Wer viel fragt
bei ihr bewirkt, daß sie mich schlafend vorgefunden hatte.
Schock und Unsicherheit. Ach, die Kinder. Äußerlichkeit ist
alles. Ich trat an meinen Eßzimmersessel und versuchte sie zurück
in meine Welt zu locken.
»Die Briefe waren nützlich.
Und außerdem habe ich Ihre Blutuntersuchung überprüft und
bestätigt.«
Ein scharfer Blick. »Schon?«
»Sehen Sie mal, Eloise,
ich muß hier nicht unbedingt herumsitzen, Blicke mit Ihnen tauschen
und meine Pläne besprechen. Wenn Sie sonst nichts zu tun haben, ich
schon.«
»Was werden Sie tun?«
»Der nächste
wichtige Schritt wird ein Treffen mit Ihrer Mutter sein.«
Das war die richtige Antwort,
um die Dinge zu ändern; glühendes Licht. Und ich begriff sofort,
warum. Ihre Mutter zur Rede stellen war genau das, was sie von Anfang an
gewollt hatte.
»Sie werden Sie nicht
direkt fragen, oder?«
»Das kommt darauf an.
Wahrscheinlich nicht, nicht beim ersten Mal, aber das hängt davon ab,
wie wir miteinander zurechtkommen.«
»Sie besuchen Sie
besser nicht, wenn Leander zu Hause ist.«
»Wird er heute abend da
sein?« Bei heute abend hellte sich ihr Gesicht auf.
»Schwer zu sagen.«
»Ich werd's drauf
ankommen lassen.«
»Rufen Sie sie nicht
an, sie haßt Telefongespräche.«
»Ich werd's mir merken.«
Eine neue Information. »Und seien Sie bitte nicht da, wenn ich
komme.«
»Warum nicht?«
»Sie könnten mich
ablenken.«
»Ich Sie ablenken?«
Sie errötete.
»Ja.«
Sie überlegte einen
Augenblick. »Sie müssen eine ausschweifende Phantasie haben.«
»Es gehört sich für
Kinder nicht, ihren Eltern Widerworte zu geben.« Als Vater wußte
ich das. Ich wurde nicht rot.
»Ich bin kein Kind.«
Ich lachte sie aus. Nicht
besonders laut, aber unverkennbar.
Und es dauerte nicht lange,
da lachte sie auch. Ich machte uns einen Tee. Wir plauderten, so wie es
sich beim Tee gehört. Sie erzählte mir ein wenig vom Drumherum
in der Schule und daß sie nicht vorhabe, ein College zu besuchen.
Alles sehr nett. Alles sehr indirekt. Von unserem Projekt war nicht mehr
die Rede.
15
Schwarzweißfotos lügen.
Ich weiß nicht genau, was ich von Fleur Crystal erwartet hatte;
jedenfalls war ich überrascht. Sie hatte feuerrotes Haar. Niemand
hatte das auch nur im entferntesten angedeutet. Wahrscheinlich meine
Schuld, daß ich nicht nach körperlichen Merkmalen gefragt
hatte, aber andererseits war es so auffällig, daß ich mich
etwas hintergangen fühlte, weil niemand es von sich aus erwähnt
hatte.
Schulterlang, wie bei Eloise.
Ein Feuerkopf.
Sie öffnete selbst, als
ich klingelte. Sie war geschminkt und trug Jade-Ohrringe, die ihr buchstäblich
über die nackten Schultern kratzten. Rückenfreies Madras-Top mit
Halsträger, ganz sommerlich, und ein langer Rock, wie man ihn zum
Squaredance trägt, schwarz mit roten und gelben Figuren am Saum. Die
Abfolge der Figuren stellt vielleicht eine Geschichte dar, aber wegen der
Falten sieht man nie genug davon, um sie ganz zu verstehen.
Ich wollte gerade mit der
Geschichte von dem Zeitungsartikel anfangen, aber sie bat mich ohne
weiteres hinein. Im Haus war es sehr heiß; hier wurde an diesem
Herbstabend schon wie im Winter geheizt. Und alles stand voll mit
Schnittblumen.
Sie rauschte ins Wohnzimmer,
winkte mich zu einer pelzbezogenen Couch zwischen zwei mit Blumen
beladenen Tischen und nahm dort neben mir Platz. Wir saßen dicht
genug beieinander, daß ich ihre Alkoholfahne riechen konnte, aber
nicht auf Tuchfühlung.
Ich erklärte ihr, wer
ich war. Erzählte von dem Artikel, den ich über ihren Vater
schreiben wollte. Als ich Estes Graham erwähnte, strahlten ihre
Augen.
»Das ist ja wundervoll!
Sie wollen mit mir über Papa sprechen. Über Papa rede ich gerne.«
»Gibt es denn auch
Menschen, über die sie nicht gerne reden?«
»Aber natürlich.
Geht das nicht jedem so?« Sie lächelte, nein, sie strahlte mich
an, aber irgendwie distanziert. Ich spürte ihre Wärme, aber es
fehlte jede Sinnlichkeit. Es war eine gewollte Wärme. Ich kam mir plötzlich
asketisch vor, und ich fühlte mich sehr blöd dabei, sie fragen
zu wollen, ob sie es nicht mal außer Haus getrieben habe.
Wir kauten den größten
Teil der mir inzwischen vertrauten Geschichte ihres Vaters, ihrer Mutter
und ihrer Brüder durch.
Die Verehrung troff ihr aus
allen Poren; mir dagegen der Schweiß.
»Und
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