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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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halten wir es für das beste, nicht erst um eine
     Erlaubnis zu bitten. Es entspräche nicht unserem Berufsethos, da ja
     ohnehin weitergemacht wird, ganz gleich, ob mit oder ohne ausdrückliche
     Zustimmung.«
    »Ich verstehe. In
     diesem Fall, fürchte ich, werde ich nicht in der Lage sein, Ihnen zu
     helfen. Das verstößt nämlich gegen mein Berufsethos.«
    »Ich erwarte nicht von
     Ihnen, daß Sie irgendwelche Vertraulichkeiten ausplaudern.«
     Ich erwarte es nicht, sondern würde einfach darum bitten. »Und
     es soll kein kritischer Artikel werden.«
    »Mr. Samson, solange
     ich nicht durch gerichtliche Vorladung dazu gezwungen oder von der Familie
     Crystal eigens dazu gedrängt werde, werde ich weder über Estes
     Graham und die Crystals noch über irgend etwas anderes mit Ihnen
     reden. Ob Sie eine Geschichte für den Star oder für den lieben
     Gott schreiben, interessiert mich nicht. Ich glaube nicht, daß wir
     noch etwas zu besprechen haben.«
    Dieser ungehobelte Bastard.
     Menschen sind unberechenbar.
    Er sagte noch nicht einmal
     auf Wiederhören. Oder guten Morgen. Ich spürte den geistigen
     Mangel an Gemeinsinn, der im zwischenmenschlichen Umgang herrscht. Und ich
     spürte einen körperlichen Mangel: soll heißen, mir fehlte
     ein gutes Frühstück. Nahrung macht einen wichtigen Teil meines
     Lebens aus. Ich nehme gerne täglich etwas zu mir. Aber der Kühlschrank
     hielt nichts bereit, um dem unsanften Erwachen und dem völligen
     Mangel an Hilfsbereitschaft, wie berechtigt er auch sein mochte, ihre
     bittere Schärfe zu nehmen. Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich
     nicht dickfellig genug für meinen Job.
    Also gut.
    Ich knabberte einen Toast und
     entwarf einen Plan.
    Ich hatte mich letzten Abend
     für Fishman vor Shubert und den Schwestern entschieden, und es war
     eine schlechte Wahl gewesen. Also würde ich meinen Fehler heute
     morgen berichtigen und über dieses Mißgeschick, diese
     Peinlichkeit triumphieren.
    Eine Viertelscheibe Toast später
     machte ich mich auf den Weg zur Eloise' High School.
    Die Central ist die ›neue‹
     öffentliche High School der Stadt, die zur Zeit ›in‹
     ist. Strenggenommen liegt sie nicht zentral, sondern nördlich der
     Innenstadt in Jefferson, wo die Reichen zu Hause sind. Die Schule hat den
     größten Schülerparkplatz der ganzen Stadt.
    Von meinem Büro zur
     Central ist es zu Fuß zu weit. Ich ging durch die Hintergasse, die
     mein Büro vom Stadtmarkt trennt, und zischte mit meinem knalligen 58
     er Plymouth los. Auf zur Central.
    An der Tür wurde ich von
     einer ältlichen Frau ins Gebet genommen, deren Stimme um zehn nach
     neun am Morgen schon wie Abend klang. Sie blickte beim Sprechen nicht auf.
    »Ziemlich spät
     dran, nicht wahr? Hast du eine Genehmigung?« Sie saß an einem
     Tisch neben dem Eingang und sortierte Papiere.
    »Gerade zur rechten
     Zeit, würde ich sagen.«
    Aber selbst nachdem sie
     aufgeblickt hatte, gab es noch Komplikationen. Offenbar kommt kaum jemand
     in die Schule, um einen gewöhnlichen Lehrer zu sprechen. Sie wollen
     zum Schulleiter, zum Basketballtrainer, zu den Studienberatern oder, Gott
     behüte, zu den Kindern.
    »Wir sind mitten in der
     Unterrichtsstunde«, sagte sie. »Das wußte ich nicht.«
    Sie zuckte die Achseln und
     ließ mich durch. Ich sah ganz proper aus, aber das interessierte sie
     gar nicht. Ihre Aufgabe war es, säumige Schüler auf den Pfad der
     Tugend zurückzuführen.
    Ich schlenderte durch die
     Eingangshalle, bis ich schließlich eine Tür mit dem Schild
     LEHRERZIMMER fand. Ich ging hinein, in eine Art Klassenzimmer mit
     verschmutzten Pulten, die zu Reihen aufgestellt waren. Da sah man doch
     sofort den Fortschritt der modernen Pädagogik. Zu meinen Zeiten waren
     die Pulte auf dem Boden angeschraubt gewesen.
    Hier saßen Männer
     und Frauen in den Ecken und rauchten, und vorn, wo man einen
     gestikulierenden Lehrer erwartet hätte, stand eine Kaffeemaschine.
    Ich näherte mich einer
     wohlgemuten Brünetten im Minirock, in deren Haarpracht sorgfältig
     blonde Strähnen verteilt waren.
    Sie drückte drei Knöpfe
     auf der Maschine gleichzeitig. Kaffee schwarz. Portion Milch. Portion
     Zucker.
    »Das ist die einzige Möglichkeit,
     Milch und Zucker von dieser Maschine zu bekommen«, sagte sie.
     »Sind Sie eine Vertretung? Ich schätze, Sie suchen den
     Zigarettenautomaten.
    Wir haben keinen. Der
     Schulinspektor hat ihn entfernen lassen, als dieser ganze Krebsquatsch
     anfing.

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