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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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galten den geschäftigen Zeiten eines
     Menschenlebens: der Hochzeit (1916, der erste große Stapel), der
     Geburt der Kinder (1920 Windom, 1922 Sellman, 1926 Joshua, 1930 Fleur) und
     um die hundert dem Tod Irene Olians 1937.
    Es war drei Uhr in der Frühe.
     Ich wollte nicht sofort mit der Lektüre anfangen. Ich sah mir nur
     einige wenige flüchtig an. J.C. Penny hatte geschrieben, um sein
     Beileid zu Irenes Tod auszusprechen.
    Schließlich schlief ich
     ein.
    Der Morgen und eine neue
     Sonne. Alte Briefe und dazu ein armseliger Kaffee - keine verlockende
     Vorstellung. Also entschied ich mich für das Ungewöhnliche und
     drückte sechs winzige Orangen aus, so daß es den Saft zur
     Abwechslung einmal frisch gab. Schließlich waren Briefe etwas
     Besonderes und auch nicht meine Normalkost.
    Und tatsächlich
     steuerten sie neue Informationen bei. Keine tiefen Geständnisse, aber
     einige Informationen. Wie zum Beispiel, daß Leander und Fleur bei
     ihrer Frankreichreise 1953/54 hauptsächlich in Toulon und Umgebung
     gewesen waren. Sie hatten von dort aus einen Ausflug nach Württemberg
     in Deutschland gemacht, einen nach Tours in Frankreich und einen nach
     London. Estes hatte Woche für Woche je einen Brief von ihnen
     bekommen. Immer die gleiche, forsche Wohlgelauntheit und in monotoner
     Regelmäßigkeit Lobgesänge auf das Wetter und das Essen.
    Diese Episteln überraschten
     mich irgendwie. Sie waren der erste Riß in dem Bild, das ich mir von
     Fleur gemacht hatte. Ich wußte zwar nicht genug, um wohlbegründet
     zu bezweifeln, daß sie überhaupt jemals ungezwungen gewesen
     sein konnte. Aber mit monatelang anhaltender Prachtlaune hätte ich
     bei ihr nie und nimmer gerechnet.
    Zwischen 1944 und 1945 hatte
     Fleurs jüngster Bruder Joshua ganz andere Briefe geschrieben. In
     klarer, aber etwas dürftiger Prosa, voll komplexer Gedanken, die in
     einfache Sätze gepreßt waren.
    August 1944 Mein lieber
     Vater, meine liebe Schwester, ich darf nicht schreiben, wo wir sind. Ich
     will aber auch gar nicht über diese Dinge nachdenken.
    Statt dessen denke ich ständig
     an Euch beide, an Mrs. F. und Win und Slugger. Ich hoffe, sie sind bei
     einem besseren Verein gelandet als ich, wo immer sie auch sein mögen.
     Ich hab es hier mit einem Haufen unflätiger Kerle zu tun…
    Mich macht ein Mann
     neugierig, der sich im Krieg mit solchen Sorgen plagt. Als er den Brief
     schrieb, waren seine Brüder bereits tot.
    Im Dezember erwähnt er
     in seinen Briefen zum ersten Mal einen Mann, »… der meiner
     Kompanie neu zugeteilt ist. Er ist für seine Tapferkeit ausgezeichnet
     worden. Ich weiß nicht, warum man ihn hierher geschickt hat. Hier
     ist kein Bedarf an Tapferkeit. Er heißt Leander Crystal. Er ist mein
     Freund geworden. Er benutzt nicht diese unflätige Sprache wie die
     anderen hier.«
    In sieben Briefen nach Hause
     berichtete Joshua von seinem Freund - bis er nicht mehr schreiben konnte.
     Leander schrieb von Joshua nur ein einziges Mal.
    März 1945 Lieber Mr.,
     liebe Miss Graham, ich weiß, daß Sie inzwischen offiziell von
     der Tragödie, die sich hier um Ihren feinen jungen Mann, meinen
     Freund Joshua, abgespielt hat, unterrichtet worden sind. Uns bricht es
     hier das Herz ebenso, wie es Ihnen ergehen muß, weil er ein Mann
     war, wie man sich ihn besser nicht wünschen kann, und ein guter Kämpfer
     gewesen wäre, hätte man ihm nur die Möglichkeit des
     Fronteinsatzes verschafft, wie er es sich so sehnlichst wünschte.
    Sie sollten genau wissen, wie
     es geschah. Joshua fuhr einen Lastwagen mit dringend benötigtem
     Nachschub, als plötzlich eine französische Familie vor ihm auf
     der Straße auftauchte. Als er auf die Seite fuhr, um ihnen
     auszuweichen, löste er auf der Straßenböschung eine Mine
     aus und wurde von ihr getötet.
    Obwohl die Straßen
     eigentlich geräumt sein sollten, kommt so etwas immer wieder vor.
    Zufällig war ich in der
     Nähe und eilte mit einem Arzt, der in meiner Begleitung war, zu dem
     armen Joshua hin.
    Sie sollen wissen, daß
     seine letzten Worte seiner Liebe zu Ihnen, seinem Vater, seiner Schwester
     und seinen Brüdern galt.
    Ich weinte, als er in meinen
     Armen starb, und ich weine nicht leicht, habe ich doch ohne Tränen
     den Tod anderer ertragen, die ich viel länger kannte als Ihren Sohn.
    Es ist eine furchtbare Tragödie,
     daß Kriege, und seien es auch gerechte, geführt werden müssen
     und daß dabei Menschen wie Ihr Sohn fallen. Und

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