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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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bei ihr bewirkt, daß sie mich schlafend vorgefunden hatte.
     Schock und Unsicherheit. Ach, die Kinder. Äußerlichkeit ist
     alles. Ich trat an meinen Eßzimmersessel und versuchte sie zurück
     in meine Welt zu locken.
    »Die Briefe waren nützlich.
     Und außerdem habe ich Ihre Blutuntersuchung überprüft und
     bestätigt.«
    Ein scharfer Blick. »Schon?«
    »Sehen Sie mal, Eloise,
     ich muß hier nicht unbedingt herumsitzen, Blicke mit Ihnen tauschen
     und meine Pläne besprechen. Wenn Sie sonst nichts zu tun haben, ich
     schon.«
    »Was werden Sie tun?«
    »Der nächste
     wichtige Schritt wird ein Treffen mit Ihrer Mutter sein.«
    Das war die richtige Antwort,
     um die Dinge zu ändern; glühendes Licht. Und ich begriff sofort,
     warum. Ihre Mutter zur Rede stellen war genau das, was sie von Anfang an
     gewollt hatte.
    »Sie werden Sie nicht
     direkt fragen, oder?«
    »Das kommt darauf an.
     Wahrscheinlich nicht, nicht beim ersten Mal, aber das hängt davon ab,
     wie wir miteinander zurechtkommen.«
    »Sie besuchen Sie
     besser nicht, wenn Leander zu Hause ist.«
    »Wird er heute abend da
     sein?« Bei heute abend hellte sich ihr Gesicht auf.
    »Schwer zu sagen.«
    »Ich werd's drauf
     ankommen lassen.«
    »Rufen Sie sie nicht
     an, sie haßt Telefongespräche.«
    »Ich werd's mir merken.«
     Eine neue Information. »Und seien Sie bitte nicht da, wenn ich
     komme.«
    »Warum nicht?«
    »Sie könnten mich
     ablenken.«
    »Ich Sie ablenken?«
     Sie errötete.
    »Ja.«
    Sie überlegte einen
     Augenblick. »Sie müssen eine ausschweifende Phantasie haben.«
    »Es gehört sich für
     Kinder nicht, ihren Eltern Widerworte zu geben.« Als Vater wußte
     ich das. Ich wurde nicht rot.
    »Ich bin kein Kind.«
    Ich lachte sie aus. Nicht
     besonders laut, aber unverkennbar.
    Und es dauerte nicht lange,
     da lachte sie auch. Ich machte uns einen Tee. Wir plauderten, so wie es
     sich beim Tee gehört. Sie erzählte mir ein wenig vom Drumherum
     in der Schule und daß sie nicht vorhabe, ein College zu besuchen.
     Alles sehr nett. Alles sehr indirekt. Von unserem Projekt war nicht mehr
     die Rede.

15
    Schwarzweißfotos lügen.
     Ich weiß nicht genau, was ich von Fleur Crystal erwartet hatte;
     jedenfalls war ich überrascht. Sie hatte feuerrotes Haar. Niemand
     hatte das auch nur im entferntesten angedeutet. Wahrscheinlich meine
     Schuld, daß ich nicht nach körperlichen Merkmalen gefragt
     hatte, aber andererseits war es so auffällig, daß ich mich
     etwas hintergangen fühlte, weil niemand es von sich aus erwähnt
     hatte.
    Schulterlang, wie bei Eloise.
     Ein Feuerkopf.
    Sie öffnete selbst, als
     ich klingelte. Sie war geschminkt und trug Jade-Ohrringe, die ihr buchstäblich
     über die nackten Schultern kratzten. Rückenfreies Madras-Top mit
     Halsträger, ganz sommerlich, und ein langer Rock, wie man ihn zum
     Squaredance trägt, schwarz mit roten und gelben Figuren am Saum. Die
     Abfolge der Figuren stellt vielleicht eine Geschichte dar, aber wegen der
     Falten sieht man nie genug davon, um sie ganz zu verstehen.
    Ich wollte gerade mit der
     Geschichte von dem Zeitungsartikel anfangen, aber sie bat mich ohne
     weiteres hinein. Im Haus war es sehr heiß; hier wurde an diesem
     Herbstabend schon wie im Winter geheizt. Und alles stand voll mit
     Schnittblumen.
    Sie rauschte ins Wohnzimmer,
     winkte mich zu einer pelzbezogenen Couch zwischen zwei mit Blumen
     beladenen Tischen und nahm dort neben mir Platz. Wir saßen dicht
     genug beieinander, daß ich ihre Alkoholfahne riechen konnte, aber
     nicht auf Tuchfühlung.   
    Ich erklärte ihr, wer
     ich war. Erzählte von dem Artikel, den ich über ihren Vater
     schreiben wollte. Als ich Estes Graham erwähnte, strahlten ihre
     Augen.
    »Das ist ja wundervoll!
     Sie wollen mit mir über Papa sprechen. Über Papa rede ich gerne.«
            
    »Gibt es denn auch
     Menschen, über die sie nicht gerne reden?«
    »Aber natürlich.
     Geht das nicht jedem so?« Sie lächelte, nein, sie strahlte mich
     an, aber irgendwie distanziert. Ich spürte ihre Wärme, aber es
     fehlte jede Sinnlichkeit. Es war eine gewollte Wärme. Ich kam mir plötzlich
     asketisch vor, und ich fühlte mich sehr blöd dabei, sie fragen
     zu wollen, ob sie es nicht mal außer Haus getrieben habe.
    Wir kauten den größten
     Teil der mir inzwischen vertrauten Geschichte ihres Vaters, ihrer Mutter
     und ihrer Brüder durch.
    Die Verehrung troff ihr aus
     allen Poren; mir dagegen der Schweiß.
    »Und

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