Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
Männer zerbrechen konnte. Nach zwei Wochen war es Shirley, der das Beil hinwarf und mit den Fäusten auf den Baumstamm trommelte. Er heulte dabei in nie gehörten schauerlichen Tönen, als habe er den Verstand verloren, und Bäcker hatte alle Mühe, diesen hysterischen Anfall abzustoppen. Er goß eine Plastiktüte voll Wasser über den Tobenden und gab ihm darauf eine schallende Ohrfeige. Das machte Shirley wieder halbwegs normal.
»Sie haben gewonnen!« schrie er. »Ich kapituliere! Hören Sie auf, Kinder zu zeugen, ich brauche keine plärrenden Bäckers mehr, um mich zu ergeben! Ich kann nicht mehr!«
Sie machten zwei Tage Pause, erholten sich, angelten, schossen mit Pfeil und Bogen diese seltsamen entenähnlichen Vögel und sprachen nicht mehr über den Baum.
Am dritten Tag aber wachte Shirley von den typischen Geräuschen eines hackenden Beils auf. Er fuhr hoch, sah Anne nackt in der Lagune stehen und sich waschen und überzeugte sich, daß Bäcker tatsächlich nicht mehr in der Hütte lag. Das Krachen splitternden Holzes tönte vom Hang herab.
Shirley lief hinunter zum Wasser. Anne sah ihm unbefangen entgegen. Ihre Nacktheit schien jetzt selbstverständlich zu sein, das Natürlichste in dieser unberührten Natur.
»Er baut am Boot weiter!« sagte Shirley entgeistert. »Das ist doch total verrückt!«
»Er sagt, er hätte mit Ihnen ein Abkommen getroffen.«
»Eine blöde Idee ist das! Wenn wir von außen keine Hilfe bekommen, müssen wir wirklich bis zum letzten Schnaufer uns ertragen. In ein paar Wochen ist das Beil so stumpf wie das Gebiß eines toten Hundes! Da nützt auch kein Schleifen mit den Steinen mehr. Wir hätten nur noch eine Möglichkeit: die Höhlung nach Eingeborenenart ausbrennen. Aber davon verstehe ich nichts.«
»Er will es versuchen. Er sagt, er müsse dafür nur eine genügend tiefe Rinne haben, um das Feuer wirken zu lassen.«
»Dieser Baum wird ihn umbringen! Anne, halten Sie ihn davor zurück! Sie lieben ihn, und wenn Sie ihn nicht an einen lächerlichen Baum verlieren wollen, dann reden Sie ihm das aus. Sie allein können es! Ich fasse den Baum nicht mehr an. Ich hasse ihn! Er hat mich kaputtgemacht!«
Er betrachtete Anne genauer, diesen schlanken, jetzt gebräunten Leib, an dem die langen nassen Haare klebten.
»Ihre Brüste sind voller geworden«, sagte er.
»Ich weiß es«, sagte sie. Ihr Lächeln war wundervoll. »Ich bekomme ein Kind.«
»Sind Sie sicher?« Shirleys Herz tat ein paar schnelle, laute Schläge. »Anne, wie können Sie das so genau wissen? Das ist unmöglich! Die Zeit ist doch noch viel zu kurz dazu. Daß Werner mir das androhte, war vor kaum drei Wochen.«
»Es ist schon bei unserer ersten Umarmung geschehen, Shirley, gleich zu Anfang. Ich wollte es. Ich habe in dieser Stunde zum erstenmal geliebt. Alles, was vorher war, war Täuschung.« Sie kam aus dem Meer, trocknete sich ab und lief hinauf zur Hütte, um sich dort mit dem weichen Regenwasser noch einmal abzuspülen. Ihre Haut glänzte. Sie ist tatsächlich die schönste Frau, die ich bisher gesehen habe, dachte Shirley. Und so etwas schneidet ihrem Mann die Kehle durch.
Er kam ihr nach, trocknete ihr den Rücken ab und verfluchte sich anschließend wegen dieser Entgleisung.
»Was werden Sie jetzt tun?« fragte Anne.
»Mit Werner sprechen. Er ist der Stärkere. Ich muß ihm einen Vorschlag machen.«
Er wandte sich ab und lief zum Wald hinauf.
Bäcker stand vor dem Riesenstamm und hieb mit dem Beil eine Rinne in das Holz. Es war eine Arbeit, die selbst ein sibirischer Sträfling gefürchtet hätte. Den Verband hatte er abgewickelt, sein verbranntes Gesicht mit den roten furchtbaren Flecken schien mit jedem Beilhieb anzuschwellen. Nur den Augenschutz aus dem Fetzen Gitterstoff aus Shirleys Unterhemd hatte er noch umgebunden. Es war ein Bild, das einem den Atem wegnahm: unter den Haaren eine verbrannte Stirn, dann ein Hemdlappen, Nase und Mund ein formloses Etwas und eine einzige, große Wunde, und darunter ein wild wuchernder, brauner Bart am gesunden Kinn. Keine Phantasie hätte einen solchen Kopf erfinden können.
»Werner –«, sagte Shirley heiser und schwer atmend, »ich habe mich entschlossen, auf ein Wunder zu warten. Tun Sie's auch.«
Bäcker stützte sich auf das Beil. Durch den Gitterstoff blickte er Shirley stumm an, dann schüttelte er den Kopf.
»Ich habe mit Gott gesprochen. Er sagte: Du bist als mein Ebenbild geschaffen, also hast du auch die Kraft, Wunder zu vollbringen. Du
Weitere Kostenlose Bücher