Wer viel fragt
Hundert-Dollar-Noten. Für fünfunddreißig am Tag zuzüglich
Spesen bedeutete das ein recht langes Engagement. Ein erstaunliches Mädchen,
meine kindliche Klientin. Mit jedem Tag lernte ich sie etwas besser
kennen.
Zum Beispiel, daß sie
von uns beiden diejenige war, die eher zu spontaner Aggressivität
neigte. Nicht daß ich nicht aggressiv sein könnte, aber gewöhnlich
beherrsche ich mich, es sei denn, ich verfolge ganz spezielle Ziele.
Deshalb hatte die Geschichte mit Wilmer Fishman Jr., MD, auch so einen
schlechten Nachgeschmack auf meiner Zunge hinterlassen. Eloise hatte mir
klargemacht, daß er etwas besaß, das ich haben wollte.
Daß ich zu so früher
Stunde mit ihm gesprochen hatte, mochte als Entschuldigung durchgehen. Ich
raffte meine Besitztümer zusammen und stattete meinen Privatgemächern
einen Besuch ab. Um kurz nach fünf schien der Vormittag bereits weit,
weit hinter mir zu liegen.
Ich suchte mir eine passende
Ausrüstung zusammen, entledigte mich aller Ausweise und steckte mir
meine ›Wintersachen‹ in die Gesäßtasche. Und dann
ging ich nach Hause zu meiner Mutter, zum Essen.
9
Bud's Dugout befindet sich
immer noch am gleichen Platz wie vor siebzehn Jahren, ein wenig außerhalb
auf der Virginia Avenue. Jenseits der Bahngleise. Im Südosten von
Indianapolis.
Die Preise sind in der
Zwischenzeit zwar gestiegen, aber Ma behält wenigstens immer schön
die gleiche Speisekarte bei. Das einzige, was regelmäßig
ausgewechselt wird, sind die Flipperautomaten. Sie hat vier, und alle drei
bis vier Monate wird einer davon ersetzt. Sie nutzen sich ab, muß
man wissen, vor allem, wenn sie reichlich traktiert werden. Sie können
zwar noch für ein Weilchen wieder instand gesetzt werden, aber das
verursacht immer höhere Reparaturkosten, und die Flipperautomaten büßen
trotzdem ihre Spritzigkeit ein. Das ist traurig für eine gute
Maschine. Aber die Menschen scheinen ihre Maschinen mit den gleichen
eingebauten Traurigkeiten zu versehen, mit denen sie sich selbst
herumschlagen müssen.
»Hallo, Junge«,
sagte Ma, als sie aufblickte und mich an der Theke sitzen sah. Es waren
nur wenige Gäste da, als ich hereinkam, so daß ich vorne blieb.
Wenn es sehr voll ist, gehe ich ins Hinterzimmer. Genau wie ich hatte sie
früher immer eine separate Wohnung, aber als Bud starb, zog sie ins
Hinterzimmer des Dugout. Bud war mein Vater.
»Wie geht's der
Kleinen? Hast du in letzter Zeit von ihr gehört?« Diese Frage
galt ihrer Enkeltochter.
»Ich habe in den
letzten zwei Wochen nichts von ihr gehört, aber ihr geschrieben.«
»Wann wirst du sie das
nächste Mal sehen?« Sie schob mir eine Schüssel von ihrem
Chili ton tarne hin. Und Tee, frisch aufgegossenen Tee.
»Ich weiß nicht,
Ma. Vielleicht schon bald.« Ich kam alle paar Wochen vorbei, um nach
ihr zu schauen, zu sehen, ob es ihr gutgeht. Wir sind nicht gerade
unzertrennlich, aber wir leben auch nicht in verschiedenen Welten. Heute
abend ging es ihr ganz gut, gut genug jedenfalls. Sie war abgearbeitet,
aber ungebrochen. Der Laden gehört ihr, völlig schuldenfrei.
Dazu habe ich ihr verholfen - das eine Mal, als es mir gutging.
Zwei Gäste kamen herein,
ein junges Paar. Sie suchten sich einen Tisch aus und berieten dann einen
Augenblick. Dann ging die Frau Hayride spielen, und der Mann kam an die
Theke, um seine Bestellung aufzugeben. Er orderte Cheeseburgers und Pommes
und leistete dann wieder der Frau Gesellschaft. Sie spielten an getrennten
Flippern.
Ma beugte sich vor und flüsterte
mir ins Ohr: »Sie lieben die Maschinen. Was, glaubst du, sind die
von Beruf?« Ich sah sie mir an, aber ihre Kleidung verriet mir
nichts. Während ich ihnen zusah, entging ihnen ein
Wiederholungsspiel, und sie mißhandelten die Flipper. Ich zuckte die
Achseln und schüttelte den Kopf.
»Lehrer!« sagte
Ma verächtlich, und ich verstand, warum. Sie waren so jung! »Sie
hat es mir gesagt«, fuhr Ma fort. »Sie unterrichten an der
High School. Er gibt Mathe an der Tech und sie Französisch und Latein
an einer Privatschule. Den Namen habe ich vergessen.«
Ich zuckte noch einmal die
Achseln und schüttelte den Kopf.
Für einen einzigen Tag
hatte ich heute Schule reichlich genossen. Aber die Sache erinnerte mich
wieder an mein Geschäft. Ich nahm die tausend Dollar aus meiner Gesäßtasche
und gab sie meiner Mutter. »Verwahrst du die für mich,
Weitere Kostenlose Bücher