Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
werfen, um zu leben wie im Hilton. Manchmal waren es Dutzende von Krebsen, ab und zu auch eine Schildkröte; es war, als wolle das Meer sich bei Bäcker entschuldigen für alles, was es ihm angetan hatte.
Jedesmal aber, gerade bei Ebbe, konnte Bäcker die besten Fische stechen. Er wußte nicht, warum … wenn sie bei laufender Flut herangekommen wären, würde er das als logisch betrachtet haben, aber wenn das Meer zurückweicht und die Fische drängen zum Land, dann ist das verwunderlich.
An diesem Tag zog er seine Schuhe aus, klemmte den Bambusspeer unter den Arm und watete ins Meer. Er suchte nach den Fischen, die man fast mit der Hand greifen konnte; es waren oft Schwärme, silbernen Wolken unter Wasser gleich.
Aber heute war das Meer leer. Erstaunt blickte er sich um, suchte die schnellen, eleganten, schuppigen Leiber und watete weiter in die See, so tief, daß ihn die flachen Wellen bis über den Gürtel trafen.
Und da sah er ihn … Zwei Meter von ihm entfernt schwamm ein großer, grauschimmernder Fisch mit einem breiten Maul und kleinen, böse glitzernden Augen. Nur ein kleiner Teil von ihm ragte aus dem Wasser … ein dreieckige Rückenflosse.
Werner Bäcker blieb stehen und schob den Bambusspeer in beide Fäuste. Er begann zu zittern und betrachtete den Fisch mit fürchterlichem Haß. Der Albatros schwamm hinter ihm, das Gefieder aufgebläht, den Kopf mit dem scharfen Hakenschnabel zum Angriff vorgestreckt.
»Das ist er, Vogel!« sagte Bäcker heiser vor Haß. »Das ist der Mörder, der Vicky umgebracht hat und Holger und Peter und Marion. Den Orkan hätten sie vielleicht überlebt, sie hatten gute Schwimmwesten an, sie trieben auf dem Meer, sie konnten nicht ertrinken, es war ganz unmöglich. Aber dann kam er, schoß aus der Tiefe herauf, trotz Sturm, trotz Wellen so hoch wie ein Haus, und fraß sie stückweise auf. Sie hingen in ihren Schwimmwesten hilflos vor seinem Maul, wie zur Fütterung hingeworfen, und sie haben geschrien, Vicky, Holger, Peter und Marion. Ich habe es gehört, sie haben fürchterlich geschrien, und je mehr sie schrien, um so blutgieriger wurde er. Und jetzt ist er wieder da, der Mörder! Siehst du ihn, Vogel? Er ist krank, sonst wäre er nicht im seichten Wasser, er wird sicherlich sterben – aber ich gönne ihm keinen ruhigen Tod! Er soll zahlen mit allen Schmerzen dieser Welt für Vicky und meine Kinder.«
Er watete ein paar Schritte weiter ins Wasser, den Speer vor sich gesenkt, und der Hai sah ihn an, schlug mit der Ruderflosse, kreiste in der See und kam langsam zurück und auf ihn zu.
»Greif an!« stammelte Bäcker. Er war bleich vor Wut, und jedes Wort brannte ihm im Hals. »Greif an, du Mörder! Du oder ich – es gibt nichts anderes mehr zwischen uns. Komm her, ich habe keine Angst vor dir …«
Der Hai blieb fast auf der Stelle stehen, betrachtete den Menschen mit kalten, schrecklichen Augen und öffnete wie gähnend sein Maul. Die Zahnreihen, spitz wie Stacheln und dreieckig wie die Rückenflosse, bleckten dem selbstmörderischen Feind entgegen.
»Komm doch –«, sagte Bäcker und watete noch zwei Schritte dem Hai entgegen. »Komm endlich, du verfluchtes Aas! Wenn du nicht angreifst, tu' ich es.«
Er zielte auf das klaffende Maul, bog sich zurück, umklammerte mit beiden Händen den Bambusspeer und stieß dann zu. Sein ganzes Körpergewicht legte er hinein, und es war ihm gleichgültig, ob er sich nach diesem Stoß wieder auffangen konnte.
Er traf den Hai in die Nase, spürte, wie der Speer in den Körper drang, sah die Wunde aufreißen, das Wasser färbte sich rot, und der Fisch schien aus den Wellen zu schnellen, als wolle er sich breitseitig auf den Menschen stürzen, warf sich in der Luft noch herum, löste sich von der Speerspitze, klatschte ins Meer zurück, warf sich erneut herum und schoß auf den Feind zu. Wie ein Torpedo griff er an, die Rückenflosse durchschnitt das Meer wie ein Messer.
»So ist es gut!« schrie Bäcker. »Renn in deinen Tod, du Vieh!«
Er stemmte sich gegen den Speer, hielt ihn so, daß der Hai in seiner blinden Wut genau auf die Spitze losschoß … »Ha!« brüllte Bäcker. »Ich stehe! Ich stehe!« – Der Anprall war fürchterlich, der Speer bohrte sich in das Fischfleisch, Bäcker roch das Blut, und er meinte sogar, den Hai zu riechen, faulig, nach Aas, nach Verwesung … er stemmte sich gegen den Druck des großen Fisches. Wenn er jetzt umfiel, war es das Ende, aber er stand, zog den Speer aus dem Fischleib, stieß
Weitere Kostenlose Bücher