mehr da.
    Bäcker stieß den Speer in den Meeresboden und hielt sich an ihm fest. Er schwankte, die Erschöpfung leerte ihn aus. Aber er gab nicht auf, er suchte weiter die Meeresfläche ab und holte tief Atem, um zu brüllen.
    »Flüchte nicht, du Mörder!« brüllte er. »Vicky und die Kinder konnten auch nicht flüchten! Wo bist du, du verdammtes Aas?!«
    Er wartete, watete dann müde an Land und fiel in die Knie. Plötzlich weinte er, umfaßte die blutige Spitze des Speeres und zerrieb das Blut des Hais zwischen seinen Händen.
    »Du Feigling …«, stammelte er. »Du erbärmlicher Feigling. Frauen und Kinder kannst du zerreißen, aber vor einem Mann bist du feige. Doch ich habe dich getroffen, du blutest, du wirst nicht weiterleben. Stirb … stirb …«
    Am nächsten Tag lag der Hai am Strand, in der Nähe der Klippen. Noch im Tode sah er fürchterlich aus.
    Bäcker ließ ihn liegen, den Raubmöwen zum Fraß. Er brachte es nicht über sich, diesen Mörder zur eigenen Nahrung zu zerteilen und zu braten. Er spuckte den Kadaver an, trat nach ihm. Aber als er wegging zu seiner Hütte, war der Stolz des Siegers nicht in ihm. Dazu war sein Haß zu groß.
    An einem Sonntag – nach dem Kalender von Viktoria-Eiland mußte es ein Sonntag sein – hängte Bäcker sich seinen Bogen über die Schulter, band den Pfeilköcher um und nahm den Bambusspeer in die Hand. Dann winkte er dem Albatros zu, der vom Fischfang zurückgekommen war, gegen den Wind stand und seine Federn trocknete.
    »Es ist soweit«, sagte er. »Erobern wir die neue Welt. So ist das nun, mein Bester – kaum kann man laufen, wird einem der Platz, auf dem man hockt, zu klein. Man könnte hier bleiben, natürlich, alles zum Leben ist da: der Strand, die Bucht, der Hang, das Meer, die Bäume, die Hütte … mehr als genug! Wenn man sich hinlegen will und verrecken, spielt die Platzfrage gar keine Rolle mehr – aber ein Mensch muß erobern! Immerzu. Du, Vogel, hast dein Nest, deine See, dein Stückchen Sand, du bist zufrieden. Aber der Mensch ist nie zufrieden. Er ist Gottes mißlungenstes Geschöpf!« Er winkte, und der Albatros hüpfte auf ihn zu. »Gehen wir.«
    Er humpelte die Böschung entlang und in den Hohlweg hinein, überwand mit Schweißausbrüchen und großer Angst, sein Knochen könne das übelnehmen, die leichte Steigung und stand dann zum erstenmal oben auf dem Hang. Die drei stolzen Palmen, denen vor Wochen noch seine ganze Sehnsucht galt, rauschten mit ihren breiten Fächern im Wind. Er ging zu ihnen, umfaßte mit beiden Händen einen der Stämme und war glücklich, die Handflächen an der Rinde schaben zu können. Ich bin gesund, dachte er, ich bin wirklich gesund. Und wenn ich im Inneren der Insel Wasser finde, will ich hier leben und dankbar sein für jede Stunde.
    Er ließ den Blick weit über die Insel gleiten und war sicher, das Paradies gefunden zu haben.
    Die Sonne brannte aus einem wolkenlosen Himmel, der Passatwind ging ihm ins Blut und erfüllte ihn mit Sehnsucht nach etwas Unbekanntem, Unerklärbarem. Wie ein König durch einen Park stieg er zwischen den Palmen, Büschen und Farnen weiter den Hügel hinauf, stützte sich auf seinen Speer und fühlte sich so stark wie nie. Von der Kuppe des Hügels übersah er die ganze Insel: sie war nicht groß, fast rund, am Rande durch sanfte Buchten ausgefranst, bis auf die Sandstrände dicht bewachsen und glich einer Riesenschildkröte, auf derem bemoosten Panzer er jetzt stand. Nur der dunkle Felsen, der links von ihm ins Meer schnitt, störte die Harmonie. Er war wie ein stählerner Griff, eine Zange, die dieses Paradies im Meer festhielt. Jenseits der Klippen war eine andere, halbkreisförmige Bucht mit rötlichem Korallensand und Erdnestern ihm unbekannter Vogelarten.
    »Da hinunter, Vogel –«, sagte Bäcker. »Wohnst du dort? Du hast mich besucht – machen wir bei dir einen

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