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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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Alteingesessenen aus Indiana haben nicht viel übrig für
     Ausländer. Jemand aus den angrenzenden Staaten - Illinois, Michigan,
     Ohio und Kentucky - konnte vielleicht ein Verwandter sein. Aber wenn es um
     andere Staaten ging, herrschte hier große Zurückhaltung. Und
     das Ausland ist eine andere Welt für die Menschen, die davon überzeugt
     sind, daß daheim in Indiana alles genau so ist, wie es sein soll.
    Ich bin einmal mit einem Mann
     aus England durch Indiana gereist, der das ganze Land abgeklappert hatte,
     um sich die Sehenswürdigkeiten Amerikas zu Gemüte zu führen.
     Wir haben auch kurz am alten James-Whitcomb-Riley-Haus auf der Fernstraße
     4o haltgemacht. Jeder, der in Indiana zur Schule geht, weiß, wer
     James Whitcomb Riley ist.
    Wir wollten Postkarten
     kaufen, und als wir damit zur Kasse gingen, hörte die Lady dort
     meinen Freund sprechen und fragte: »Auslänna, wie?«
    Er hatte erst etwas Mühe,
     sie zu verstehen, nickte dann aber.
    »Sollte ich wohl besser
     der Polizei melden«, sagte sie.
    Nun hatten wir beide etwas Mühe
     mit dem Verständnis, und nach stundenlangen zehn Sekunden rang sie
     sich ein schiefes Lächeln ab und sagte: »War nur 'n Witz. Ich
     hoffe, Sie haben 'ne schöne Reise.« Die Reise wurde tatsächlich
     schöner.
    Bei Mrs. Forebush hatten
     meine Vorurteile gegen Indianas Vorurteile mich wohl übermannt.
    »Ich weiß, daß
     sie Ausländerin war, junger Mann. Ich sollte es wohl wissen. Fünf
     Jahre lang ist jeden Juni ein Mann vom Ausländeramt gekommen, um nach
     ihr zu fragen. Von 1955 an.
    Er sagte, sie hätte sich
     im Januar nicht bei der Behörde gemeldet, was die Fremden ja tun müssen.
     Und dies sei ihre letzte ihnen bekannte Adresse. Ich erinnere mich an ihn,
     weil es immer derselbe Mann war, der hierherkam, und weil er immer
     dieselben Fragen gestellt hat. Jedes Jahr war es wieder so, als hätte
     ich im Jahr davor überhaupt nicht mit ihm geredet.
    Manchmal frage ich mich
     wirklich, wozu es das geschriebene Wort gibt. Hätten diese Leute
     nicht einfach eine Notiz auf ihrer Karteikarte machen können oder so
     was? Irgendwann kam er dann nicht mehr. Wahrscheinlich haben sie sie
     gefunden.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Aber Mr. Crystal ist
     sehr gut zu mir gewesen.« Sie sagte das in jenem endgültigen
     Tonfall, der das nicht mehr allzu ferne Ende einer Unterhaltung anzeigt.
    »Das einzige, was ich
     Sie noch fragen wollte, Mrs. Forebush, ist vielleicht ein wenig persönlich,
     aber ich würde es trotzdem gerne tun. Als ich mit Fleur sprach, sagte
     sie, Sie hätten sich irgendwann einmal Hoffnung auf eine Ehe mit
     Estes Graham gemacht.«
    Sie wurde ein wenig traurig,
     aber dafür fiel jegliche Gelangweiltheit von ihr ab. »Ich weiß
     wirklich nicht, ob ich mit Ihnen darüber reden sollte. Meine
     Beziehung zu Estes Graham war etwas Unausgesprochenes - und etwas sehr Schönes.
     Ich habe wohl irgendwann einmal wirklich erwartet, daß er mich
     heiraten würde. Das war wahrscheinlich etwa zu Anfang des Krieges,
     drei Jahre nach Irenes Tod. Er war ein Mensch, der von seiner eigenen
     Energie verzehrt wurde, ein Mensch, der nur so vor Leben sprühte,
     sogar damals, und dabei war er siebzig Jahre alt, als der Krieg begann.
    Aber als seine Kinder eins
     nach dem anderen starben, starb er auch. Zuerst 1942 Windom, dann Slugger,
     das war der zweite Sohn, und schließlich Sellman. Als der 1944
     starb, wußten wir beide einfach, daß er nie wieder heiraten würde.
     Als dann der kleine Joshua fiel, ist er völlig zusammengebrochen.
     Eines Tages rief er mich zu sich, um mir zu sagen, daß er mir Aktien
     im Wert von hunderttausend Dollar überschrieben habe, damit ich im
     Falle seines Todes versorgt sei.
    Ein paar Wochen später
     hatte er einen Schlaganfall. Ich glaube, er hat damit gerechnet, daß
     er nicht mehr lange zu leben hatte. Wenn das jüngste Kind, Fleur, ein
     Junge gewesen wäre, hätten die Dinge vielleicht anders
     ausgesehen.
    1946 kam Mr. Crystal nach
     Indianapolis, um auf das ButtlerCollege zu gehen und dort mit staatlicher
     Unterstützung nach dem Soldatengesetz seinen Collegeabschluß zu
     machen. Und sobald er hier ankam, meldete er sich bei Estes. Sie müssen
     wissen, daß er im Krieg mit Joshi befreundet war. Und als Mr.
     Crystal anfing, sich für Fleur zu interessieren, nun ja… ich
     glaube Leander Crystal ist es zu verdanken, daß Estes noch sechs
     oder acht Jahre gelebt hat.
    Ich kenne nicht viele junge
     Leute. Und

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