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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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gewiß wird es nie wieder einen Estes Graham geben. Aber
     der einzige junge Mann, den ich kenne, der Estes überhaupt das Wasser
     reichen konnte, war Leander Crystal.« Sie schwieg einen Augenblick
     lang. Und sah mich mit einer gewissen Feuchtigkeit in den Augen an.
     »Eloise war für mich immer irgendwie etwas Besonderes. Als wäre
     sie das Kind, das ich einmal hätte haben können.«   
     
    Den Rest von Fleurs
     Anschuldigungen ließ ich fallen. Wir trennten uns in weiterem
     gegenseitigem Einvernehmen - zu dem jetzt sogar ein gewisses Maß an
     beidseitiger Bewunderung für Leander Crystal gehörte.
    Als ich wieder in meinem Büro
     war, ging es auf vier Uhr zu.
    Mit einem gewissen Maß
     an Nostalgie beschloß ich, mir zum Teestündchen eine Kanne Tee
     zu kochen.
    Die Wehmut galt nicht nur
     Mrs. Forebushs viktorianischem Scharfblick. Sie galt vor allem dem
     Andenken an Klienten, die der Vergangenheit angehörten. Vier Uhr war
     Eloise' Zeit für einen Besuch bei mir. Ich widmete mich meiner
     Kuckucksuhr, stellte sie und zog sie auf.
    Der kleine Vogel kam um vier,
     aber keine Eloise. Eloise, meine Eloise. Meine Ein-Millionen-Dollar-'
     Klientin. Mein EinMillionen-Dollar-Baby. Warum hat Geld einen so
     verderblichen Einfluß? Wahrscheinlich, weil man Verderbnis von ihm
     erwartet. Ich war froh, daß die Drei-Uhr-Grenze hinter mir lag.
    Wieder ein Tag sicher
     verstrichen. Ich wollte den Scheck mindestens zwei Tage lang liegenlassen,
     bevor ich ihn einlöste, aber… Der Gedanke, irgendwann einmal
     die Geschichte erzählen zu müssen, wie ich mir fünfzigtausend
     Dollar durch die Lappen gehen ließ, nur weil ich einen Scheck nicht
     gleich eingelöst hatte - dieser Gedanke schmerzte. Man denke nur, ich
     müßte es Maude erzählen. Sie würde mir nie verzeihen.
     Und mir ging durch den Kopf, daß man auf einem neu aufgepolsterten
     Sessel in meinem Büro bestimmt nicht mehr sofort den Staub sehen würde.
    Aber ich schnitt mir selbst
     diese Gedanken ab. Wenn ich so weitermachte und die Sache mir gegenüber
     immer weiter aufblies, würde ich, bevor die Banken am Morgen öffneten,
     bis zum Hals in Schulden stecken. Beschäftige dich, sagte ich mir.
    Beschäftige dich. Beschäftige
     dein Gehirn, soweit es noch betriebsfähig und zu Beschäftigungszwecken
     nutzbar ist.
    In meinen zweiten Becher Tee
     kippte ich statt Milch Bourbon.
    So was läßt einem
     Haare wachsen, fand ich; es würde mir Kraft geben. Und ich rief Jerry
     Miller an.
    Als ich ihn am Apparat hatte,
     erzählte er mir, daß er etwas für mich habe.
    Mir war ein wenig schwindlig.
     Ich fragte ihn, wann er zu Abend aß, und lud ihn zu einem Dinner bei
     Cappys ein.
    »Was ist los mit dir?
     Hast du zehn Dollar auf der Straße gefunden, von denen du wissen
     willst, wie schnell sie sich in Wohlgefallen auflösen können?«
    »Es waren elf Dollar
     und zweiunddreißig Cent, aber wahrscheinlich gefälschte. Kommst
     du nun her, oder muß ich zu dir runter tippeln und versuchen, an
     meinem freundlichen Diensthabenden vorbeizukommen?«
    »Um acht«, sagte
     er und fügte dann hinzu: »Ich muß jetzt los.        
    Wir ersticken in Einbrechern.«
     Dann legte er ohne ein weiteres Wort auf, so daß ich wußte, er
     liebt mich.
    Zwischen vier Uhr dreißig
     und dem Beginn meines Fußmarschs zu Cappys schrieb ich einen Brief
     an meine Tochter und haute irgendwas zwischen hundertsechzigund
     hundertachtzigtausend Dollar auf den Kopf.
    Mein Freund Miller ist im
     Grunde genommen kein glücklicher Mann. Zum Beispiel hat er seine
     zweite Wahl geheiratet. Als wir die High School hinter uns hatten, war er
     in ein Mädchen verliebt, das überaus liebenswert war und das ihn
     liebte und ihn heiraten wollte. Aber das Problem war, daß er zur
     Polizeischule gehen und sie nicht warten wollte.
    Also heiratete sie einen
     Musiker, krempelte ihn zu einem Anzugverkäufer um und lebte mit ihm
     glücklich dem Ende ihrer Tage entgegen.
    Nicht daß Jerrys Frau -
     die Sache liegt jetzt einundzwanzig Jahre zurück - keine schöne
     Ausgabe der Spezies Ehefrau wäre.
    Aber irgendwie ist es nie
     ganz so geworden, wie er es haben wollte.
    Ich verstehe seine Probleme.
    Wir ließen uns zum
     Essen nieder, und er gab mir einen Aktenordner. Den legte ich beiseite und
     gönnte ihm während der ganzen Mahlzeit keinen einzigen Blick.
    »Tut mir leid, daß
     ich dir nichts dafür zu bieten habe«, sagte ich. Es tat mir
     leid. Ich fühlte mich wirklich

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