Wer viel fragt
gegeben, nicht ihre Privatnummer dort. Ich hätte ihn schon nicht
betrogen.
Als er das Wohnzimmer verließ,
um zu telefonieren, glaubte ich einen Augenblick lang, allein zu sein.
Aber ich täuschte mich. Fleur Crystals Kopf war ebenfalls anwesend.
Sie steckte ihn durch die Tür, durch die sie den Wohnraum vorhin
verlassen hatte. Mir war schleierhaft, woher sie wußte, daß
Leander gerade nicht da war, aber sie wußte es eben.
Ich fühlte mich
entschieden unwohl, und sie blieb in der Tür stehen.
»Sie sollten gar nicht
hier sein.«
»Na, kommen Sie, Mrs.
Crystal. Wir haben doch über bestimmt nichts geredet, was Ihren Mann
stören könnte.«
Sie war sich dessen nicht so
sicher. Tatsächlich sagte sie noch einmal: »Sie sollten gar
nicht hier sein.«
Ich seufzte und setzte mich
wieder. Die emotionale Wetterlage war soweit umgeschlagen, daß mein
Zartgefühl an der Oberfläche die ersten Erosionserscheinungen
zeigte.
Langsam kam darunter der
harte, steinerne Kern zum Vorschein.
Ich holte noch einmal tief
Luft. Schade, daß ich nicht rauchte, sonst würde ich mir jetzt
eine Zigarre anzünden, um den Raum vollends zu verpesten. Mir fiel
wieder ein, daß Fleur Zigarren erwähnt hatte. Ich hätte
wetten mögen, daß ihr Vater Zigarrenraucher war. Leander kam
zurück.
»Sie scheinen ja
wirklich echt zu sein, Mr. Samson, aber ich muß Sie trotzdem bitten,
jetzt zu gehen. Sie wären besser nicht an ein Mitglied meiner Familie
herangetreten, ohne zuerst mit mir zu sprechen.«
»Ihre Frau scheint
über einundzwanzig zu sein, Mr. Crystal, ohne Ihnen zu nahe treten zu
wollen. Und wenn ich etwas über Estes Graham wissen will, wende ich
mich doch besser an eins seiner Kinder als an seinen Schwiegersohn, oder?«
»Genaugenommen wenden
Sie sich an keines von beiden. Sie werden hier keine weitere Unterstützung
erfahren. Sie werden jetzt gehen. Ehrlich gesagt, es konnte ja nach all
den Jahren ohnehin keine große Story mehr werden. Es ist Zeit nach
Hause zu gehen. Hier entlang, bitte.« Ich ging. Aber es gefiel mir
gar nicht.
Ich ging nicht nach Hause.
Ich fuhr in den Norden der Stadt.
Es gab ja noch vieles, womit
ich mich beschäftigen konnte. Mit scharfem Nachdenken zum Beispiel.
Darüber, wie ungewöhnlich Fleur Crystal war. Eine schwierige,
verrückte Frau, von der ich noch vieles wissen wollte, ganz gleich,
ob sie es mir jemals erzählen würde oder nicht. Was mich letzten
Endes am meisten störte, war, daß sie wie ausgewechselt gewirkt
hatte, als Leander hereinkam. Eine Art Selbständigkeit, die in totale
Unterwürfigkeit umschlug. Es war gespenstisch gewesen.
Wenn ich abends allein bin,
sehe ich leicht Gespenster. Ich fand eine Telefonzelle und rief die Dame
meines Herzens an.
Wir verabredeten uns für
eine Stunde später, weil ich Zeit brauchte, um die ganze Geschichte
aus dem Kopf zu kriegen.
Damit ich bei ihr nicht mehr
daran denken mußte.
Gemächlich legte ich den
langen Weg in den Süden der Stadt zurück. Ich schaltete das
Radio ein. Ich hielt an, um ein ganz besonderes Eis zu kaufen. Meist
bringe ich ihr etwas mit, weil sie das glücklich macht, und das
wiederum macht mich glücklich. Zuerst hatte ich an Blumen gedacht,
aber als es dann ernst wurde, meinte ich doch, für diesen Tag genug
Blumen gesehen zu haben.
Mitten in der Nacht wurde ich
kurz wach. Ich weiß nicht, was ich geträumt hatte. Aber ich
wurde wach und wußte, daß ich mit Mrs. Forebush sprechen mußte.
Ich warf mich noch eine Weile unruhig hin und her und überlegte, ob
ich damit besser bis zum Nachmittag warten oder schon vormittags hingehen
sollte.
Schließlich schlief ich
wieder ein.
16
Ein düsterer,
regnerischer Tag. Ein Vorbote des Winters.
Wieder ein Winter, es würde
mein siebenunddreißigster Winter sein. Ein Wetter, das der Seele
nicht bekommt.
Gegen elf stand ich bei Mrs.
Forebush auf der Matte. Zeit für einen Kaffee. Mein ehemaliger
Schwiegervater hat mir einmal erklärt, daß elf Uhr die richtige
Zeit sei, um jemanden zu besuchen, bei dem man sich nicht lange aufhalten
will. Um gesellschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Die gelbe Blume war aus Mrs.
Forebushs Haar verschwunden. Verschwunden war auch allzuviel von dem Lächeln,
das ich erhofft, sogar erwartet hatte.
Als sie mir öffnete,
sagte sie: »Heute morgen hat Leander Crystal mich angerufen. Er bat
mich aus verschiedenen
Weitere Kostenlose Bücher