Wer viel fragt
hatte. Crystal war der perfekte Schwiegersohn für
einen Mann, dessen drei Söhne im Krieg gefallen waren. Ungefähr
im passenden Alter, selbst so etwas wie ein Held - und zwar einer, der
noch lebte.
Estes' Beerdigung war für
den 23. August angekündigt. Ich kurbelte weiter.
Und erlebte eine Überraschung.
Am Freitag, dem 27. August, fand ich unter ›Ferner liefen‹
wieder ein Bild von Fleur und Leander auf dem Weir Cook Airport. Wie es in
der Bildunterschrift hieß, auf dem Weg nach New York City. Nicht glücklich.
Fleur, deutlich sichtbar schwanger, in Schwarz. Kein Artikel dazu.
Keine sehr erquickliche
Jahreszeit für einen New YorkAufenthalt. Sie steuerten ihre Ziele
wohl grundsätzlich nicht dann an, wenn dort das Klima einigermaßen
angenehm zu sein versprach. Ein französischer Winter und ein New
Yorker Sommer.
Mir fiel dazu nur ein, daß
es bei Fleurs Schwangerschaft Komplikationen gegeben haben mußte.
Also flogen sie nach New York, damit sie dort das Kind zur Welt bringen
konnte.
Im Star vom 27. August bis
zum 31. Oktober 1954 wurde Eloise' Geburt nicht erwähnt. Das ließ
mich für einen Augenblick stutzen. Aber dann beschloß ich, mir
New York vorzunehmen. Ich holte mir die Mikrofilme der New York Times und
setzte meine Suche fort.
Schließlich fand ich
sie. Eine Tochter, Eloise Graham Crystal, geboren am 1. November 1954.
Eltern Leander und Fleur Crystal aus Indianapolis, Indiana.
Ich mußte lachen.
Gestern hatten wir den 14. Oktober 1970 gehabt. Ich hatte also eine fünfzehnjährige
Klientin, keine sechzehnjährige. Sie hatte ein paar Tage
dazugemogelt. Armes Ding.
Klar, in manchen Staaten
bedeuten diese paar Tage einen gewaltigen Unterschied.
Ich wandte mich wieder dem
Star zu. Und fand unter dem Datum des 16. November ein Bild der Familie
Crystal bei ihrer Ankunft in Indianapolis. Eloise' erste Bekanntschaft mit
Indianapolis. Der Flughafenfotograf war auf Draht gewesen. Er hatte die
Namen der Flugplatzreservierungen und die Fluglisten der hereinkommenden
Flüge gründlich durchforstet und mir damit zu einigen Bildern
verholfen, für die ich dankbar war.
Nach dem 16. November fand
ich nur noch eine interessante Sache.
30. Dezember 1954. Meldung
über die gerichtliche Bestätigung von Estes' Testament. Sein
Vermögen belief sich auf ungefähr zwölf Millionen. Ganz
nettes Sümmchen.
Damit ließ ich es gut
sein. Es ging auf drei zu. Ich erwartete Eloise Crystal und mußte
noch einen Telefonanruf erledigen, bevor ich sie traf. Ich packte die
Mikrofilme zusammen, sammelte meine Notizen ein und machte mich munter auf
den Heimweg.
4
Vom Büro aus rief ich
als erstes Clinton Grillo an. Er ist einer meiner Anwälte, und zwar
derjenige, den ich zu Rate ziehe wegen tatsächlicher oder möglicher
strafrechtlicher Verfolgung meines Nächsten und Liebsten. Meiner
selbst. Seine Sekretärin bat mich, am Apparat zu bleiben. Was ich
auch tat, fast zehn Minuten lang.
Die Frage, auf die ich eine
Antwort benötigte, lautete: War es mit dem Gesetz vereinbar, eine fünfzehnjährige
Klientin anzunehmen?
»Sie kommen immer
wieder mit interessanten Fragen, Albert.
Handelt es sich diesmal um
eine hypothetische Frage?« Er ist außerdem der Vater einer
meiner engeren Freunde von der High School.
»Nein, Sir, das tut es
nicht.«
»Und ich vermute, daß
die junge Dame Sie ohne Wissen ihrer Eltern in Anspruch nehmen will.«
»Das ist richtig.«
»Nun, mir sind keine
besonderen Einschränkungen in dieser Hinsicht bekannt, aber die Sache
scheint mit vielen Gefahren verbunden. Zum Beispiel hätten Sie keine
Möglichkeit, rechtliche Schritte zu unternehmen, wenn sich eine
solche Klientin entschlösse, Ihnen Ihr Honorar nicht zu bezahlen. Und
falls sie Sie allein in Ihrem Büro aufsucht, dann könnten Sie
sich nur sehr schwer dagegen wehren, wenn es sich eine solche Klientin in
den Kopf setzte, Sie sexueller Übergriffe zu beschuldigen. Vor allem,
wenn jemand anders bereits genau das getan haben sollte, dessen Ihre
Klientin Sie beschuldigt.«
»Sie haben eine
schmutzige Phantasie, Sir.«
»Wie wahr, mein Junge.
Wie wahr.«
»Sonst nichts?«
»Reicht Ihnen das
nicht, um sich die Sache noch einmal zu überlegen?«
»Ich denke doch.«
Es kommt eben darauf an, wie
weit man seiner minderjährigen Klientin vertraut. Für wie verläßlich
man sie hält und für wie wahrscheinlich, daß
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