Wer war ich im Vorleben?
Ziel bringt. Es gibt verschiedene Arten von Fahrzeugen, und man sollte das Gefährt niemals mit dem Ziel verwechseln und schon gar nicht darüber streiten, welches das einzig richtige Gefährt, die richtige Religion, sei. Spiritualität hingegen kann jeder nur selbst in seinem Inneren immer wieder aufs Neue und in neuen Aspekten erfahren und vertiefen. Das ist eine ganz eigene und persönliche Sache.
Aus welcher kulturellen Prägung und sozialen Schicht ein Mensch auch kommt, welcher Religion er auch angehört: In der spirituellen Welt erlebt er sich als göttliche Seele, er erlebt die Schönheit, die Liebe, das Mitgefühl, das Teilhaben am lichtvollen, kosmischen Ganzen. All das Komplizierte und Trennende, das wir auf der Erde gern züchten und pflegen, existiert dort nicht; es entpuppt sich als Illusion und löst sich auf.
Einem Mann war das geliebte einzige Kind gestorben, und er hatte das Gefühl, dass damit auch seine Liebe insgesamt tot sei. Es fühlte sich innerlich leer und stumpf. Als er sich während der Rückführung als Seele in der spirituellen Welt erlebte, konnte er allmählich fühlen, dass seine Liebe doch noch da war. In seinem Kummer hatte er sich vor ihr verschlossen, nun aber sollte er sie endlich wieder zulassen. Es wurde ihm klar, dass es darum ging, sie jetzt erst recht der ganzen Welt zu schenken: Jedem Menschen, jedem Vogel, jedem Baum, jedem Projekt, allem könnte er sie geben. Dann würde er sich wieder lebendig fühlen und sich mit seiner Lebensaufgabe verbinden. Er hätte gelernt, einen schweren Schicksalsschlag zu meistern, und damit wäre auch der Tod seines Kindes für ihn nicht weiter sinnlos.
Letztlich spielen die äußeren Umstände des Lebens eine viel geringere Rolle, als wir oft annehmen. Vor allem aber bleibt uns der dahinterliegende Zusammenhang häufig verborgen: Ob
jemand seine Kindheit in einem Kriegsland oder in Friedenszeiten verbringt, ob er liebevolle oder grausame Eltern hat, ob er gesund oder krank, reich oder arm ist – all das sagt nichts darüber aus, welchen Charakter er hat, wie es um seine spirituelle Entwicklung steht und was dieser Mensch im Laufe seines Lebens lernen wird. Vielleicht merkt man später, dass es sogar sehr hilfreich war, unter schwierigen Umständen aufgewachsen zu sein.
Das behütete reiche Töchterchen beispielsweise hat es vielleicht viel schwerer, einen Zugang zum tieferen Sinn des Lebens zu bekommen, weil es keinen großen Drang verspürte, an seinem Leben etwas zu ändern. Ein anderer, der aufgrund schrecklicher äußerer Gegebenheiten völlig verzweifelt ist, könnte dadurch in sich das Brennen spüren, dass es doch noch etwas anderes geben muss. Er wird suchen – und das mit einer solchen Kraft und Hingabe, dass er vielleicht ganz schnell fündig wird.
Menschsein bedeutet aus spiritueller Sicht, seine Seeleneigenschaften in einem materiellen Körper zu leben, unabhängig von den äußeren Umständen und Gegebenheiten. Jeder hat so viel mitbekommen, wie er braucht, um die gewünschten Erfahrungen machen und seine höheren Ziele erreichen zu können.
Der eine hat vielleicht eine besonders klare Intelligenz und sollte lernen, sie zum Wohle aller einzusetzen; der andere erscheint eher etwas dümmlich, dafür aber lernt er, sich bedingungslos und von Herzen über Kleinigkeiten zu freuen. Vielleicht war er in früheren Leben sehr intelligent, aber ein einsamer, unzufriedener Kauz – und nun erlebt er das Gegenteil, er hat sich gewünscht, einmal ein schwerfälliges Gehirn zu erleben, viel weniger Intellekt, um dadurch zu mehr Dankbarkeit und Lebensfreude zu finden. Jemand war vielleicht ein echter Bösewicht, er hat gemordet, gestohlen und geschändet. Und jetzt inkarniert er in Lebensumstände, in denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, das Gleiche am eigenen Leib zu erfahren. Das kann es der Seele ermöglichen, durch die persönliche Erfahrung von Leid endlich auch als Mensch Mitgefühl zu entwickeln. Wahrscheinlich
hat auch ein sehr bösartiger Mensch immer wieder helle Momente erlebt, in denen er kurz wahrnahm, dass es grauenhaft war, was er tat. Und doch vergaß er sich immer wieder aufs Neue. Als Seele weiß er, dass es ihm in jenem Vorleben nicht genügend gelungen ist, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Gefühle wahrzunehmen und zu achten. Nun kann er das Leid an einem schwereren Schicksal selbst erleben und daran reifen. Vielleicht will auch jemand, dem in seinen früheren Leben nichts gut genug erschien, durch sehr
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