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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Z. Lewin
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wissen wollte. Ich verstehe nur
     nicht, warum Sie noch weiter rumschnüffeln.«
    Und mir wäre es wirklich
     schwergefallen, es ihr zu sagen. Ich wollte die Geschichte, die man ihr
     erzählt hatte, nicht voreilig demontieren. Nicht, bevor ich eine
     vollständige Geschichte hatte, die ich an die Stelle der alten setzen
     konnte. Aber sie bedrängte mich.
    »Warum tun Sie das?«
     fragte sie.
    »Ich lasse mich nicht
     gern belügen«, sagte ich. »Wer hat Sie belogen?«
     fragte sie scharf.
    »Ich habe nicht gesagt,
     daß jemand es getan hat.«
    »Wer hat Sie belogen?«
    »Ich bin mir nicht
     sicher.«
    »Nicht mein Vater! Er
     hat Sie nicht belogen.« Ich bemerkte, daß sie ihre
     terminologischen Probleme im Hinblick auf Leander Crystal entwirrt hatte.
    Sie ging mir auf die Nerven.
     »Ich habe nicht gesagt, daß mich irgend jemand belogen hat,
     ich habe gesagt, ich lasse mich nicht gern belügen, und das bedeutet,
     daß ich, wenn man mir eine Geschichte erzählt, diese Geschichte
     überprüfe, um sicherzugehen, daß man mich nicht belogen
     hat. Und genau das tue ich im Augenblick, und genau das werde ich auch
     weiterhin tun. Und außerdem«, fügte ich hinzu, weil ich
     mich so verdammt ekelhaft selbstgerecht fühlte, »ich hab's
     nicht gern, wenn man in mein Büro einbricht.«
    »Wer ist in Ihr Büro
     eingebrochen?«
    Ich seufzte und antwortete
     bedächtig: »Jemand, der sich nur für eine Akte mit der
     Überschrift ›Crystal‹ interessierte. Was glauben Sie,
     wer das war?«
    Sie war offensichtlich erschüttert.
     »Und daraufhin haben Sie den Scheck zurückgeschickt?«
            
    Warum die Dinge komplizieren;
     technisch gesehen war es die Wahrheit, auch wenn ich den Entschluß
     vorher getroffen hatte.
    »Daraufhin habe ich den
     Scheck zurückgeschickt«, sagte ich.
    »Und Sie glauben, er
     hat es getan?«
    Als Lehrer im Fach ›Grundsätzliches
     für Detektive‹ fühlte ich mich deplaziert. »Ich
     nehme an, daß es der Nikolaus gewesen ist, weil er die Adresse Ihres
     Schornsteins vergessen hat.«
    »Sie brauchen gar nicht
     so gemein zu werden.«
    »Ich weiß. Ich
     bin einfach nur müde.«
    »Ich muß Sie
     langweilen«, sagte sie mit einem Ausbruch von Gefühl, »ich
     muß Sie ganz schrecklich langweilen.«
    Ich verstehe einfach nicht,
     wie es kommt, daß ältere Männer sich mit jungen Mädchen
     einlassen. Sie sind so verdammt unzuverlässig. Oder vielleicht liegt
     es gerade daran, daß sie sich verändern, daß sie nicht
     Tag für Tag, Minute um Minute gleich sind. Aber mich laugt so was
     aus.
    »Machen Sie sich
     deswegen mal keine Gedanken, kleine Dame«, sagte ich mit so viel
     Freundlichkeit, wie ich aufbringen konnte. »Es tut mir leid, wenn
     meinetwegen im Hause Crystal die Wellen hochschlagen, aber das ist zu
     diesem Zeitpunkt ganz bestimmt nicht mehr Ihre Schuld. Schieben Sie mir
     die Sache in die Schuhe. Ich bin auf) eden Fall ziemlich pervers, was
     diese Dinge betrifft, wenn Sie den Ausdruck kennen. Das ist auch der
     Grund, warum ich nicht reich bin.« Wie wahr! »Ich werde
     versuchen, es so schmerzlos wie möglich zu machen. Versuchen Sie mir
     zu vertrauen, wenn Sie können, und wenn Sie's nicht können, dann
     hoffe ich nur, daß Sie begreifen, daß Sie nichts dagegen tun können.«
    »Nichts?« fragte
     sie. Ich wußte, was sie dachte. Ich glaubte zu wissen, was sie
     dachte. »Absolut nichts.«
    »Okay«, sagte
     sie. Sie stand auf, ging zur Tür und drehte sich dann noch mal um.
     »Ich fühle mich besser. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühle
     mich viel besser.« Ich nickte wohlwollend. An der Tür drehte
     sie sich noch einmal um und sagte: »Danke für den Tee. Er war
     recht gut.« Sie ging.
    Ich fühlte mich auch
     besser. Ich wußte, warum. Nicht der Lohn der Tugend, sondern die
     Tatsache, daß mir, ganz gleich, wie das alles ausging, diese letzte
     Begegnung mit ihr viel besser gefiel als das angespannte, verbitterte
     kleine Mädchen, mit dem ich im Haus der Crystals gesprochen hatte.
     Damals war sie mir so unsympathisch gewesen, daß ich sie buchstäblich
     vollkommen vergessen hatte. Obwohl ich wünschte, ich hätte ihr
     gesagt, sie solle ihr Mäulchen halten, wenn sie nach Hause kam.
    Ich fand langsam wieder
     Geschmack an meiner kleinen Klientin. Meiner ehemaligen Klientin.

36
    Ich wartete eine Weile, bevor
     ich Miller anrief. Ich wollte mein Leben in überschaubare Abschnitte
     gliedern, es in leichter verdauliche Stücke zerlegen.

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