Wer viel fragt
Fortschritte gemacht.
Sie denken doch nicht, daß ich spinne, oder?«
»Nein, das nicht«,
sagte ich ehrlich. »Aber ich werde die von Ihnen gemachten Angaben
zu den Blutgruppen überprüfen müssen.«
»Warum denn das?«
sagte sie hitzig. »Sie stimmen. Ich habe die Analysen selbst
gemacht.« Sie verteidigte ihre Arbeit. Eine Haltung, die mir gefällt.
»Gerade deswegen muß
ich sie selbst überprüfen. Wie Sie die Dinge dargestellt haben,
würden die ganzen Ermittlungen auf der Genauigkeit der Analyse dieser
Blutgruppen beruhen. Es ist wichtig, daß man alle wesentlichen
Fakten, die man ermittelt hat, noch einmal nachprüft.«
»Okay«, sagte
sie. »Werden Sie den Auftrag nun übernehmen?«
Eine Frage, die ich mir
selbst wirklich noch nicht beantwortet hatte. Es gab noch einige
Voraussetzungen, die erfüllt sein mußten, aber ich konnte sie
ja kaum bitten, mir irgendwie ihre menschliche Verläßlichkeit
unter Beweis zu stellen. Die sie wohl kaum selbst beurteilen konnte.
»Wir wollen es so
machen«, sagte ich. »Ich werde Ihren Auftrag annehmen, aber
mit folgenden Einschränkungen. Ich verpflichte mich nur von einem Tag
auf den anderen. Ich mache so lange weiter, wie ich glaube, etwas
herausfinden zu können, das uns weiterbringt. Nicht länger.«
»Also nehmen Sie an?«
»Unter diesen
Bedingungen.«
»Ach, ich bin so glücklich.
Ich hatte schon befürchtet, daß Sie mich auch fortschicken würden.«
»Das kommt vielleicht
noch.«
»Aber zunächst
einmal helfen Sie mir. Ich bin so glücklich.
Ich bin mir ganz sicher, daß
Sie alles wieder ins rechte Lot bringen werden.«
»Ich denke, es ist an
der Zeit, Ihr Vertrauen etwas zu erschüttern«, sagte ich.
»Hier ist mein erster Bericht. Ich habe herausgefunden, daß
Sie in Europa gezeugt wurden, wahrscheinlich in Frankreich im Winter
1953/54.«
Sie war ein wenig überrascht.
»Ich hätte nie gedacht… « Sie schwieg.
»Ihre Eltern waren während
des Winters dort auf Reisen, und ich habe von Ihrem Geburtsdatum an zurückgerechnet.«
Sie errötete. Ich lächelte
nur und sah zu, wie ihr erst das Blut in die Wangen Schoß und dann
die Röte langsam wieder wich.
»Ich habe auch ein Foto
von Ihrer Mutter gesehen, als sie mit Ihnen schwanger war, und ein Foto
von Ihrer Ankunft in Indianapolis - von New York aus -, als Sie zwei
Wochen alt waren.«
»Ich bin in New York
geboren«, sagte sie, obwohl es offenkundig gewesen sein muß,
daß ich das bereits wußte.
»Wissen Sie, warum Ihre
Eltern vor Ihrer Geburt dorthin geflogen sind?«
»Um von hier
fortzukommen nach dem Tod meines Großvaters. Er ist im Sommer vor
meiner Geburt gestorben.«
Ich nickte. Und begriff, daß
ich mich bisher mit dem Fall hauptsächlich unter dem Aspekt beschäftigt
hatte, ob ich ihn übernehmen sollte oder nicht. Und nicht mit der
Frage, wie ich ihn angehen sollte, falls ich ihn denn übernahm. Jetzt
war meine Klientin bereit und willens, Fragen zu beantworten, und ich wußte
gar nicht, welche Fragen ich ihr stellen sollte.
Also dachte ich mir eine aus.
»Ich muß
irgendwelche Leute ausfindig machen, die Ihre Eltern zu der Zeit ihrer
Hochzeit und Ihrer Geburt kannten.
Wissen Sie jemanden, mit dem
sie schon so lange bekannt sind?«
Sie überlegte. »Vielleicht
Mrs. Forebush. Sie war die Hausgehilfin oder Krankenschwester meines Großvaters.
Irgendwas in der Art. Bis zu
seinem Tode. Jetzt kommt sie noch manchmal vorbei, um mich zu besuchen,
und erzählt mir, was für ein Mann mein Großvater war.«
Bei dem Wort Mann bekam sie ganz große Augen. »Manchmal bringt
sie mir auch kleine Geschenke, lustige kleine Sachen, Blumen, Steine oder
alte Kalender, die sie gefunden hat. Mama haßt sie. Mama geht sofort
auf ihr Zimmer, sobald Mrs. Forebush auftaucht.«
»Was halten Sie von
ihr?«
»Sie ist in Ordnung.
Ein bißchen komisch vielleicht, aber sie hat mich gern.«
»Noch jemand?«
»Ja, Dr. Fishman. Er
ist unser Hausarzt. Ich weiß, daß er schon der Arzt meines Großvaters
war und daß er Mama und Leander kennt, weil er manchmal nach ihnen
fragt.«
Ich merkte, daß diese
Fragerei sie langsam ermüdete, aber ich hakte nach. »Sprechen
Sie manchmal mit Ihrer Mutter über alte Zeiten?«
»Eigentlich nicht.«
»Sie müssen sie
doch mal gefragt haben, ob sie als Mädchen viele Freunde hatte oder
wie sie in der Schule war.«
»Eigentlich nicht.
Kaum.
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