Wer viel fragt
»Man braucht kein Genie
zu sein, um damit klarzukommen.«
Ich beließ es dabei.
Ich war kein Genie. Ich steckte einen Stapel in jeweils eine meiner
Jackentaschen und ließ mir auf dem Weg nach draußen von ihm
seine Spielzeuge zeigen. Er hatte sogar einen kleinen Computer im
Untergeschoß. Aber ich bereute meine Investition beziehungsweise
meine beginnende Investition nicht, denn er hatte auch einen Flipper
direkt neben dem Computer stehen. »Für meinen Sohn«,
sagte er, als er meinen Blick bemerkte, und lächelte.
Ich wette. Und hätte
fast gewettet, daß er gar keinen Sohn hatte. Aber abzüglich
seiner hundertfünfzig blieb mir nicht mehr viel Geld zum Wetten.
Ich schlurfte davon; wir
einigten uns, daß ich seinen Anruf abwarten würde.
35
Noch im Hausflur, auf dem Weg
zu meinem Büro, sah ich, daß dessen Tür offenstand, weit
offen, nicht nur einen Spaltbreit.
Mein Herz begann zu hämmern.
Ich hasse Überraschungen, vor allem, wenn ich weiß, daß
eine bevorsteht, aber nicht weiß, was oder in diesem Falle wer mich
erwartet. Ob ich meine Verteidigung mobilisieren muß oder meinen
Charme.
Ich dachte kurz darüber
nach, einfach wieder zurückzumarschieren, bei den Cops vorbeizugehen
und mit Miller zu reden. Widerstrebend entschied ich mich dagegen. Ich
wollte Miller nach meinem abendlichen närrischen Anruf nicht mit
einem persönlichen Auftritt zusätzlich unter Druck setzen.
Aber ich konnte auch nicht
direkt ins Büro gehen. Also stattete ich meinem leerstehenden
Nachbarbüro einen kurzen Besuch ab. Ich öffnete das Schloß
und schlüpfte hinein. Es waren nur zwei schmutzige, leere Räume,
abgesehen von den Verbesserungen, die ich im Umfeld der Badewanne
vorgenommen hatte. Ich suchte mir die am wenigsten vergammelte Ecke aus
und deponierte mein Notizbuch dort.
Dann den Satz Fotos, die ich
in einem Manila-Umschlag bei mir trug. Dann mein Jackett mit seinen
Taschen voller Einnahmen und Ausgaben.
Während der wenigen
Schritte zurück zu der Mausefalle, die ich mein Zuhause nenne, fragte
ich mich, wer oder was genau dort auf mich warten mochte.
Als ich durch die offene Tür
spähte, kam mir ein Verdacht.
Mein Büro war leer.
Nach einer schnellen
Bewegung, um festzustellen, ob irgend jemand hinter der Tür stand,
ging ich so leise, wie ich konnte, hinein. Ich schlich auf Zehenspitzen zu
meiner Wohnzimmertür hinüber. Auch sie stand offen. Bevor ich
hindurchschaute, blieb ich stehen, um zu lauschen. Ich hörte nichts.
Vielleicht hatte ich einfach, als ich am Morgen aus dem Haus ging, alle Türen
offengelassen. Obwohl ich versuche, auf solche Dinge zu achten, könnte
es mir passiert sein. Ich rahmte mir im Geiste ein Bild von mir selbst,
wie ich auf Zehenspitzen durch meine eigene leere Wohnung schlich. Ein
Beschatter, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete.
Aber wie soll ein Mann leben,
wenn er sich nicht ernst nimmt?
Ich schlich weiter in mein
Hinterzimmer.
Mein Eßzimmersessel war
umgedreht, zum Fenster herum.
Auf eine seiner breiten
Ulmenarmlehnen hing ein Kopf mit walnußfarbenem Haar herunter.
Er rührte sich nicht.
Ich stand, wie mir schien, eine Ewigkeit dort, und der Kopf rührte
sich nicht.
Ich sah mich im Zimmer um.
Keine anderen Leute, und auch ansonsten anscheinend unberührt. Ich
warf noch einen Blick auf den Hinterkopf meiner früheren Klientin.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich tun sollte. Ich schlich mich,
immer noch auf Zehenspitzen, zu ihr.
Ich schaute in ihr Gesicht.
Augen geschlossen, bleich. Reglos.
Ich nahm ihre Hand. Sie war
warm.
Sie öffnete die Augen
und schaute in meine. Ließ ihre Hand in meiner und reckte sich
langsam. Und wachte langsam auf.
»Ich bin schon eine
ganze Weile hier«, sagte sie. Der Schlaf verlieh ihrer für gewöhnlich
so gewandten Redeweise etwas Benommenes. Ich ließ ihre Hand los,
wich vorsichtig ein Stückchen zurück und setzte mich vor sie auf
den Fußboden.
Was unvermeidlicherweise dazu
führte, daß ich ihr unter den Rock schaute. Das machte mich
verlegen, also stand ich auf und setzte mich statt dessen aufs
Fensterbrett. Von dort aus lenkte mich der tiefe Ausschnitt ihres Kleides
ab. Sie zeigte eine ganze Menge Teenagerdekollete.
Das machte mich auch
verlegen. Ich holte mir meinen Telefonstuhl und schob ihn vor sie hin.
Weder drüber noch drunter. War zauberhaft. Meine
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