Wer viel fragt
sie sich als
faules Ei erweist.
Eloise Crystal kam um zehn
vor vier in mein Büro. Damit gab sie mir einen Anhaltspunkt, wie
lange sie vor ihrem Besuch um sechzehn Uhr fünfundzwanzig am Vortag
gezögert hatte.
Aber nicht allein die
Ankunftszeit hatte sich geändert.
Selbstvertrauen sprach aus
ihrem Gang, aus der Selbstverständlichkeit, mit der sie Platz nahm.
Heute war der Stuhl bereits ihr Stuhl. Sie wirkte gegenüber ihrem
letzten Besuch wie ausgewechselt. Heute hatte sie sich jugendlicher
gekleidet - Rock, Bluse, Sandalen, keine Sonnenbrille -, und trotzdem
wirkte sie reifer. Eine selbstsichere junge Frau. Mein fünfzehnjähriges
Chamäleon.
»Also«, sagte
sie, »wie geht's voran? Haben Sie seinen Namen schon?«
Sie scherzte, und ich
vermutete, daß sie nur wenig von der Langeweile und Gleichgültigkeit
der Welt ahnte. Der Scherz von heute wurde in der nächsten Woche
vielleicht zur ernstgemeinten Frage, und es konnte leicht geschehen, daß
ich ihr dann immer noch nicht mehr zu sagen haben würde.
»Ich habe heute tatsächlich
etwas in der Sache getan. Aber wir haben uns immer noch nicht geeinigt, ob
ich nun wirklich für Sie arbeiten werde oder nicht.«
Sie ließ den Kopf ein
wenig sinken und sagte: »Ich weiß.
Aber ich habe noch einmal darüber
nachgedacht, und ich bin wirklich froh, daß ich mich gestern dazu
durchgerungen habe herzukommen. Irgendwie ist mir ein Stein vom Herzen
gefallen.
Weil ich mich endlich
entschlossen habe, etwas zu unternehmen, um mir Klarheit zu verschaffen.«
»Ich dachte, Sie hätten
die Sache mit den Blutgruppen erst vor ein paar Wochen herausgefunden.«
Sie nickte. »Aber ich
habe immer gewußt, daß irgend etwas nicht stimmte. Vorher wußte
ich bloß nicht, was.«
»Was mit Ihnen nicht
stimmte?«
»Ja. Ich muß
irgend etwas an mir haben, das zu Spannungen zwischen den beiden führt.
Zum Beispiel könnte ich in Wirklichkeit eine Waise sein.«
Das denkt fast jeder. »Und
was glauben Sie jetzt?«
Sie überlegte und
versuchte es dann genauso auszudrücken, wie sie es empfand. »Ich
glaube, Leander weiß, daß ich nicht von ihm bin. Und ich
glaube, deswegen unterdrückt er meine Mutter irgendwie.«
Unterdrückt? »Kommen
die beiden nicht miteinander aus?«
»Unterdrücken ist
vielleicht nicht der richtige Ausdruck.
Jedenfalls unternehmen sie
überhaupt nichts gemeinsam. Sie lächeln sich nicht einmal an. Er
geht morgens zur Arbeit und kommt manchmal erst spät wieder heim. Und
Mama macht sich immer viel Sorgen, daß sie krank sein könnte.
Und sie haben überhaupt keine Freunde.«
Das bekümmerte sie.
Eltern sollten Freunde haben. Mein Kuckuck legte los. Viermal.
Ich lehnte mich in meinem
Sessel zurück und legte einen Fuß auf die Kante der obersten
Schreibtischschublade. Das ist eine meiner bevorzugten Haltungen zum
Nachdenken. »Eloise«, sagte ich. Es war das erste Mal, daß
ich ihren Namen aussprach.
»Ich höre«,
sagte sie. Sie wirkte unglücklich.
»Sehen Sie, ich bin in
einer schwierigen Situation. Und zwar in erster Linie, weil ich nicht
sicher sagen kann, daß ich das spezielle Problem, das ich für
Sie lösen soll, auch wirklich lösen kann. Ich arbeite möglicherweise
wochenlang und habe dann keinerlei neue Informationen, die Ihnen
weiterhelfen. Und so was geht ganz schön ins Geld.«
»Das habe ich
begriffen. Ich habe Geld. Ich besitze ein Treuhandvermögen, das mein
Großvater mir hinterlassen hat.«
»Das Problem besteht
darin, daß Sie vielleicht viel bezahlen und nichts dafür
bekommen.«
»Das ist mir egal. Ich
habe sonst nichts, wofür ich es ausgeben könnte.«
Das schien in der Tat
einleuchtend.
»Außerdem muß
ich Sie darauf hinweisen, daß Sie vielleicht mit einer der großen
Detekteien besser beraten wären. Ich bin hier nur allein.«
»Ich habe es mit einer
davon versucht«, sagte sie. »Einer mit einer großen
Anzeige in den Gelben Seiten.«
»Und was haben die
Ihnen gesagt?«
»Sie haben mich nicht
ernst genommen. Sie waren nicht grob oder so, aber sie sagten einfach, sie
könnten mir nicht weiterhelfen; ich solle einfach meine Eltern
fragen.«
»Das ist vielleicht
kein schlechter Rat.«
»Ach, das kann ich
nicht.« Sie schüttelte sich. »Der Mann in der Detektei
hielt mich Schlichtweg für verrückt.« Sie lächelte
mich an. »Zumindest in diesem Punkt habe ich
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