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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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aufzutreiben.«
    Er drehte sich um. Plötzlich war da keine Spur mehr von der jugendlichen Unbekümmertheit, mit der er durchs Leben zu gehen und alle Menschen um sich herum zu blenden verstand. Der Schauspieler hatte seine Maske fallen lassen, und übrig blieben Schatten unter den Augen, hohle Wangen und Verzweiflung im Blick.
    Â»Die stecken mich in den Knast.« Er hob hilflos die Schultern. »Meine Frau droht damit, mich zu verlassen, und mein eigener Vater will mir nicht helfen.«
    Frauke wusste, wie viel ihrem Bruder und seiner Frau ihr gesellschaftliches Ansehen bedeutete. Sie waren beide unfähig, ihre Ansprüche und ihren Lebensstil herunterzuschrauben.
    Â»Und was ist mit Gregor?«, erkundigte sie sich.
    Â»Dem geht’s auch nicht viel besser.« Matthias schüttelte den Kopf. Einen Moment schwiegen beide. Frauke empfand tatsächlich ein wenig Mitleid mit ihrem kleinen Bruder, doch tief in ihrem Innersten machte sich schäbige, verachtenswerte Schadenfreude breit. Jetzt waren die beiden großartigen, erfolgreichen Goldjungs also genauso weit wie sie selbst, sie steckten in der Schuldenfalle und wussten nicht mehr ein noch aus. Doch während es ihr gelungen war, sich mit dieser schmachvollen Situation einigermaßen zu arrangieren, kämpften Gregor und Matthias verzweifelt darum, die schöne Fassade zu erhalten.
    Â»Was wollt ihr machen?«, fragte sie nach einer Weile. »Du kennst den Alten. Wenn er irgendetwas nicht will, dann will er nicht.«
    Â»Er kann uns nicht einfach übergehen«, erwiderte Matthias heftig. »Ich war bei einem Anwalt. Laut gesetzlicher Erbfolge haben wir von Mama Anteile an den Wiesen und dem Hof geerbt.«
    Â»Stimmt nicht. Sie haben sich gegenseitig beerbt. Vergiss es.«
    Â»Nein, das tue ich nicht!«, begehrte Matthias auf. »Für mich steht alles auf dem Spiel! Ich lasse mir von Vater nicht mein Leben ruinieren!«
    Â»Du hast es dir selbst ruiniert.«
    Â»Verdammt, ich hatte Pech!« Matthias musste sich bemühen, nicht zu schreien. »Die Wirtschaftskrise hat uns kalt erwischt! Wir hatten einen Auftragsrückgang von sechzig Prozent, und dann ist ein großer Kunde bankrottgegangen! Das war eine knappe Million, die wir einfach abschreiben mussten!«
    Frauke legte den Kopf schräg und betrachtete ihren jüngeren Bruder.
    Â»Was schlägst du vor?«, wollte sie wissen.
    Â»Wir reden noch einmal zu dritt mit ihm. Und wenn er stur bleibt, zwingen wir ihn.«
    Â»Wie willst du das denn wohl anstellen?«
    Â»Keine Ahnung. Irgendwie.« Matthias steckte die Hände wieder in die Hosentaschen, sein Blick irrte ziellos durch den Raum.
    Frauke klappte das letzte Stück der kalt gewordenen Pizza zusammen. »Wann?«, fragte sie.
    Â»Die WindPro-Leute unterbreiten ihm heute oder morgen früh das neue Angebot und faxen mir eine Kopie. Ich würde sagen, wir gehen morgen Abend hin. Bist du dabei?«
    Frauke schob sich die Pizza in den Mund und kaute bedächtig. Drei Millionen geteilt durch drei. Das war einfach unfassbar. Sie würde endlich ihre Schulden zurückzahlen können und danach immer noch genug Geld haben, um ein sorgenfreies Leben zu führen. Das erste Mal seit über zehn Jahren könnte sie Urlaub machen. Sie würde sich die Bauchstraffung, die ihr die Krankenkasse nicht bezahlte, leisten können. Und ein gescheites Auto.
    Â»Klar«, sagte sie und lächelte ihren Bruder an. »Ich bin dabei. Morgen Abend am Hof.«
    *
    Â»Es gibt sechs Kameras im Gebäude«, erläuterte Cem Altunay seinen Kollegen. »Jeweils eine auf jedem Stockwerk, eine in der Tiefgarage und eine in der Eingangshalle, aber nur die Kameras in der Tiefgarage und in der Halle waren eingeschaltet, warum auch immer.«
    Sie saßen im Besprechungsraum des K 11 im ersten Stock der Regionalen Kriminalinspektion in Hofheim und warteten darauf, sich das Band der Überwachungskamera aus der Eingangshalle der WindPro anschauen zu können.
    Â»Grossmann hat sich seine Nachtschicht gelegentlich mit Damenbesuchen versüßt.« Pia erinnerte sich an das, was ihr die Empfangsdame erzählt hatte. »Erst neulich muss er mit einer Frau in Theissens Büro eine kleine Privatparty veranstaltet haben. Vielleicht hatte er das ja wieder vor und deshalb die Kameras ausgeschaltet.«
    Â»Möglich.« Cem war nicht ganz überzeugt.
    Â»Bin gleich so weit.«

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