Wer viel fragt
besonders tragisch
ist es, wenn Männer dabei etwas anderem zum Opfer fallen als den
Kugeln des Feindes.
Ich hatte das Gefühl,
Ihnen schreiben zu müssen; ich glaube, daß ich Ihrem Jungen
sehr nahe stand, und meine Sie beinahe zu kennen. Wenn ich diesen Krieg
überlebe, darf ich vielleicht hoffen, Sie eines Tages aufzusuchen,
denn die Pläne für meine Berufsausbildung führen mich
vielleicht in Ihre Stadt.
Mit herzlichen Grüßen
Leander Crystal Es ging zu wie am Tag der offenen Tür. Am Mittag rief
Dr. Harry an.
»Schöner Stapel
Mist, den du mir da aufgehalst hast«, eröffnete er. »Also,
du kannst nicht erwarten, daß ich daraus viel mehr mache, als ich
getan habe. Ich weiß nicht, was zum Teufel du vorhast, aber ich
hoffe, du weißt, was du tust, wenn du dich so offensichtlich
irgendwo hineinstiehlst. Wenn du das bei mir gemacht hättest, würde
ich dich bei passender Gelegenheit mal sterilisieren.«
»Wie geht's Evvie?«
»Und eins will ich dir
auch sagen, diese Aufzeichnungen, die du geklaut hast, gehören zu den
sorgfältigst geführten und verständlichst geschriebenen
Krankenakten, die ich je gesehen habe. Sehr übersichtlich. Nur ein
Rindvieh konnte nicht in der Lage sein, das herauszufinden, worauf es dir
ankam.« Dann eine Pause. »Evvie geht's gut. Wie steht's denn
bei dir? Sie sagt, du seiest gestern abend etwas gereizt gewesen.«
An Harry muß man sich
erst gewöhnen. Seine Stimmung wird manchmal von Grausamkeit und
Sarkasmus beherrscht, aber eigentlich ist er sanft und zart besaitet. Außerdem
hat er Plattfüße und muß Spezialschuhe tragen. Ich habe
eine Theorie entwickelt, die das mit seinem Mundwerk in Zusammenhang
bringt.
Ohne noch viel Gewese darum
zu machen, rückte er mit folgenden Informationen heraus, die er für
mich aus den Krankenakten herausgesucht hatte: Nummer eins. Gestorben an
Lungenentzündung 1937.
Blutgruppe A. (Irene Olian
Graham.) Nummer zwei. Herzinfarkt 1945, Schlaganfälle 1952 und 1954,
Gestorben an einem Herzinfarkt 1955. Blutgruppe 0.
Aus irgendeinem Grund wird
kein Totenschein erwähnt.
Entweder ein Versehen, oder
der Arzt, der die Unterlagen geführt hat, hat den Totenschein nicht
selbst ausgestellt.
Totenscheine werden im
Gesundheitsamt archiviert, falls das für dich wichtig sein sollte.
(Estes Graham.) Nummer drei, vier und fünf in der Reihenfolge ihrer
Geburt.
Nichts Bemerkenswertes.
Blutgruppen A, A und 0. (Die Brüder.) Nummer sechs. Große
Vielfalt von Beschwerden im Laufe der Jahre, aber kaum wirkliche
Erkrankungen. Wahrscheinlich hypochondrisch (anscheinend seit dem Jahr
nach dem Tod von Nummer eins). Hat alle Symptome der ›populärsten‹
Krankheiten durchlaufen. Das heißt, derjenigen, die zur betreffenden
Zeit durch Veröffentlichungen gut bekannt waren, z. B. Tuberkulose,
Lungenentzündung, Herzbeschwerden.
Macht sich zweifellos, falls
noch nicht verstorben, zur Zeit Sorgen wegen Krebs. Letzte Terminabsprache
erfolgte zur Untersuchung vermuteter Sterilität, aber die Tests
wurden nicht mehr durchgeführt, und sie scheint seit August 1953
diesen Arzt nicht mehr frequentiert zu haben. Das ist eigentlich
erstaunlich, es sei denn, sie wäre fortgezogen, denn in dem Arzt
hatte sie eindeutig den richtigen für sich gefunden. Blutgruppe o.
(Fleur Olian Graham.) Nummer sieben. Kaum Informationen, keine bedeutende
Konsultation, Erkältungen, Routineuntersuchungen und dergleichen. Hat
die Behandlung bei diesem Arzt gleichzeitig mit Nummer sechs beendet.
Blutgruppe B. (Leander Crystal.) Nummer acht. Dies ist die vollständige
und bis in die Gegenwart reichende Krankenakte des Patienten vom Alter von
zweieinhalb Wochen an. Beginn 17. November 1954, letzte Eintragung ungefähr
vier Wochen alt. Nichts Ungewöhnliches.
Blutgruppe A. (Eloise Graham
Crystal.) »Nun, das war's. Hast du alles?« Das hatte ich, in
Form einer längeren Kritzelei. »Ich weiß nicht, was ein
Trottel wie du mit diesem Zeug anfangen soll. Also, raus mit der Sprache,
erzähl mir mehr.«
»Na, frag schon.«
»Welche Beziehung
besteht zwischen diesen rätselhaften, nummerierten Leichen?«
»In Reihenfolge der
Nummern Mutter, Vater, drei Söhne, Tochter, Ehemann der Tochter, Kind
der Tochter und ihres Mannes.«
»Ein adoptiertes Kind?«
»Nein.«
»Dann weiß ich
jetzt wenigstens, warum du nach den Blutgruppen fragtest.«
»Laß
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