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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spezialisten fliegen. Eigentlich wäre es Ihre Pflicht, mitzuhelfen, von dieser Insel wegzukommen, um aus ihm wieder einen Menschen zu machen.«
    »Sie reden Unsinn und wissen es ganz genau. Wenn ich verurteilt werde, habe ich keinen Franc mehr. Yuls ganzen Besitz erbt dann sein Bruder James.«
    »Das stimmt.« Shirley legte sich zurück. Ein kalter Wind strich über sein Gesicht. Es war wohltuend nach dem heißen Tag. »Es ist keiner da, der Bäcker helfen kann.«
    »Doch, ich! Er und ich auf dieser einsamen Insel, das ist die einzige Möglichkeit für ihn, das Leben zu ertragen. Shirley, deshalb werden Sie Ihren Einbaum nie fertig bekommen, glauben Sie mir. Wir werden hierbleiben.«
    Sie zuckten zusammen. Aus der Hütte klang Bäckers Stimme. »Anne!« rief er. »Anne! Komm her!«
    »Ich habe nicht fest genug zugeschlagen«, sagte Shirley. »Entschuldigen Sie, Mrs. Perkins.«
    Sie lief zur Böschung, aber bevor sie die Hütte erreicht hatte, schwang die Bambustür auf, und Bäcker taumelte ins Freie.
    »Anne –«, sagte er, als sie entsetzt aufschrie. »Ich kann nicht mehr liegen. Ich muß hinaus, ich muß gehen! Dieses Liegen macht mich verrückt. Wie kühl es hier draußen ist. Gleich regnet es.« Er legte den Arm um Annes Schulter, stützte sich auf sie und hinkte hinunter zum Meer. Auch Shirley wollte ihn stützen. Bäcker schüttelte den Kopf und sah ihn mit seinen rotgeränderten, lidlosen Augen an. »Shirley, warum wollen Sie weg? Ich habe über vieles nachgedacht. Warum ist es nicht möglich, daß wir drei hier zusammen leben können? Ohne Probleme, ohne Sorgen, ohne Politik und Kriege, Inflation und rote Studenten, ohne Steuern und verlogene Wahlversprechungen, ohne Angst und Hungersnot, einfach ohne alles, was die Welt so krank und idiotisch macht. Warum geht das nicht, daß drei Menschen in Frieden miteinander leben?«
    »Weil ich eine Frau und drei Kinder habe!« sagte Shirley laut. »Ich werde um meine Rückkehr mit Händen, Füßen und Zähnen kämpfen!«
    »Eine Frau und drei Kinder – das wußte ich nicht, Shirley.« Bäcker hob das verbundene Gesicht hoch. Die ersten Tropfen fielen. Das Meer schillerte mit weißen Schaumkronen. »Ab morgen helfe ich Ihnen. Einverstanden?«
    »Blödsinn! Sie bleiben liegen.« Shirley blieb im Regen stehen. Auch für ihn war die Nässe wie ein Geschenk. Er drehte sich im Regen wie unter einer Dusche und genoß die Kühle.
    »Hast du gehört?« sagte Bäcker zu Anne. Er hinkte zur Hütte zurück. »Er hat drei Kinder. Er soll die Chance haben, nach Hause zu kommen. Allein. Kommt er durch, hat er gewonnen, und wir haben verloren. Wir müssen das durchstehen, Anne. Ein verfluchtes Spiel mit vielen Unbekannten. Ein Spiel um Leben oder Tod, Freiheit oder Gefangenschaft. Aber er hat drei Kinder, Anne … das ändert vieles.«
    Er blieb vor der Hütte im Regen stehen und legte einen Lappen über seine ungeschützten Augen. Es war, als sauge sein Körper wie ein Schwamm die Tropfen auf.
    »Und ich?« sagte Anne leise. »Lebenslänglich?«
    »Wenn Shirley einen Hauch von Menschlichkeit empfindet, wird er sagen, daß du nach dem Absturz im Meer ertrunken bist.«
    »Das wird er nie sagen!«
    »Warten wir es ab. Er hat wochenlang Zeit, sich an diese Menschlichkeit zu gewöhnen –«
    Am nächsten Morgen, gleich nach Sonnenaufgang, hinkte Bäcker in den Wald, um Shirley an dem gewaltigen, gefällten Baum zu helfen. Der Anblick war grauenerregend: Ein Mensch mit einem verbundenen Kopf, verzerrtem Mund und Augen ohne Lider begann an einem Baum zu arbeiten. Er hackte Äste ab, maß mit einem Zollstock die Länge und schien zu rechnen. Sein geschwollenes, fratzenhaftes Gesicht wurde grell von der Sonne beschienen.
    »Hier sollte man ihn durchsägen«, sagte er zu Shirley. »Oder wollen Sie ein Kriegsboot für fünfzig Mann bauen? Außerdem kriegen wir den Stamm trotz Hebelgesetz nicht bis ans Wasser.«
    »Was Sie da machen, Werner, ist Selbstzerfleischung. Haben Sie keine Schmerzen mehr?«
    »Doch. Mehr als genug. Aber ich ertrage sie leichter, wenn ich arbeite. Außerdem denke ich zuviel, wenn ich liege – und ich will nicht denken. Können wir weitermachen?«
    »Womit wollen Sie diesen Stamm durchsägen?«
    »Mit der Taktik der kleinen Schritte. Sie schlagen mit dem Beil Keile heraus, ich stemme nach. Es wird ein komischer Bug werden, aber wir wollen ja auch keinen Schönheitspreis gewinnen. Außerdem haben wir Zeit.«
    Shirley hielt Bäckers Arm fest, als dieser sich vorbeugte

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