Wer will schon einen Traummann: Roman (German Edition)
dem trüben Nachmittagshimmel erstreckten. Sie lächelte in sich hinein. Es war wirklich tapfer von Mat gewesen, sie vor diesem bösen Auspuff zu beschützen, und abgesehen von einer kleinen Schürfwunde am Schienbein hatte sie auch weiter keinen Schaden davongetragen.
Ein vorbeifahrendes Auto bespritzte sie mit einem Schwall Regenwasser. Mat wechselte die Radiostation, um das Neueste über ihr Verschwinden zu hören. Er redete zwar kaum mit ihr, aber auf diese schreckliche Förmlichkeit verzichtete er glücklicherweise wieder. Und er schien nicht die Absicht zu haben, sie an die Behörden auszuliefern. Heute Morgen hatte sie noch geglaubt, ihr Abenteuer wäre vorbei – doch nun bestand erneut Hoffnung.
»Wieso lässt du nicht mich ein bisschen fahren?«, fragte sie.
»Weil ich nichts Besseres zu tun hab.«
»Außer schmollen.«
»Schmollen!«
»Ich weiß, es war ein herber Schlag für dich, dass in dem Auto zwei Rowdies saßen und nicht eine Bande Terroristen, die mich als Geisel nehmen wollten – aber ich bin sicher, du überstehst die Enttäuschung schon.« Sie grinste. »Danke, Mat! War eine wirklich nette Geste von dir.«
»Was du nicht sagst.«
In diesem Moment tauchte Lucy von hinten auf. Sie war seit ihrem Aufbruch von der Tankstelle nervös, kam immer wieder nach vorn, um sich mit Button zu beschäftigen, nur um sich gleich wieder nach hinten zu verdrücken und dort einzuschließen. »Das is so irre«, sagte sie. »Die ganze Zeit haben wir über Cornelia Case geredet, und jetzt heißt es überall im Radio, dass sie abgehauen is.« Sie hatte eins von den Sommerkleidern an, die Nealy für sie gekauft hatte, und war nur halb so grell geschminkt wie sonst. Sie sah wunderhübsch aus, reagierte jedoch nur mit einem Schulterzucken, als Nealy ihr ein Kompliment machte.
Jetzt hob sie das Beanie-Baby-Walross vom Boden auf und gab es Button zurück, die allmählich lästig wurde, weil Mat sie nicht beachtete. »Wär’s nich cool gewesen, wenn die Typen beim Ähnlichkeitswettbewerb gedacht hätten, dass du wirklich sie wärst und wir von so’ner Sondereinheit mit Knarren und schusssicheren Westen aufgemischt worden wären?«
Mat erschauderte.
»Ja, wirklich cool«, meinte Nealy trocken.
»Was ist das für ein Geräusch?« Mat neigte den Kopf zur Seite. »Diesmal kommt’s von hinten.«
»Ich hab nix gehört«, sagte Lucy.
Das Beanie-Baby-Walross kam angesegelt und traf Mat an der Schulter. Nealy wandte sich um und sah, dass Button aufgehört hatte, sich zu winden. Sie sah jetzt richtig zufrieden aus.
Nealy musterte sie misstrauisch. »Das kann doch bloß ein Versehen gewesen sein?«
»Wenn du das glaubst!« Er warf dem Baby einen finsteren Blick zu.
»Gah!« Sie funkelte ebenso böse zurück, und ihre Miene glich der seinen dabei so sehr, dass sie gut und gerne als seine Tochter hätte durchgehen können.
»Wie weit ist es noch?«, erkundigte Lucy sich.
»Gleich kommen wir an den Mississippi. Wir werden ihn bei Burlington überqueren und dem Fluss dann nach Norden bis Willow Grove folgen. Vielleicht noch eine Stunde oder so.«
»Lass mich fahren. Ich kann das.«
»Vergisses!«
Sie begann an ihrem Daumennagel zu kauen. Nealy blickte sie besorgt an. »Was ist los, Lucy? Du bist schon den ganzen Nachmittag so nervös.«
»Bin ich nich!«
Sie beschloss, ein wenig tiefer zu bohren. »Du hast nicht viel über deine Großmutter erzählt. Wie ist sie so?«
Lucy ließ ihren Orangensaft stehen und nahm auf der Essbank Platz. »Sie is eben’ne Großmutter. Du weißt schon.«
»Nein, weiß ich nicht. Es gibt alle Arten von Großmüttern. Wie kommt ihr beiden miteinander aus?«
Wieder setzte Lucy diesen aufmüpfigen Ausdruck auf. »Wir kommen prima aus! Sie is die beste Großmutter der Welt, hat tonnenweise Geld und is Professorin am College. Und sie hat mich und Button richtig gern.«
Wenn sie sie so gern hatte, wieso war sie dann nicht gleich zurückgeflogen, als sie vom Tod ihrer Tochter erfuhr? Und wieso mühte sich Lucy dann so sehr, sie mit Mat zu verkuppeln, wenn sie doch ihre Oma hatte? »Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, dass Mat und ich sie sehr bald selbst kennen lernen werden – also kannst du ruhig ehrlich sein.«
»Das geht dich einen Dreck an!«
»Lucy!« Mats Stimme klang drohend.
»Mir reicht’s. Ich verschwinde.« Sie stampfte nach hinten und ließ die Tür hinter sich zukrachen.
»Langsam bekomme ich ein ganz schlechtes Gefühl,
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