Wer will schon einen Traummann: Roman (German Edition)
du?«
»Zehn. Oder elf. Alt genug, um’s besser zu wissen, so viel ist klar.«
Aber sicher nicht alt genug. Leider wusste Nealy über Geschwistererziehung so gut wie nichts. »Hast du sie, als du älter wurdest, auch noch geschlagen?«
Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Nein, natürlich nicht. Stattdessen hab ich mit Eishockey angefangen und im Sommer ein bisschen geboxt. Rückblickend muss ich gestehen, dass der Sport meinen Schwestern wahrscheinlich das Leben gerettet hat.«
»Dann hast du sie später also nicht mehr geschlagen?«
»Nö, aber ich wollte. So wie jetzt. Sie ist eine richtige Viper!«
»Lucy hat’s nicht leicht. Und jemanden schlagen zu wollen oder es tatsächlich zu tun sind zwei Paar Stiefel. Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen machen musst, der Typ zu sein, der Frauen verprügelt.«
Er sah aus, als wollte er ihr widersprechen, aber im Moment machte sie sich zu viele Sorgen um Lucy – da würde sie ihm ja doch nicht zuhören. »Ich gehe besser und rede mit ihr.«
»Nein. Sie wickelt dich bloß wieder um den Finger. Ich mach das!«
»Moment! Du musst erst wissen, wieso …«
»Spar dir den Atem. Für ein solches Verhalten gibt’s keine Entschuldigung.« Er drückte ihr Button in die Arme und machte sich Richtung Trailer davon.
Während Nealy ihm nachstarrte, begann das Baby zu heulen und sich zu winden. Nealy starrte trübe auf den schön gedeckten Tisch. So viel zu ihrem wundervollen Picknick!
Lucy lag bäuchlings auf dem Bett, das Gesicht in den Kissen vergraben, die Faust aufs Herz gedrückt. Oh, wie sie ihn hasste! Alle beide hasste sie. Sie wünschte, sie wäre von einem Auto überfahren worden und würde nun im Koma liegen. Dann täte es ihnen Leid, wie sie sie behandelt hatten.
Sie ballte die Faust fester und zwickte die Augen zusammen, um gegen die aufsteigenden Tränen anzukämpfen. Natürlich war sie ein Miststück und konnte sich selbst kaum noch ertragen. Kein Wunder, dass sie sie hassten. Nell wollte doch nett sein. Wieso musste sie sich auch immer alles selbst verderben?
Die Tür des Wohnmobils ging krachend auf, und Mat stürmte herein. Jetzt ging wirklich die Post ab. Sie wollte nicht, dass er sie schluchzend auf dem Bett vorfand, und richtete sich rasch auf.
Lucy fragte sich, ob er sie schlagen würde. Sandy hatte sie nie geschlagen, nicht mal, wenn sie betrunken war. Aber Trent schon einmal.
Mat kam nach hinten. Sie richtete sich auf und wappnete sich. »Es tut mir Leid!«, schrie sie, bevor er sie anschreien konnte. »Das wolltest du doch hören, oder?«
Er sah sie nur an, und als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, hätte sie am liebsten gleich wieder losgeheult. Stinksauer sah er aus, aber auch verletzt – als ob sie ihn schwer enttäuscht hätte.
… wie ein Dad.
Sie biss sich auf die Lippe, um nicht in Tränen auszubrechen, und dachte an all die Jahre, in denen sie von ihm geträumt hatte. Damals schrieb sie immer wieder seinen Namen in ihr Notizbuch und flüsterte ihn auch vor dem Einschlafen. Mathias Jorik. Ihr Dad.
Es stand von jeher fest, dass er nicht ihr richtiger Vater war. Sandy hatte sie diesbezüglich nie belogen. Ihr richtiger Dad war ein Student an der Carnegie Mellon gewesen, den Sandy eines Abends in einer Bar getroffen und danach nie wieder gesehen hatte. Sandy erinnerte sich nicht mal mehr an seinen Namen. Sie hatte immer gesagt, dass in ihrem Herzen Mat Lucys Vater war.
Lucy erfuhr eine Menge Geschichten über Mat, als sie aufwuchs. Wie er und Sandy einander kennen gelernt hatten. Wie klug er war. Wie gut er sie behandelt hatte, obwohl er kein Geld hatte, weil er erst einundzwanzig war und gerade den Collegeabschluss gemacht hatte.
Das Mädchen träumte immer davon, dass es ihm egal wäre, ob sie nun seine richtige Tochter war oder nicht. Sie stellte sich vor, wie er zu ihrer Mutter sagte: Ist schon gut, Sandy. Das Kind hat ja keine Schuld, dass du schwanger geworden bist, und ich liebe sie jetzt schon wie meine eigene Tochter.
Pustekuchen!
»Ich lasse nicht zu, dass du so mit Nell redest.«
»Sie hat angefangen.« Lucy wunderte sich selbst, dass ihr so eine dicke Lüge über die Lippen kam.
»Was hat sie gemacht?« Er klang nicht so, als ob er ihr das abkaufte. Irgendwie durchschaute er sie als eine passionierte Lügnerin und wollte ihr sicher bloß die Gelegenheit geben, sich noch mehr reinzureiten.
Das junge Ding musste daran denken, wie schlimm sie heute alles vermasselt hatte. Sie wollte sie doch
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