Wer viel fragt
dann habe ich
Leander geheiratet. Er ist ein guter Mann, ein wunderbarer Mann. Ich
glaube, wenn er sich von mir trennen würde, würde ich sterben.«
»Gibt es denn
irgendeinen Grund zu der Annahme, daß er sich von Ihnen trennen könnte?«
Andere hätten mich für eine solche Frage hinausgeworfen. Sie
dagegen antwortete mir mit einem Lächeln, das ihrem Gesicht ein
ernstes Aussehen verlieh. »Nun, man weiß ja nie, wie das Leben
spielt, oder?«
»Das ist wohl wahr. Ich
habe gehört, daß Sie kürzlich eine Fehlgeburt hatten. Das
tut mir leid.«
Ihr Gesicht blieb ernst.
»Es war nicht ganz so schlimm, außer für meinen Mann. Er
hat sich so sehr weitere Kinder gewünscht.
Wirklich sehr. Aber das
Risiko einer Fehlgeburt ist eben hoch bei einer Frau über dreißig.«
Sagen wir vierzig.
Sie fuhr fort: »Es
waren Zwillinge.« Ein tapferes Lächeln. »In letzter Zeit…«,
sie hielt kurz inne, »… jedenfalls habe ich allerlei an
Krankheiten mitgemacht. Und auch psychisch ging es mir schlecht. Ich war
wirklich völlig hypo… dingsbums…«
»… chondrisch?«
schlug ich vor.
»Richtig. Genau das.
›Eine Zigarre für den Herrn. Man bringe dem Herrn eine
Zigarre!‹ Wieso wissen Sie davon?« Sie stellte die Frage
nicht mit der Härte einer Frau, die nichts von sich preisgeben will.
Ich hätte ihr sagen können, daß sie es mir gerade erzählt
hatte. Statt dessen erwiderte ich: »Ich habe mit einer Frau
gesprochen, die früher für Ihren Vater gearbeitet hat.
Mit einer Mrs. Forebush.«
Jäher Stimmungswechsel.
Von überschwenglicher Kumpelhaftigkeit zu mißtrauischer
Aufmerksamkeit. »Und was hat die Ihnen erzählt?« Ich war
auf den Umschwung nicht vorbereitet. Ich hatte keine Zeit, auf die Nuancen
zu achten.
»Eigentlich nicht mehr,
als Sie selbst mir gerade erzählt haben.«
Das Mißtrauen blieb.
»Und hat sie Ihnen auch erzählt, daß sie alles ihr Mögliche
getan hat, um meinen Vater dazu zu bringen, sie zu heiraten? Hat sie Ihnen
das erzählt, Herr Zeitungsfritze?«
»Nein, das hat sie
nicht.«
»Und hat sie Ihnen erzählt,
daß sie nie verheiratet war und daß sie sich nur Mrs. nennt,
weil sie eine Tochter hatte? Und daß ihre Tochter starb, was ihr nur
recht geschah? Hat sie Ihnen das erzählt?«
»Nein.«
»So.« Dieses Wort
kündigte das Finale an. Sie lehnte sich zurück, um Raum zu
schaffen für den folgenden Wortschwall.
»Also, eins muß
man Papa lassen, er hatte eine untrügliche Menschenkenntnis. Die
sogenannte Mrs. Forebush hielt seinen Ansprüchen nicht stand. Wissen
Sie, daß sie, während Papa im Sterben lag, die Frechheit hatte
vorzuschlagen…«
Aber ich hatte nicht mehr die
Gelegenheit zu erfahren, was Mrs. Forebush die Frechheit hatte
vorzuschlagen, und auch nicht mehr die Chance, mich zu entschließen,
all meinen Mut zusammenzunehmen und die Frage zu stellen, die mich
eigentlich interessierte.
Ein gepflegter, kahlköpfiger
Herr stand in der Tür, ungefähr eins siebzig groß, in
einem modisch geschnittenen Anzug, der ihm genauso gut stand wie seine
Armeeuniform auf den Fotos.
Die Fotos hatten ihn nicht
entstellt, ihm eher etwas geschmeichelt. Kein gutaussehender Mann, aber
ein Mann mit Haltung und Ausstrahlung.
Mitten in ihrer Rede
ermattete Fleur. Sie sprang von der Couch auf und ging an mir vorbei zu
einer Tür in der Wand zu meiner Rechten. Und verschwand dahinter. Während
sie die Tür hinter sich schloß, wandte ich meine Aufmerksamkeit
wieder der anderen Hälfte des Raumes zu. Dort stand Leander Crystal.
»Wer sind Sie?«
Angespannte, herausfordernde Haltung, aber Feindseligkeit nur im Blick,
nicht in der Stimme. Er tat nichts anderes, als sich einer notwendigen
Aufgabe zu stellen, als ein Problem zu lösen. Während er sprach,
formten sich Falten über Falten auf seiner Stirn und verschwanden
wieder. Es war faszinierend, ihm zuzusehen. Aber seiner Stimme nach zu
schließen, war es mit dem zusehen nicht getan. Ich erzählte ihm
also von dem Zeitungsartikel.
»Bitte nennen Sie mir
irgend jemanden bei der Zeitung, von dem ich mir bestätigen lassen
kann, was Sie sagen.« Ich nannte ihm Maudes Namen und Stellung und hätte
ihm auch ihre Telefonnummer gegeben, aber er unterbrach mich, weil er die
Nummer selbst aus dem Telefonbuch heraussuchen wollte. Ein mißtrauischer
Bursche. Ich hätte ihm natürlich ihren gewöhnlichen Büroanschluß
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