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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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gegeben, nicht ihre Privatnummer dort. Ich hätte ihn schon nicht
     betrogen.
    Als er das Wohnzimmer verließ,
     um zu telefonieren, glaubte ich einen Augenblick lang, allein zu sein.
     Aber ich täuschte mich. Fleur Crystals Kopf war ebenfalls anwesend.
     Sie steckte ihn durch die Tür, durch die sie den Wohnraum vorhin
     verlassen hatte. Mir war schleierhaft, woher sie wußte, daß
     Leander gerade nicht da war, aber sie wußte es eben.
    Ich fühlte mich
     entschieden unwohl, und sie blieb in der Tür stehen.
    »Sie sollten gar nicht
     hier sein.«
    »Na, kommen Sie, Mrs.
     Crystal. Wir haben doch über bestimmt nichts geredet, was Ihren Mann
     stören könnte.«
    Sie war sich dessen nicht so
     sicher. Tatsächlich sagte sie noch einmal: »Sie sollten gar
     nicht hier sein.«
    Ich seufzte und setzte mich
     wieder. Die emotionale Wetterlage war soweit umgeschlagen, daß mein
     Zartgefühl an der Oberfläche die ersten Erosionserscheinungen
     zeigte.
    Langsam kam darunter der
     harte, steinerne Kern zum Vorschein.
    Ich holte noch einmal tief
     Luft. Schade, daß ich nicht rauchte, sonst würde ich mir jetzt
     eine Zigarre anzünden, um den Raum vollends zu verpesten. Mir fiel
     wieder ein, daß Fleur Zigarren erwähnt hatte. Ich hätte
     wetten mögen, daß ihr Vater Zigarrenraucher war. Leander kam
     zurück.
    »Sie scheinen ja
     wirklich echt zu sein, Mr. Samson, aber ich muß Sie trotzdem bitten,
     jetzt zu gehen. Sie wären besser nicht an ein Mitglied meiner Familie
     herangetreten, ohne zuerst mit mir zu sprechen.«
    »Ihre Frau scheint
     über einundzwanzig zu sein, Mr. Crystal, ohne Ihnen zu nahe treten zu
     wollen. Und wenn ich etwas über Estes Graham wissen will, wende ich
     mich doch besser an eins seiner Kinder als an seinen Schwiegersohn, oder?«
    »Genaugenommen wenden
     Sie sich an keines von beiden. Sie werden hier keine weitere Unterstützung
     erfahren. Sie werden jetzt gehen. Ehrlich gesagt, es konnte ja nach all
     den Jahren ohnehin keine große Story mehr werden. Es ist Zeit nach
     Hause zu gehen. Hier entlang, bitte.« Ich ging. Aber es gefiel mir
     gar nicht.
    Ich ging nicht nach Hause.
     Ich fuhr in den Norden der Stadt.
    Es gab ja noch vieles, womit
     ich mich beschäftigen konnte. Mit scharfem Nachdenken zum Beispiel.
     Darüber, wie ungewöhnlich Fleur Crystal war. Eine schwierige,
     verrückte Frau, von der ich noch vieles wissen wollte, ganz gleich,
     ob sie es mir jemals erzählen würde oder nicht. Was mich letzten
     Endes am meisten störte, war, daß sie wie ausgewechselt gewirkt
     hatte, als Leander hereinkam. Eine Art Selbständigkeit, die in totale
     Unterwürfigkeit umschlug. Es war gespenstisch gewesen.
    Wenn ich abends allein bin,
     sehe ich leicht Gespenster. Ich fand eine Telefonzelle und rief die Dame
     meines Herzens an.
    Wir verabredeten uns für
     eine Stunde später, weil ich Zeit brauchte, um die ganze Geschichte
     aus dem Kopf zu kriegen.
    Damit ich bei ihr nicht mehr
     daran denken mußte.
    Gemächlich legte ich den
     langen Weg in den Süden der Stadt zurück. Ich schaltete das
     Radio ein. Ich hielt an, um ein ganz besonderes Eis zu kaufen. Meist
     bringe ich ihr etwas mit, weil sie das glücklich macht, und das
     wiederum macht mich glücklich. Zuerst hatte ich an Blumen gedacht,
     aber als es dann ernst wurde, meinte ich doch, für diesen Tag genug
     Blumen gesehen zu haben.
    Mitten in der Nacht wurde ich
     kurz wach. Ich weiß nicht, was ich geträumt hatte. Aber ich
     wurde wach und wußte, daß ich mit Mrs. Forebush sprechen mußte.
     Ich warf mich noch eine Weile unruhig hin und her und überlegte, ob
     ich damit besser bis zum Nachmittag warten oder schon vormittags hingehen
     sollte.
    Schließlich schlief ich
     wieder ein.

16
    Ein düsterer,
     regnerischer Tag. Ein Vorbote des Winters.
    Wieder ein Winter, es würde
     mein siebenunddreißigster Winter sein. Ein Wetter, das der Seele
     nicht bekommt.
    Gegen elf stand ich bei Mrs.
     Forebush auf der Matte. Zeit für einen Kaffee. Mein ehemaliger
     Schwiegervater hat mir einmal erklärt, daß elf Uhr die richtige
     Zeit sei, um jemanden zu besuchen, bei dem man sich nicht lange aufhalten
     will. Um gesellschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen.
    Die gelbe Blume war aus Mrs.
     Forebushs Haar verschwunden. Verschwunden war auch allzuviel von dem Lächeln,
     das ich erhofft, sogar erwartet hatte.
    Als sie mir öffnete,
     sagte sie: »Heute morgen hat Leander Crystal mich angerufen. Er bat
     mich aus verschiedenen

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