Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
Vom Netzwerk:
nebenan bei Onkel Adolf von Harnack und Tante Amalie zu Gast ist. Er ist aber bereits abgereist, was sehr schade ist: Arvid könnte die Mannschaft verstärken. Er würde sicher eine Menge Punkte holen, wenn sie um Punkte spielen würden.
    »Los, Just! Schlag schon!«
    Just hat den Ball. Aber er lässt sich nicht hetzen. Er lässt sich von niemandem etwas sagen, schon gar nicht von kleineren Geschwistern. Neuerdings hat er aufgehört, sich zu waschen. Er hat aufgehört, sich zu kämmen oder das Hemd zu wechseln oder die Schuhe zu reinigen. Er behauptet, diese Dinge wären belanglose Äußerlichkeiten, sie zu unterlassen störe keinen großen Geist, und einen kleinen Geist ginge es nichts an. Emmi riecht hin und wieder an Just, um zu prüfen, ob er schon stinkt.
    Natürlich stinkt Just nicht. Er riecht inzwischen nur intensiv nach Just, was Emmi aber nicht stört: Und heißt das, sie ist ein großer Geist? Hans steht ruhig, konzentriert. Der kleine Max neben ihm trippelt und hopst auf der Stelle, an den Marionettenfäden seiner Ungeduld. Emmi steht leicht vorgebeugt, auf dem Sprung. Sie wird losrennen, sobald Just geschlagen hat. Sie kann ziemlich schnell rennen. Sie kann diesen Punkt holen, um den sie nicht spielen, Just bewegt die Hand mit dem Ball auf und ab, als schätzte er sein Gewicht. Er streicht sich das Haar aus der Stirn, kneift die Augen zusammen. Dann holt er aus. Emmi spürt ein Ziehen in ihren Muskeln, als liehe sie Just ihre eigene Kraft. Als führte sie selbst diesen Schlag, für ihn,
    Weit, Bruder! Weit!
    Just wirft. Just schlägt. Der Ball fliegt. Emmi rennt. Hans und Max rennen auch. Emmi rennt an ihnen vorbei. Sie triumphiert: Die Jungen haben den Ball nicht gefangen. Sie werden Emmi nicht abwerfen, Emmi rennt zu dem Zaunpfahl, den sie als Tickstange benutzen, tippt den Pfahl an, rennt wieder zurück. Aus den Augenwinkeln sieht sie zwei fremde Jungen die Kunz-Buntschuh-Straße herunterkommen. Emmi rennt weiter. Die beiden Jungen überqueren die Straße und kommenauf sie zu. Der größere hat etwas in der Hand: den Ball, den er jetzt hochhält.
    »Das ist doch bestimmt eurer, nicht wahr.«
    Emmi bleibt stehen. Der Junge mit dem Ball ist kräftig, mit einem Schopf dunklen Haars wie ein dichtes Fell. Er mag etwa vierzehn oder fünfzehn sein, also ungefähr im Alter von Just und Hans. Der andere Junge ist kleiner und jünger. Er hat ein ganz helles Gesicht: ein hellblondes, ein wenig trotziges Weihnachtsengel-Gesicht, das dem seines Bruders überhaupt nicht gleicht. Trotzdem sieht man sofort, dass es Brüder sind. Der größere Junge lässt seinen Blick von Hans zu Just schweifen, von Just zu Max und Emmi.
    »Hier«, sagt er schließlich zu Hans. »Euer Ball.«
    »Danke«, sagt Hans.
    »Der ist bis nach dahinten gerollt«, sagt der Junge. »Bis ins Gebüsch.«
    »Ja«, sagt Hans. »Da landet er oft.«
    »Manchmal fliegt er sogar bis rüber zu den Harnacks«, sagt Just. »Manchmal müssen wir ihn eine Ewigkeit suchen.«
    »Mir ist mal ein Ball in eine Scheibe geflogen«, sagt der fremde Junge.
    »Au Backe«, sagt Just. »Und, hast du sehr schlimm Schimpfe gekriegt?«
    »Nein«, sagt der Junge. »Sehr schlimm Schimpfe kriegen wir nur, wenn wir lügen. Ich habe aber nicht gelogen. Mein Vater hat die Scheibe ersetzt. Es war nur eine ganz kleine Scheibe, von einem Schuppen. Aber den Besitzer hättet ihr erleben müssen. Der hat sich aufgeregt, als wäre ihm das Haus abgebrannt.« Der Junge hält inne. Er mustert seine Zuhörer. Dann geht er das Risiko ein. »Mein großer Bruder hat gesagt, der Kerl hätte bestimmt ein Gesundheitsproblem. Ihm säße die Galle da, wo normalerweise das Herz hingehört.«
    Hans, Max und Just lachen. Der Junge grinst. Emmi lacht auch, obwohl sie nicht genau weiß, worüber.
    »Und das Herz«, sagt Just und hebt die Hand wie in der Schule, »das hatte er dafür in der Hose.«
    Sie lachen noch mehr. Emmi findet den fremden Jungen nett.
    Sie findet, er sieht stark aus. Sie findet, er sieht aus, als könnte er sehr gut Schlagball spielen.
    »Wir wohnen gleich dahinten«, sagt der Junge. Er wedelt in die Richtung, aus der er gekommen ist. »Wangenheimstraße Nummer 14. Wir sind gerade erst hergezogen. Was meint ihr, könnten wir wohl bei euch mitspielen?«
    »Klar«, sagt Hans. »Von mir aus gern.«
    »Sehr gern sogar«, sagt Emmi.
    »Wir sind sowieso zu wenige«, sagt Hans. »Wir könnten Verstärkung gut gebrauchen.«
    Der fremde Junge nickt. Er streckt den anderen seine Hand

Weitere Kostenlose Bücher