Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
Gesellschaft erzieht Männer und Frauen dazu, sehr klar ihre Rollen zu erfüllen, und zu akzeptieren, dass sie verschieden sind, weshalb sie sich zwangsläufig oft nur sehr oberflächlich kennen. Das führt dazu, dass sie häufig praktisch nebeneinanderher leben und sich entfremden, weswegen sie eher bereit sind, die Beziehung zu beenden. Oder sie bleiben zu Lasten ihres Glücks und ihrer Erfüllung aus allen möglichen Gründen zusammen, wie beispielsweise wegen des Geldes, der Kinder, der Karriere, des gesellschaftlichen Status usw. Ich schätze, deshalb pflegen heterosexuelle Frauen so intime Freundschaften zu anderen Frauen, in ihren Augen sind Männer nun mal keine guten Gefährten.
Lesbische Beziehungen haben das Potenzial, tiefer und bedeutsamer als heterosexuelle zu sein, denn nur sehr wenige lesbische Frauen akzeptieren eine unverbindliche, oberflächliche Form der Bindung. Meiner Erfahrung nach erfordert eine lesbische Beziehung, dass beide Partner auf emotionaler und auch auf psychologischer Ebene sehr präsent sind. Sie erfordert eine tiefere und offenere Art der Kommunikation, und obwohl so etwas gelegentlich leicht beängstigend sein kann, entsteht eine sehr liebe- und vertrauensvolle Beziehung daraus. Was eine positive Wirkung auf das Liebesleben hat!«
»Hat Ihre Mutter in Ihrem Alter Beziehungen genauso gelebt wie Sie heute?«
»Definitiv nicht. In erster Linie, weil sie nie einen eigenen Job hatte. Meiner Ansicht nach kann sie erst dann ihre eigene (heterosexuelle) Beziehung verbessern, wenn sie bereit ist, sich mit sich selbst und dem auseinanderzusetzen, was in ihrem Leben vor sich geht. Wenn ich meine Mutter und ihren Partner ansehe, macht mich das jedes Mal traurig, weil mir ihre Beziehung so leer und unbefriedigend erscheint, und ihr Verhalten bestätigt das nur noch. Ich hingegen habe stets versucht, an mir zu arbeiten, mich weiterzuentwickeln, und habe keinerlei Problem damit, in unregelmäßigen Abständen zum Therapeuten zu gehen, um darüber zu reden, was mich beschäftigt, und Feedback zu bekommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich das positiv auf meine Beziehungen ausgewirkt hat. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Es gibt Themen, über die man lieber nicht mit seinen Freundinnen reden will, und mein Therapeut hat die Kompetenz, mir zu bestätigen, dass mit meinem Kopf alles in Ordnung ist. Indem ich dorthin gehe, lerne ich eine ganze Menge über mich selbst.«
»Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie lesbisch sind?«
»Schon lange, als kleines Mädchen schon. Na ja … Man fühlt sich irgendwie anders, aber wenn man in einem eher konservativen Mittelklasseumfeld aufwächst, lernt man sehr schnell, dieses Anderssein zu kaschieren und mit dem Strom zu schwimmen. Ich bin nicht über Nacht lesbisch geworden. Stattdessen war ich gesellschaftlich darauf getrimmt, ein heterosexuelles Leben zu führen, zu heiraten und Kinder zu bekommen. »Wenn du erst mal verheiratet bist …«, war einer der Lieblingssätze meines Vaters. Nach ein paar kurzen heimlichen Liaisons mit Frauen erschien es mir einfacher, in die Rolle der Heterosexuellen zu schlüpfen, ganz zu schweigen davon, wie ungewöhnlich es damals war, nicht hetero zu sein. Für meine Kinder hingegen ist eine homosexuelle Beziehung ebenso normal wie eine heterosexuelle, deshalb bin ich ziemlich sicher, dass meine Kinder keine schlaflosen Nächte hätten, wenn eines von ihnen feststellen würde, dass es homosexuell ist.«
»Wie lernen sich lesbische Frauen kennen?«
»Na ja, so wie heterosexuelle Frauen Männer kennenlernen. Mit dem Unterschied, dass es wahrscheinlich etwas schwieriger ist, weil es zahlenmäßig weniger von uns gibt. Unser Gay-Radar schärft sich mit der Zeit, so dass wir uns in aller Regel recht schnell erkennen … anhand der Körpersprache oder eines bestimmten Stylings oder Aussehens … Das Ganze läuft auf einer sehr subtilen Ebene ab. Manchmal kann eine hochgezogene Braue schon reichen, um eine Frau erkennen zu lassen, dass ihr Gegenüber ebenfalls lesbisch ist. Ansonsten lernen wir uns im normalen sozialen Umfeld kennen.«
»Was ist das Geheimnis einer glücklichen Beziehung?«
»Vertrauen, Offenheit und die Fähigkeit, sich zu ergeben. Wenn man Glück hat und das schafft, kann das Liebesleben um so vieles intimer sein, als man es sich je vorgestellt hat.«
Was lernen wir daraus
♥ Sprachlosigkeit und mangelnde Kommunikation in der Beziehung ist gefährlich und macht einsam, ebenso wie Angst.
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