Wer viel fragt
Alteingesessenen aus Indiana haben nicht viel übrig für
Ausländer. Jemand aus den angrenzenden Staaten - Illinois, Michigan,
Ohio und Kentucky - konnte vielleicht ein Verwandter sein. Aber wenn es um
andere Staaten ging, herrschte hier große Zurückhaltung. Und
das Ausland ist eine andere Welt für die Menschen, die davon überzeugt
sind, daß daheim in Indiana alles genau so ist, wie es sein soll.
Ich bin einmal mit einem Mann
aus England durch Indiana gereist, der das ganze Land abgeklappert hatte,
um sich die Sehenswürdigkeiten Amerikas zu Gemüte zu führen.
Wir haben auch kurz am alten James-Whitcomb-Riley-Haus auf der Fernstraße
4o haltgemacht. Jeder, der in Indiana zur Schule geht, weiß, wer
James Whitcomb Riley ist.
Wir wollten Postkarten
kaufen, und als wir damit zur Kasse gingen, hörte die Lady dort
meinen Freund sprechen und fragte: »Auslänna, wie?«
Er hatte erst etwas Mühe,
sie zu verstehen, nickte dann aber.
»Sollte ich wohl besser
der Polizei melden«, sagte sie.
Nun hatten wir beide etwas Mühe
mit dem Verständnis, und nach stundenlangen zehn Sekunden rang sie
sich ein schiefes Lächeln ab und sagte: »War nur 'n Witz. Ich
hoffe, Sie haben 'ne schöne Reise.« Die Reise wurde tatsächlich
schöner.
Bei Mrs. Forebush hatten
meine Vorurteile gegen Indianas Vorurteile mich wohl übermannt.
»Ich weiß, daß
sie Ausländerin war, junger Mann. Ich sollte es wohl wissen. Fünf
Jahre lang ist jeden Juni ein Mann vom Ausländeramt gekommen, um nach
ihr zu fragen. Von 1955 an.
Er sagte, sie hätte sich
im Januar nicht bei der Behörde gemeldet, was die Fremden ja tun müssen.
Und dies sei ihre letzte ihnen bekannte Adresse. Ich erinnere mich an ihn,
weil es immer derselbe Mann war, der hierherkam, und weil er immer
dieselben Fragen gestellt hat. Jedes Jahr war es wieder so, als hätte
ich im Jahr davor überhaupt nicht mit ihm geredet.
Manchmal frage ich mich
wirklich, wozu es das geschriebene Wort gibt. Hätten diese Leute
nicht einfach eine Notiz auf ihrer Karteikarte machen können oder so
was? Irgendwann kam er dann nicht mehr. Wahrscheinlich haben sie sie
gefunden.«
»Wahrscheinlich.«
»Aber Mr. Crystal ist
sehr gut zu mir gewesen.« Sie sagte das in jenem endgültigen
Tonfall, der das nicht mehr allzu ferne Ende einer Unterhaltung anzeigt.
»Das einzige, was ich
Sie noch fragen wollte, Mrs. Forebush, ist vielleicht ein wenig persönlich,
aber ich würde es trotzdem gerne tun. Als ich mit Fleur sprach, sagte
sie, Sie hätten sich irgendwann einmal Hoffnung auf eine Ehe mit
Estes Graham gemacht.«
Sie wurde ein wenig traurig,
aber dafür fiel jegliche Gelangweiltheit von ihr ab. »Ich weiß
wirklich nicht, ob ich mit Ihnen darüber reden sollte. Meine
Beziehung zu Estes Graham war etwas Unausgesprochenes - und etwas sehr Schönes.
Ich habe wohl irgendwann einmal wirklich erwartet, daß er mich
heiraten würde. Das war wahrscheinlich etwa zu Anfang des Krieges,
drei Jahre nach Irenes Tod. Er war ein Mensch, der von seiner eigenen
Energie verzehrt wurde, ein Mensch, der nur so vor Leben sprühte,
sogar damals, und dabei war er siebzig Jahre alt, als der Krieg begann.
Aber als seine Kinder eins
nach dem anderen starben, starb er auch. Zuerst 1942 Windom, dann Slugger,
das war der zweite Sohn, und schließlich Sellman. Als der 1944
starb, wußten wir beide einfach, daß er nie wieder heiraten würde.
Als dann der kleine Joshua fiel, ist er völlig zusammengebrochen.
Eines Tages rief er mich zu sich, um mir zu sagen, daß er mir Aktien
im Wert von hunderttausend Dollar überschrieben habe, damit ich im
Falle seines Todes versorgt sei.
Ein paar Wochen später
hatte er einen Schlaganfall. Ich glaube, er hat damit gerechnet, daß
er nicht mehr lange zu leben hatte. Wenn das jüngste Kind, Fleur, ein
Junge gewesen wäre, hätten die Dinge vielleicht anders
ausgesehen.
1946 kam Mr. Crystal nach
Indianapolis, um auf das ButtlerCollege zu gehen und dort mit staatlicher
Unterstützung nach dem Soldatengesetz seinen Collegeabschluß zu
machen. Und sobald er hier ankam, meldete er sich bei Estes. Sie müssen
wissen, daß er im Krieg mit Joshi befreundet war. Und als Mr.
Crystal anfing, sich für Fleur zu interessieren, nun ja… ich
glaube Leander Crystal ist es zu verdanken, daß Estes noch sechs
oder acht Jahre gelebt hat.
Ich kenne nicht viele junge
Leute. Und
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