Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
und Hammer und Meißel ansetzte. Zwei lächerliche Dinge gegen diesen Riesen von Stamm. Aber man hat Boote gefunden, die mit steinernen Beilen und Faustkeilen aus einem Baum herausgehauen worden waren. Welch ein Luxus sind ein Beil, Hammer und Meißel!
»Werner, seien Sie ehrlich: Das tun Sie doch nicht nur, weil ich drei Kinder habe.«
»Sie sind ein mißtrauischer Kerl, Shirley.«
»Sie lieben doch Anne mit einer geradezu höllischen Liebe –«
»Warum nennen Sie diese Liebe nicht himmlisch?«
»Weil wir hier in der Hölle leben. Ich kann mir nicht denken, daß drei fremde Kinder stärker sind als Ihre Liebe zu Anne.«
»Ich hatte auch drei Kinder, Shirley. Das Meer und die Haie haben sie gefressen.«
»Und jetzt haben Sie die Hoffnung, mich irgendwann, wenn wir draußen auf dem Wasser sind; ins Meer zu stoßen, mich auch von den Haien fressen zu lassen? Das wäre der perfekte Mord. Völlig unnachweisbar. Hier an Land können Sie nicht an mich heran, aber da draußen, in dem schmalen Einbaum, da genügt ein kräftiger Stoß, und Sie sind mich los!«
»Das stimmt. Aber daran habe ich nicht gedacht. Sie bringen mich auf einen guten Gedanken, Shirley.«
»Sehen Sie! Einem Menschen gehen nie die Möglichkeiten aus, gemein zu werden, wenn er nur ein wenig nachdenkt.«
»Und wie wollen Sie sich schützen, Paul?«
»Indem ich allein fahre. Wir bauen das Boot, und dann versuche ich, bis zur nächsten bewohnten Insel oder an eine Schiffahrtsstraße heranzukommen. Ich habe mir das lange überlegt. Nirgendwo ist Anne sicherer aufgehoben als auf dieser Insel. Hier kann sie nicht weg, und wenn ich wirklich durchkomme, brauche ich sie später nur abzuholen. So einfach ist das, Bäcker. Wollen Sie mir jetzt noch immer helfen?«
»Ja.« Bäcker begann wieder an den Ästen herumzumeißeln. »Es ist so oder so ein Glücksspiel und eine Herausforderung an das Schicksal – wir kommen nicht drum herum.«
Die Morgensonne stach ihm in seine lidlosen Augen, sie begannen zu tränen, wurden rot und schwollen an.
Shirley sah es, riß ein Stück von seinem Unterhemd, das aus einem gitterähnlichen Gewebe bestand, ab und band es Bäcker über die Augen.
»Das muß wie ein Filter wirken«, sagte er.
»Es ist fabelhaft.« Bäcker setzte sich auf den mächtigen Stamm und trank ein paar Schlucke des frisch aufgefangenen Regenwassers, das sie in einer Plastikflasche mitgenommen hatten. »Sie könnten ein guter Freund sein, Shirley, wenn Sie nicht so krankhaft stur wären. Sie wollen Anne ins Zuchthaus bringen, weil es Ihre Pflicht ist, aber im Grunde Ihres Herzens sind Sie gar nicht mehr so sicher, daß sie eine Mörderin ist. Sie töten meinen Vogel, um mich mürbe zu machen, Sie ziehen hier einen Terror auf wie in den Ländern, wo am meisten von Freiheit gesprochen wird, Sie schießen mich zum Krüppel, Sie protzen mit Ihrer dämlichen Kraft, Sie wollen sich in diesen Baum hineinfressen, obgleich Sie kaum Hoffnung haben, daraus ein Boot zu schlagen. Warum das alles? Nur um von sich selbst sagen zu können: Dieser Paul Shirley ist ein toller Kerl?«
»Sie vergessen meine Frau und die drei Kinder.«
»Ich vergesse sie nicht. Aber – Shirley – beantworten Sie mir eine Frage: Nehmen wir an, die Sache mit dem Boot klappt nicht, oder sie klappt später … vielleicht in einem Jahr … und innerhalb dieses Jahres bekommt Anne ein Kind von mir, hier auf der Insel, dort unten in der Hütte wird es geboren … würde das etwas ändern?«
Shirley starrte Bäcker betroffen an. An alles hatte er gedacht, nur nicht an die natürlichste aller Möglichkeiten. Jetzt überrumpelte man ihn damit.
»Ich weiß es nicht«, sagte er unsicher. »Werner, darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben.«
»Denken Sie darüber nach, Shirley.«
Bäcker beugte sich wieder über den riesigen Stamm und setzte Meißel und Hammer an einen dicken Zweig.
»Ich werde mich vor Gott mit Anne trauen, und sie wird Kinder bekommen, das verspreche ich Ihnen«, sagte er. »Mein Bein ist zerstört, und mein Gesicht ist zerstört, aber nicht meine Lebenskraft. Mit ihr fordere ich Sie zum Duell. Ihre Kinder, Shirley, gegen meine Kinder! Ist das ein fairer Kampf?«
»Sie sind ein Verrückter, Bäcker!« Shirley hieb das Beil in den Stamm. Es war, als wenn ein grobschlächtiger Chirurg das Amputationsmesser in ein Bein schlägt. »Ich werde mich bemühen, vor der Niederkunft Ihrer Gattin auf See zu sein!«
XIII
Das Aushöhlen des Stammes war eine Arbeit, die zwei
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