Wer will schon einen Traummann: Roman (German Edition)
schwanger war.« Lucy begann auf ihrem Daumennagel herumzukauen.
Button wollte hinunter, und Nell setzte sie auf den Boden. Der Wonneproppen begann sofort um den Wohnzimmertisch herumzuwatscheln, die Fußspitzen auswärts gewandt wie eine betrunkene Ballerina. Mat brauchte einen Moment, um sich wieder ein wenig zu beruhigen, und trat deshalb an den Kamin, um sich die Fotos, die dort standen, anzusehen – in der schwachen Hoffnung, dass sie ihm etwas verraten würden.
Die Fotos in der ersten Reihe zeigten nur Joanne und Nico. Sie hätten Mutter und Sohn sein können, wären da nicht die hungrigen Blicke gewesen, die sie einander zuwarfen. Joanne war eine attraktive Frau gewesen, schlank und wohlproportioniert, das lange, glatte graumelierte Haar in der Mitte gescheitelt und mit Haarspangen zurückgehalten. Ihre flattrigen Röcke, die weiten Oberteile, der schwere Silberschmuck zeigten deutlich das Blumenkind der Sechziger, das sie einmal gewesen war. Und offensichtlich hatte sie ihr ganzes Herz an Nico verloren. Das sah man an der Art, wie sie sich auf jedem Foto an seine breite Brust schmiegte. Warum er sich zu einer fast dreißig Jahre älteren Frau hingezogen gefühlt hatte, stand auf einem ganz anderen Blatt – wahrscheinlich ein Fall für den Analytiker.
Auf den Bildern dahinter sah man Sandy und Lucy in verschiedenen Altersstufen. Die von Lucy interessierten ihn besonders. Auf den frühen Bildern hatte sie die toughe Nummer noch nicht draufgehabt, und man sah ein strahlendes kleines Mädchen, das das Leben offensichtlich liebte. Buttons Porträt, das aus dem Krankenhaus stammte, zeigte einen Säugling mit einem verformten Kopf und einem eingedrückten Gesicht, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem Engelchen hatte, das eben jetzt versuchte, sich den Finger in die Nase zu bohren.
Gerade wollte er sich abwenden, als sein Blick auf ein Foto am Ende der Reihe fiel. Es war ein Bild von Sandy und ihm selbst, das bei der Party eines Freundes entstanden war. Beide hatten Gläser in den Händen, was damals ziemlich oft vorkam, und sie sah wunderhübsch aus, mit ihrem dichten, dunklen Haar und den vollen Lippen, zu einem Mega-Watt-Lächeln geöffnet. Er fragte sich, ob der große, dürre Bursche an ihrer Seite, der krampfhaft versuchte, älter auszusehen, wirklich er gewesen war. Das Foto deprimierte ihn, und er wandte sich ab, um sofort festzustellen, wie Nico Nell anstarrte.
»Kenn ich dich nich von irgendwoher?«
Bevor Nell antworten konnte, gab Lucy Auskunft: »Sie sieht aus wie Cornelia Case, die First Lady.«
Nell erstarrte, aber Nico lächelte nur. »Yeah, Mann, echt, du ähnelst ihr!« Sie blickte Mat an. »Also seid ihr auf Urlaub oder so was?«
»Könnte man nicht behaupten, nein. Lucy, verzieh dich!« Normalerweise hätte sie gemault, doch nun traute sie sich nicht. Stattdessen schnappte sie sich Button und verschwand durch die Vordertür nach draußen. Durchs Fenster konnte er sehen, dass sie in der Hollywoodschaukel Platz nahm, die auf der Vorderveranda stand und wo ihr vielleicht einiges ins Ohr drang, was drinnen gesprochen wurde.
Er wandte sich um und musterte den Burschen, der nun so etwas wie der einzige Verwandte war, den die Mädchen noch hatten. »Also Nico, jetzt hör mir mal gut zu …«
Nealy ging schließlich nach draußen, um nach Lucy zu sehen. Der Teenager hatte Squid aus dem Wohnmobil befreit, und der Köter lag wie ein Haufen schmutziger Wäsche zu ihren Füßen auf der Veranda. Button, die sich mit einer Faust am Verandageländer festhielt und an der anderen nuckelte, sah einem Rotkehlchen zu, das über den Rasen hüpfte. Nealy schob den Gedanken an Bleivergiftung durch alte Farbe rasch wieder von sich. Die Zeit mit Button hatte ihr gut getan, wie sie jetzt erkannte. Sie kam sich nicht mehr gar so sehr wie der Todesengel von Säuglingen vor.
Gemächlich ließ sie sich Lucy gegenüber auf der obersten Stufe nieder und blickte auf die baumbestandene Straße hinaus. Am einen Ende war eine Grundschule mit einem Spielplatz unter schattigen Kastanien zu erkennen; am anderen Ende umrundeten zwei Jungen halsbrecherisch auf Fahrrädern ein paar Pfützen. Vis-a-vis studierte ein Mann im Anzug seinen Rasen. Nealy hörte das Klingeln eines Eiswagens und eine Mutter, die ihr Kind zum Essen ins Haus rief. Diese alltäglichen Laute waren für sie so exotisch wie die meisten fremden Länder für normale Menschen.
Lucy spielte mit einem Ohr von Squid. »Was glaubst du, was Mat jetzt mit mir
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