Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit
     konzentrierte sich auf ihre Triefaugen und ihre Blässe.
    Sie setzte sich gerade hin.
     »Ich wollte wissen, was Sie tun.
    Und warum«, sagte sie.
    »Ich sehe, daß
     Sie eine harte Zeit hinter sich haben. Probleme zu Hause?«
    »Ja, seit Sie
     angefangen haben rumzuschnüffeln.« Sie verfiel in Schweigen, während
     wir beide über die Tatsache nachgrübelten, daß ursprünglich
     sie diejenige ge wesen war, die mich zum Schnüffeln veranlaßt
     hatte.
    »Ich will, daß
     Sie aufhören«, sagte sie mit endgültigem Tonfall.
    »Daß ich womit
     aufhöre?« fragte ich. Und sie fing an zu weinen. Und blieb beim
     Weinen.
    Ich bin sicher, es war alles
     echt und so weiter. Aber ich bin keiner von denen, deren steinerne Herzen
     von Tränen Risse kriegen. Wenn sie zu meiner Familie gehört hätte,
     hätte ich ihr befohlen, den Mund zu halten oder im Flur
     weiterzuweinen. Da sie jedoch eine Art Gast war, ließ ich sie
     weitermachen, denn das Geheul war nicht laut genug, um die Nachbarn zu stören.
    Nicht daß man in diesem
     Drecksloch überhaupt jemanden stören könnte. Und Nachbarn
     hatte ich auch nicht. Mit den fünfzigtausend Dollar wäre es
     sicher kein Problem gewesen, meinen Heimathafen in freundlichere Gewässer
     zu verlegen.
    Während sie sich
     ausweinte, machte ich uns eine Kanne Tee.
    Das Teemachen dauerte gerade
     lange genug. Ich goß mir einen Becher und ihr eine Tasse ein. Ich
     stellte ihre Tasse auf ein kleines Tablett, setzte ein kleines Glas Milch
     drauf, eine Zuckerdose und einen Löffel daneben und stellte das
     Tablett auf die Armlehne des Sessels. Es war gerade genug Zeit
     verstrichen.
    Das weiß ich, weil sie
     ein »Danke schön« schniefte. Wenn ich früher
     aufgetaucht wäre, hätte sie gar nichts gesagt und das Tablett
     vielleicht mit ihren Krämpfen und Qualen heruntergestoßen.
    Aber vielleicht auch nicht.
     Der Sessel hat eine ziemlich breite Armlehne, und Tabletts darauf haben
     guten Halt. Ich setzte mich wieder auf meinen Telefonstuhl.
    Sie betrachtete den Tee
     eingehend und ließ dann mit einem kleinen Seufzen etwas Zucker aus
     der Dose in den Löffel rieseln. Zwei Löffel Zucker, dann Milch.
     Ich nehme Milch; ich kann Zucker in heißem Tee nicht ausstehen. Aber
     jeder, wie er mag. Sie verschüttete auch etwas Zucker auf dem
     Tablett, was sie vermieden hätte, wenn sie den Zucker über der
     Tasse auf den Löffel gegeben hätte. Das Kind hatte keine
     besonders manierlichen Angewohnheiten. Männer, die allein leben,
     werden in dieser Hinsicht pingelig. Ich muß bald Schluß machen
     mit dem Alleinleben. Es unterwandert, was von meiner charmanten und zartfühlenden
     Persönlichkeit noch übrig ist.
    Sie rührte in ihrem Tee,
     und dieses Tun verwandelte sie wieder in eine Kindfrau. Als solche
     versuchte sie sich an einem Eröffnungszug. »Ich dachte, daß
     Sie mich früher ganz gern hatten.« Sie blickte mit großen,
     feuchten, braunen Augen zu mir auf. Das Weinen hatte etwas Farbe in ihr
     Gesicht gebracht. Sie sah gar nicht schlecht aus, aber ich konnte mir kaum
     ein Lachen verkneifen. Wenn ich wirklich an einer Sache dran bin und die
     Sache mich gepackt hat, dann bin ich ein richtiger kaltherziger Mistkerl.
    »Ich mochte Sie auch.
     Tu ich immer noch. Sie waren ein guter Boss.«
    Sie spielte ihre Rolle voll
     aus, wandte sich ab, schniefte, alles, was dazugehörte. »So
     hab' ich das nicht gemeint.«
    »Ich weiß«,
     sagte ich. Aber obwohl ich niemals Tiere trete, bin ich nicht immer nett
     zu Kindern. »Sie wollen, daß ich aufhöre. Womit soll ich
     Ihrer Meinung nach aufhören?«
    »Mit allem, was Sie
     tun, egal, was es ist.«
    »Ist es schlimm zu
     Hause?«
    »Ich weiß nicht,
     was los ist, aber alle sind einfach schrecklich.
    Mami hat alle möglichen
     Anfälle, und ihr Arzt sagt, sie soll im Haus bleiben, und kommt alle
     paar Tage von Lafayette rüber, um nach ihr zu sehen. Und Daddy weiß
     einfach nicht mehr weiter.«   
    »Und Sie glauben, es
     ist alles Ihre Schuld, weil Sie mich auf diese Sache angesetzt haben.«
    »An dem Tag, an dem Sie
     rübergekommen sind und mit ihm gesprochen haben, dachte ich, es wäre
     alles vorbei. Und alles besser. Ich meine, Daddy hat an diesem Tag zum
     ersten Mal so mit mir gesprochen, als wäre ich kein kleines Mädchen.
     Und er hat gesagt, daß jetzt alles besser würde und daß
     er sich wirklich um Mami kümmern würde und um alles andere. Und
     immerhin haben Sie rausgefunden, was ich

Weitere Kostenlose Bücher