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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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Ich habe ihn nicht aus dem Haus kommen sehen.
     Vielleicht hat er mich vor dem Erfrieren gerettet. Ich kurbelte das
     Fenster runter, und er sagte zu mir - einfach so: »Wenn Sie auf mich
     warten, können Sie genausogut ins Warme kommen und eine Tasse Kaffee
     trinken.«   
    Was ich auch tat. Wir kamen
     ins Gespräch. Und es gelang mir nicht, seiner Frau irgendwelche
     Beweise für irgendwelche Verfehlungen seinerseits vorzulegen. Ich erzählte
     ihr, daß er ein hart arbeitender Mann sei - er verkauft Autoteile
     auf der Illinois Avenue -, erzählte ihr von all diesen Spätschichten
     nachts allein im Laden. Ich machte meine Sache gut. Sie glaubte mir
     beinahe.
    Ich habe natürlich mein
     Honorar von ihr kassiert. Schließlich war es sein Geld.
    Ich kriege heute noch
     Autoteile zum Selbstkostenpreis. Ein Angestellter einer großen
     Agentur könnte möglicherweise nicht so arbeiten, könnte es
     sich nicht leisten, den Ruf seines Vereins in Gefahr zu bringen.
    Aber ich habe keinen Ruf, dem
     dergleichen schaden könnte.
    Und Bedeutungslosigkeit macht
     es einem so viel leichter, Gott zu spielen, wenn man dazu veranlagt ist.
    Es macht es einem auch
     leichter, sich auf seinem Ego rumtrampeln zu lassen, aber das ist eben die
     andere Seite der Medaille.
    Um Punkt elf drückte ich
     bei den Crystals auf die Klingel.
    Um Punkt elf öffnete
     Leander Crystal die Tür und führte mich in das Wohnzimmer, aus
     dem er mich jüngst so gekonnt herausgeführt hatte.
    Eloise war da, saß auf
     einem Stuhl vor den Balkontüren. Sie war nicht die Eloise, die ich in
     der letzten Zeit kennengelernt hatte. Sie war blaß und müde und
     hatte zwei blutunterlaufene Augen. Aber ihr Gesicht zeigte eine Art von
     Gelassenheit, die ich nie zuvor an ihr bemerkt hatte.
    Ihr Vater war völlig
     anders. Stets der supergepflegte Mann von fünfzig mit klarem Blick
     und kräftiger Stimme. Immer noch der Mister Cool. Er stand. Ich
     setzte mich aufs Sofa, dorthin, wo ich bei meinem Gespräch mit Fleur
     gesessen hatte. Er sah mich an und hielt eine Rede.
    »Ich habe mit den
     anderen Hauptbeteiligten in dieser Sache gesprochen, und wir sind zu dem
     Schluß gekommen, daß es wohl das Gegebene wäre, Ihnen die
     ganze Geschichte zu erzählen.«        
    Ich hörte lediglich zu.
     Skeptisch war ich natürlich, aber jetzt konnte mich nichts mehr
     überraschen.
    »Wir sind nicht glücklich
     darüber, Sie ins Vertrauen ziehen zu müssen - Ihnen
     Familiengeheimnisse anvertrauen zu müssen, so wie die Dinge liegen -,
     aber Eloise versichert uns, daß Sie ehrlich sind, und wir gehen
     davon aus, daß Sie darüber hinaus diskret sind. Wir wissen, daß
     Sie einigermaßen tüchtig sind.«
    Huldvolles Zugeständnis.
     Es erfüllte mich mit ein klein wenig Stolz.
    »Sie wissen, daß
     Fleur und ich 1949 geheiratet haben. Sie wissen vielleicht nicht, daß
     es eine Liebesheirat war und immer noch ist. Nicht vollkommen, sondern
     menschlich.
    Ein Teil der Unvollkommenheit
     geht auf das Konto von Fleurs Vater. Solange er lebte, versuchte er Fleurs
     Gedanken und ihren Geist zu beherrschen.«
    Ein Exrauswerfer, der
     schlecht von den Toten sprach? Ich veränderte meine Sitzhaltung,
     indem ich die Beine übereinanderschlug. Er fuhr fort.
    »Nach seinem Tod
     sicherte er seine Wertvorstellungen durch die Bedingungen seines
     Testaments ab. Wie Sie wissen, hing Fleurs Erbe davon ab, daß aus
     unserer Ehe ein Kind hervorging.« Ich nickte überflüssigerweise,
     als wollte ich zu seinen Ausführungen den Takt schlagen.
    »Zu Lebzeiten hat er
     regelmäßig von dieser Bedingung in seinem Testament gesprochen.
     Meiner Meinung nach wollte er damit Unfrieden stiften.« Eine
     korrekte Vermutung: Sie hatten vor Estes' Tod über das Testament
     Bescheid gewußt.
    »1952 fand ich dann
     heraus, daß ich keine Kinder zeugen konnte.« Noch ein Treffer.
    »Als das einmal
     feststand, arrangierten Fleur und ich eine Reise nach Europa. Dort hat ein
     Freund, den ich im Krieg kennengelernt hatte, Kontakt zu einem französischen
     Arzt aufgenommen, der Fleur durch künstliche Befruchtung geschwängert
     hat.
    Fleur wurde Ende Januar
     schwanger. Als alles normal zu verlaufen schien, kehrten wir nach
     Indianapolis zurück und verkündeten die gute Neuigkeit.
    Das war's also. Sie haben
     eine Unschicklichkeit aufgedeckt.
    Aber die moralischen Fragen,
     um die es hier geht, sind durchaus vielschichtig. Natürlich war auch
     Habgier im Spiel, aber es ist nicht

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