Wer viel fragt
zuckte die Achseln.
»Welche Garantie könnte ich schon bekommen? Wenn Sie ein Stück
Papier unterschreiben, versiegelt das nicht automatisch Ihren Mund. Eloise
sagt, man kann Ihnen vertrauen. Wir werden ihrem Urteil vertrauen müssen.
Wir werden da vertrauen müssen, wo uns früher der Mut fehlte.«
Er sah sie zärtlich an. Ich sah sie auch an, und ihr Gesichtsausdruck
schien immer noch von derselben müden Gelassenheit zu künden.
»Ich bin einige
Verpflichtungen eingegangen - es könnte eine Weile dauern, da wieder
rauszukommen.«
»Mr. Samson, ein
Bettler kann nicht wählerisch sein. Ich bitte Sie, uns die
gesellschaftliche Erschütterung eines Skandals zu ersparen. Ich kann
Sie nicht dazu zwingen, Stillschweigen zu bewahren. Die Vermeidung eines
Skandals ist uns sehr viel wert. Aber wir sind niemandem sonst fünfzigtausend
Dollar wert.«
»Es geht mir nicht um
Geld.«
»Dann kann ich nur noch
sagen, daß ich Ihnen dankbar wäre, wenn Sie Ihre Entscheidung
treffen und diese leidige Sache schnell erledigen würden.«
»Dürfte ich
vielleicht noch einmal allein mit Eloise sprechen?«
»Natürlich.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Eloise, meine
Klientin, meine blasse, zarte Klientin.
Exklientin. »Hat man
Sie wirklich ins Gefängnis gesteckt?«
fragte sie.
»Ja.« Ich freute
mich über ihr Mitleid.
»Damit hatte ich nicht
gerechnet.« Ihr Mitleid war kein Mitleid. Es war ein gewisses Maß
an Abscheu. Es verletzte mich. Ich halte mich nicht für schmutzig.
»Sie sind nicht
verantwortlich für das, was ich getan habe oder tun werde. Und wenn
ich nicht ins Gefängnis gekommen wäre, wären Sie nie in den
Genuß dieser Erklärung gekommen, das dürfen Sie nicht
vergessen.«
»Werde ich auch nicht.
Es tut mir leid.« Wir saßen da und schwiegen.
Zu guter Letzt sagte ich:
»Was ist nun? Sind Sie zufrieden?«
»Ja«, sagte sie.
»Mehr wollen Sie nicht
wissen?«
»Ich wüßte
nicht, was.«
»Dann einmal anders
herum gefragt - hätten Sie etwas dagegen, wenn ich noch ein Weilchen
weitermachen würde? Ich meine, nicht als Klientin, sondern als
Mensch.« Diesen Kompromiß akzeptierte sie nicht.
»Ja«, sagte sie
hitzig. »Warum sollten Sie weitermachen? Es ist nicht Ihre Familie,
es ist meine. Ich bin glücklich jetzt, glücklicher als seit
langem… Seit ich denken kann!« Dann fügte sie
freiwillig, und man könnte denken, kindlich hinzu: »Wenn es
meine Entscheidung gewesen wäre, wären es eher fünftausend
Dollar gewesen. Besser, Sie nehmen das Geld, bevor er seine Meinung ändert.«
»Vielleicht werden Sie
mal ein besserer Geschäftsmann als Ihr Vater.«
»Vielleicht werde ich
das.« Sie wandte sich ab. Ich ging, bevor sie sich umdrehte. Ich
hatte Angst davor, in ihren Augen Dollarzeichen zu sehen.
Ich ging zur Flurtür und
öffnete sie für Leander Crystal. Er wartete auf mich, saß
auf der Treppe zum zweiten Stock. Er lächelte verlegen und stand auf.
Es war das erste Mal, daß er mich angelächelt hatte. Es gefiel
mir; es war menschlich.
Wir gingen ins Wohnzimmer zurück,
wo Eloise noch immer auf ihrem Platz saß. Dann zog er ein kleines Stück
Papier mit blauen Linien drauf aus der Tasche.
»Ich habe ja gesagt, daß
ich Ihnen das hier geben wollte«, sagte er, und seine Stimme klang
auffällig müde. Ich steckte den Scheck in die Tasche, ohne die
Ziffern zu lesen. Ich wollte nicht ungehobelt erscheinen.
»Wenn es noch
irgendwelche Fragen gibt, die ich für Sie beantworten kann, Dinge,
von denen Sie meinen, Sie müßten sie wissen…«
Er wurde unterbrochen, als
die Tür auf der anderen Seite des Wohnzimmers aufflog und Fleur
Crystal erschien. Die Tür, durch die sie bei unserem letzten Treffen
angsterfüllt verschwunden war.
Keine Spur von Angst jetzt.
Sie achtete sorgfältig darauf, nicht zu schwanken, hielt sich mit der
einen Hand am Türrahmen fest und umklammerte mit der anderen ein
kleines Glas. Der Inhalt des Glases hätte Eistee sein können,
aber ich sah keine Zitrone.
»Da sind Sie also«,
schrie sie. »Sie beschissener kleiner Bastard!« Sie lachte.
»Hat er's Ihnen gesagt? Hat er's Ihnen gesagt?«
Crystal trat zu ihr und
versuchte sie dorthin zurückzubugsieren, wo sie hergekommen war. Sie
war nicht gerade fügsam, aber als er die Hände auf ihre
Schultern legte, stieß sie ihn nicht direkt
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