Wer viel fragt
Das ist ja das Merkwürdige bei uns.
Bei uns gibt es solche Gespräche
einfach nicht. Höchstens, daß Mama mich früher immer mit
auf den Boden genommen und mir Briefe vorgelesen hat, die sie dort
aufbewahrt.« Sie überlegte. »Aber ich glaube nicht, daß
sie vor Leander mit anderen jungen befreundet war. Jedenfalls habe ich
diesen Eindruck.«
Das Ganze nahm sie ziemlich
mit. Andere Fragen konnten warten. Bis auf eine. »Können Sie
mir verraten, was Sie von Ihrem biologischen Vater wollen, wenn ich ihn
ausfindig gemacht habe?«
»»Ich weiß
nicht«, sagte sie. »Vielleicht zu ihm ziehen. Bin mir nicht
sicher.«
Ich ließ es dabei.
Sie hatte Mrs. Forebushs
Adresse nicht, aber die von Dr. Fishman. Und die High School, die sie
besuchte, war die Central High School.
Aus meiner selbstsicheren
jungen Frau war ein erschöpftes kleines Mädchen geworden.
Als sie fort war, merkte ich,
daß die emotionelle Belastung und Erschöpfung uns beide betraf.
5
Noch bevor ich mein
Abendessen beendet hatte, war ich zu dem Schluß gelangt, daß
es eine ganze Reihe von Wegen gab, die ich beschreiten konnte.
Mrs. Forebush schien der
direkteste zu sein, falls sie bereit war, mit mir zu sprechen. Aber auch
andere Ansätze waren denkbar.
Ich konnte zum Beispiel
versuchen, an der Fakultät für Krankenpflege der Butler
University alte Freunde oder Lehrer von Fleur ausfindig zu machen. Um die
Sache von hinten aufzurollen, von ihrer Collegezeit her, statt umgekehrt.
War aber die Zeit an der Schwesternschule wirklich so wichtig gewesen für
Fleur Crystal?
Ich konnte auch bei Eloise'
Hauptproblem ansetzen.
Schließlich focht ich
ihren Kampf aus, ohne zu wissen ob ihre Bestimmung der Blutgruppen
wirklich zutreffend war.
Vielleicht wäre es das
beste, sich einen weißen Arztkittel zu beschaffen und bei den
Crystals zu schellen. »Würden Sie alle bitte ein wenig Blut in
diese Röhrchen geben?«
Aber das würde nicht
funktionieren. Eloise würde kichern und meine Verkleidung auffliegen
lassen. Möglicherweise erfuhr ich aber etwas, wenn ich mit ihrem
Lehrer redete, diesem Mr. Shubert, bei dem sie die Laborarbeit gemacht
hatte.
Vielleicht würde sich
auch Dr. Fishman als hilfreich erweisen; nach Fleurs Fehlgeburt mußte
er eigentlich ihre Blutgruppe kennen. Bestimmt wußte er auch sonst
so allerhand über die Crystals.
Ich könnte auch einfach
hingehen und Fleur Crystal aufsuchen. Das könnte Spaß bringen.
Ich wollte schon immer mal den Elefanten im Porzellanladen spielen.
Dann wäre da noch das
grundsätzliche Problem, wie ich mir bei den verschiedenen Adressen
Zugang verschaffen sollte, aber das würde nach sieben Jahren in
meinem Geschäft wohl kein allzu großes Hindernis sein.
Ich rief Maude Simmons an. Für
zehn Dollar erhielt ich ihre Erlaubnis, meinen Gesprächspartnern zu
sagen, daß ich für den Star an einer Hintergrundgeschichte
über die Crystals arbeitete.
Falls sie angerufen wurde, um
die Sache zu bestätigen, noch einmal zehn Dollar.
Ich beschloß, es zuerst
mit Mrs. Forebush zu versuchen. Da ich versäumt hatte, mir von Eloise
Mrs. Forebushs Vornamen geben zu lassen, mußte ich im Telefonbuch
zunächst einmal suchen. Zwei der dort aufgeführten Forebushs
trugen einen weiblichen Vornamen. Ich versuchte es zuerst mit ›Anne
Marie‹, also konservativ. Sie stand ganz oben in der alphabetisch
sortierten Liste.
Ein Mann war am Apparat.
»Forebush.«
Ich fragte nach Anne Marie.
»Ach, Kumpel, das tut mir leid.
Sie kann nicht ans Telefon
kommen, sie füttert gerade das Baby.
Aber wenn es ums
Maschineschreiben geht, kann ich Ihnen auch weiterhelfen. Sie versteht
wirklich was davon. Ist echt spitze.
Sie schafft es, daß ein
paar Worte nach viel aussehen oder eine Menge Worte nach wenig. Sie war
Sekretärin, bevor das Baby kam, und sie ist wirklich gut.«
Das wollte ich nicht
bezweifeln, aber trotzdem war sie die falsche Forebush.
Ein Mann, der viel allein
ist, weiß um die Bedeutung unbedeutender Vorfälle. Ich hatte
mich zuerst für die falsche Forebush entschieden. Das sollte mir
Warnung genug sein, sagte ich mir. Das Vorgehen nach dem Alphabet führt
direkt in den Abgrund.
Florence Forebush, 413 East
Fiftieth Street, Humboldt 5-8234 - das mußte die richtige Mrs.
Forebush sein.
Ein Telefonanruf - die
Methode, um mit geringstem Aufwand die größten Hürden zu
nehmen.
»…
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