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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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Ich gönnte
     mir noch einen Becher Tee.
    Ich rief Miller an. Das heißt,
     ich rief im Präsidium an und fragte nach Miller. Nicht da, aber er
     habe irgendwas für mich hinterlegt. »Sind Sie Mr. Samson?
     Sergeant Miller hat einen Umschlag für Sie hinterlegt. Wann möchten
     Sie ihn denn gern abholen?« Ich mochte ihn gern sofort abholen. Ich
     wußte, daß der Diensthabende nicht mein Nüßchen
     war. Das konnte ich an der Grammatik erkennen. Ich fragte mich langsam,
     was aus armer alter Tauber Nuß geworden war. Ich wußte es
     immer noch nicht. Ich werde wohl mal dran denken müssen, Miller
     irgendwann danach zu fragen.
    Ich nahm den Aktenordner von
     einem manierlichen jungen Cop entgegen, der in der Bereitschaft aushalf.
     Ich ging nach Hause und holte auf dem Weg die Dinge ab, die ich nebenan
     zwischengelagert hatte.
    Ich hatte die Wahl. Leanders
     Buchführung oder die Einwanderungsakte.
    Ich knöpfte mir die
     Einwanderungsakte vor.
    Annie Lombard; Französin,
     unverheiratet, zum Zeitpunkt ihrer Einreise in die Vereinigten Staaten am
     17. April 1954 neunzehn Jahre alt. Aufenthaltsgenehmigung.
    Fingerabdrücke in der
     Anlage. Adresse in den Vereinigten Staaten: Fünfzigste Straße
     Ost, Nr. 413, Indianapolis, Indiana.
    Das amerikanische Konsulat in
     Marseille bescheinigte, daß ihr nachweisbares Vermögen über
     neuntausend Dollar betrug und ihr Verlobter, ein Amerikaner, ihr in einem
     Brief ›garantiert‹ hatte, daß sie dem Staat nicht zur
     Last fallen werde.
    Im April 1955 fand sich zum
     ersten Mal der Vermerk, weder habe sich eine Annie Lombard wie
     vorgeschrieben gemeldet, noch sei registriert worden, daß sie das
     Land verlassen habe.
    Dann hatte das Ausländeramt
     den Fall dem Justizministerium übergeben, nachdem man herausgefunden
     hatte, daß sie nicht mehr unter der angegebenen Adresse zu finden
     war und die seit kurzem unter betreffender Adresse wohnhaften Personen
     nichts über ihren Verbleib wußten.
    In einer Erklärung dazu
     war vermerkt, vermutlich habe sie entweder das Land verlassen und ihre
     Abreise sei amtlich nicht erfaßt worden, oder sie halte sich illegal
     weiter in den Staaten auf. Es wurde außerdem um weitere
     Informationen bezüglich dieser ›verschwundenen Ausländerin‹
     gebeten, die die Polizei von Indianapolis möglicherweise beisteuern
     konnte.
    Insgesamt ein faszinierendes
     Dokument. Äußerst faszinierend, wenn man seine Informationen
     mit denen zusammenfügte, die ich bereits hatte.
    An der angegebenen Adresse
     waren niemals ›Freunde‹ erschienen. Nur ein kahlköpfiger
     Mann und neugierige Nachbarn. Sie war im September 1954 von dort
     verschwunden, nicht später, und sie war schwanger gewesen. Was war
     aus der Dame geworden? Nach Frankreich zurückgeschickt? Oder ist sie
     in einer Vorahnung des Winters von Indiana nach Mexiko gegangen und von
     dort aus weiter, wohin auch immer sie wollte?
    Und das Baby? Sie war ledig,
     neunzehn, begütert und schwanger. Eine Situation, die meist nicht
     unverändert die vollen neun Monate über bestehen bleibt. Für
     gewöhnlich passiert irgend etwas, es wird geheiratet, man bringt sich
     um oder macht etwas locker, um den Untermieter loszuwerden.
    Ich fragte mich, im
     wievielten Monat schwanger sie wohl gewesen war, als sie sich in der Fünfzigsten
     Straße präsentiert hatte.
    Insgesamt wirklich
     faszinierend.
    Ich nahm die Aufstellung von
     Leander Crystals Einnahmen aus der Jackentasche und ging jedes einzelne
     Blatt ganz sorgfältig durch. Es waren insgesamt nicht allzu viele,
     und wenn ich auch nicht behaupten kann, ich hätte begriffen, worum es
     sich bei jedem einzelnen Eintrag handelte, stellte ich mich doch sehr viel
     geschickter an, wenn es darum ging festzustellen, worum es sich nicht
     handelte. Worum es sich nie handelte, war die Miete für das Haus in
     der Fünfzigsten Straße.
    Womit noch nichts bewiesen
     war. Ich konnte keineswegs sicher sein, daß die Unterlagen komplett
     waren oder daß ich einen Mieteingang wirklich erkannt hätte.
    Aber nachdem ich alles
     durchgesehen hatte, war ich ziemlich sicher. Sicher genug, um ein paar
     Spekulationen anzustellen.
    Wie zum Beispiel um die
     Frage, ob Annie Lombard vielleicht doch einen Freund in Indianapolis
     gehabt hatte. Um das Warum und Wie und diverse andere Fragen, die die
     Einrichtung dieses Etablissements betrafen. Von denen die beste Frage die
     ihrer Schwangerschaft war. Ich kannte einen Vermieter, der sie nicht
    

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