Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
Vom Netzwerk:
Leander hatte Joshua entdeckt
     und als den Sohn eines reichen Mannes identifiziert. Er hatte sich mit dem
     Jungen, der so gar nicht dem Bild des typischen Soldaten entsprach,
     angefreundet. Hatte sich wahrscheinlich mordsmäßig angestrengt,
     um sich mit ihm anzufreunden. Und als er starb, hatte Leander, statt
     dieses Freundschaftspotential ebenfalls sterben zu lassen, das Fundament für
     sein Erscheinen in Indianapolis gelegt, das Fundament, auf dem er sich später
     seinen Platz in der Welt der Grahams erbaute.        
    »Ausbildungspläne.«
     Hatte er gewußt, daß Joshua eine Schwester hatte? Hatte er
     beschlossen, sie zu umwerben, während er darüber nachdachte, wie
     Joshuas Tod sich auf seine Aussichten auswirken würde?
    Dies war eine kleine zusätzliche
     Facette von Leander Crystal, dem Ehemann mit der »Liebesheirat«.
     Vielleicht hatte er sich doch geändert, nachdem er als ein Mann ohne
     Furcht vor dem Tod gekämpft hatte. War zu dem Mann mit dem großen
     Gesamtplan geworden. Vielleicht hatte er gelernt, das Leben zu lieben,
     solange er noch am Leben war.
    Er war einen weiten Weg
     gegangen.
    Ich hielt inne, um mir
     nachzuschenken, und sah mir wieder Joshis Unterlagen an. Ich sah mir noch
     einmal den Namen des echten Zeugen an. Dr. Henry Chivian.
    Ich konsultierte meine
     Notizen und fand, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte. Da stand es: Dr.
     Henry Chivian, der Mann, der zehn Jahre später in fünftausend
     Meilen Entfernung Estes Grahams Totenschein ausgestellt hatte.
    Schon wieder eine Ironie des
     Schicksals. Ich schwelgte abermals in Bourbon und Ironie. Und nach einer
     Weile nur noch in Bourbon.
    Der Samstagabend ist bei mir
     nicht der beste Abend der Woche.
    Ich blieb noch lange genug in
     den Morgen hinein bei Bewußtsein, um die Pacers im Fernsehen gegen
     die Utah Stars verlieren zu sehen. Die Übertragung war nicht der
     einzige Grund, aus dem ich den Sonntagmorgen verschlief.
    Den Nachmittag verbrachte ich
     mit meiner Flamme und deren Tochter.

28
    Der Montagmorgen brachte neue
     Geschäfte. Ein Neun-UhrAnruf mit der Nachfrage, ob ich ein paar
     Vorladungen überbringen könne. Aus irgendeinem Grund sagte ich
     ja, und um zehn Uhr trabte ich los.
    Wahrscheinlich versuchte ich,
     für eine Weile wegzukommen.
    Klar, ich beschäftigte
     mich immer noch mit den Crystals und den Grahams, aber ich war nicht glücklich
     darüber.
    Im wesentlichen deshalb, weil
     die Strömung mich von den Fünfzigtausend wegtrieb statt ihnen in
     die Arme. Ich war viel glücklicher, wenn es danach aussah, als würde
     ich das Geld nehmen. Vielleicht nahm ich den Job mit den Vorladungen an,
     damit ich nicht dem immer wieder aufwallenden Drang erliegen konnte, den
     Scheck einzulösen.
    Wie konnte ich bei der Bank
     vorbeischauen, wenn ich mit dem Überbringen von Vorladungen beschäftigt
     war? Was war wohl mit mir los, daß ich nicht einfach das Geld nahm,
     und dann nichts wie weg?
    Wahrscheinlich lag es daran,
     daß ich früher mal selbst ein wenig Geld hatte. So wahnsinnig
     toll war das ja auch wieder nicht gewesen. Und vielleicht eröffnete
     der Gedanke, wieder zu Geld zu kommen, die geistige Möglichkeit, auch
     ein paar andere Dinge zurückzubekommen. Beispielsweise meine Tochter.
    Um eins gestattete ich mir
     eine Mittagspause. Zur Kuchenzeit kam mir die Erkenntnis, daß das,
     was ein paar Nächte zuvor so seltsam erschienen war, überhaupt
     nicht seltsam war. Dr. Chivian. Wirklich seltsam wäre es gewesen,
     wenn seine Unterschrift auf einem Totenschein in Frankreich und einem in
     Indianapolis innerhalb einer Woche datiert gewesen wäre.
    Aber zehn Jahre? Das ist viel
     Zeit. Und das Puzzle fügte sich zusammen.
    Angenommen, Crystal kannte
     Chivian in Frankreich, so wie er Joshua kannte. Angenommen, Crystal und
     Chivian kamen gut miteinander aus. Angenommen, Leander fand heraus oder
     vermutete zumindest, daß er steril war, und nahm wegen der Tests
     Kontakt zu Chivian auf, weil er darauf zählen konnte, daß
     Chivian die Ergebnisse für sich behalten würde. Das paßte
     zu dem abrupten Ärztewechsel, der in Fleurs und Leanders Krankenakten
     verzeichnet war. So kam Chivian wieder ins Spiel und blieb dann als ihr
     Hausarzt. Und er war zufällig auch in der Nähe, als Estes seinen
     letzten Atemzug tat.
    Nicht schlecht für eine
     Vermutung.
    Nein, keine Vermutung; eine
     Schlußfolgerung. Spitzenmäßig.
    Nachdem ich für mein
     Futter bezahlt hatte, suchte ich im

Weitere Kostenlose Bücher