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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dunkel. »Einen verdammten Rausch, Vater.«
    Bäcker deckte die Hand über das Mikrofon und lachte Anne kopfschüttelnd an. »Unser Sohn ist betrunken«, sagte er leise. »Der erste Rausch seines Lebens. Hör dir das an. Er lallt wie ein Clochard. Ich glaube, da haben wir etwas versäumt, Anne. Wir hätten Paul zeigen müssen, was Alkohol ist.«
    Sie ahnten nicht, was alles sie an Paul versäumt hatten. Nach zehn Tagen kam Dubonnet aus Neuseeland zurück. Dick, laut wie immer, der Inbegriff des erfolgreichen Lebens.
    »Mein Betrieb steht ja noch!« schrie er Paul entgegen. »Und ich hatte schon Angst, ich träfe eine Kolchose an! Mein lieber Paul, haben Sie einen Funken von dem mitgekriegt, was Erfolg bedeutet?«
    »Das habe ich, Monsieur«, antwortete Paul.
    Er war in den letzten Tagen nicht mehr in der Stadt gewesen, aus Angst, Tara wiederzubegegnen. Er haßte sie, weil sie so etwas Göttliches wie Liebe für Francs verkaufte, aber jede Nacht träumte er auch von ihr, wälzte sich im Bett, stand unruhig am Fenster, starrte in die warme Nacht und spürte es in sich toben wie ein Fieber. Er kam von ihrer goldbraunen Haut nicht mehr los, ihrem Lachen, ihren flinken Händen, dem biegsamen, weichen Körper und dem trunkenen Zauber, mit so viel Schönheit machen zu können, was er wollte.
    Um Tara zu vergessen, stürzte er sich in die Arbeit, und hier fand er etwas, das er nicht begriff.
    Dubonnet bot siebentausend Dosen Ananas an, die ein anderer Kunde zurückgeschickt hatte, weil sie nach Blech schmeckten. Dubonnet ließ andere Banderolen um die Dosen legen und verkaufte sie als ›Neue Ernte‹.
    »Ich kenne jetzt das Geheimnis Ihres Erfolges, Monsieur«, sagte Paul. »Sie betrügen die Leute.«
    Dubonnet war weit davon entfernt, beleidigt zu sein. Er hatte ähnliches von Paul erwartet. »Hör mal, mein Junge«, sagte er jovial, »deine Eltern haben dich auf dieser Mistinsel aufwachsen lassen wie Tarzan …«
    »Beleidigen Sie Viktoria-Eiland nicht«, warf Paul finster ein.
    »Sie haben aus dir einen Idealmenschen machen wollen, und herausgekommen ist ein Spinner.«
    »Beleidigen Sie meine Eltern nicht«, sagte Paul mit gefährlicher Ruhe. »Sie verkaufen keine alten Ananas als frische Ware.«
    »Das stimmt!« Dubonnet lachte fett. »Sie sind so blöd und verkaufen sich selbst. Sie schlagen Angebote aus, bei denen jeder andere mit Händen und Füßen zugreifen würde. Was haben sie jetzt davon? In einem Monat wird die Insel zwangsweise geräumt.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Paul steif. »Es ist unser Land …«
    »Junge, ich komme vom Gouverneur. Ich bin in Papeete zwischengelandet. Die Sache ist beschlossen. Mit drei Schnellbooten wird die Marine anrücken und die Realitäten herstellen, die dein Vater nicht sehen will. Ich habe von Papeete aus mit ihm gesprochen und ihm wieder mein Haus angeboten.« Dubonnet genoß es, Paul Bäcker einen Anschauungsunterricht darüber zu geben, was Macht ist. »Es gibt da ein altes polynesisches Märchen, Paul. Eine häßliche Frau, die nie ihr Gesicht gesehen hat, kommt ans Meer, und hier ist das Wasser so klar wie ein Spiegel. ›Jetzt kann ich sehen, wie schön ich bin!‹ ruft sie und beugt sich hinunter zum Wasser. Aber das Meer, das sieht, wie häßlich sie ist, schickt einige Wellen, und die Wellen glätten alle Runzeln und Falten, und das Gesicht der häßlichen Frau wird im Spiegel des Meeres weich und zärtlich. ›Oh, wie schön bin ich doch!‹ ruft da die häßliche Frau, und von Stund an nannte sie alle Menschen blind, die hinter ihr herriefen: ›Häßlich! Häßlich! Häßlich!‹« Dubonnet räusperte sich. »Das Märchen erinnert mich an deinen Vater. Verstehst du das?«
    »Ich glaube, ja. Aber ich muß darüber nachdenken.« Er ging hinaus, schlenderte zum Strand hinunter, setzte sich in den Sand und starrte über das spiegelnde Meer.
    Niemand kann uns zwingen, die Insel aufzugeben, dachte er. Die Papuas werden uns in Ruhe lassen, aber das weiß niemand außer mir, und ich darf es nicht sagen. Ich habe ein Versprechen gegeben, und wenn ein Mann sein Wort gibt, dann ist das ein Teil seiner Seele.
    »Wie geht es euch, Vater?« fragte er am Abend durch das Mikrofon. »Ist alles in Ordnung?«
    »Wie immer, mein Junge.« Bäckers Stimme klang ohne Unterton. »Bei dem Götzen liegen wieder drei neue Tote, aber das ist ja nichts Besonderes. Doch ja, eine Veränderung: Ich habe ein Maisfeld angelegt.«
    »Das ist schön, Vater. Ich danke dir«, sagte Paul

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