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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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Wehrmachtsleitung, Volk, Vaterland und alles, woran man glaubt, verraten? Mark steht bei der Flak in Finkenbuch. Er ist siebzehn Jahre alt: so alt wie sein Vater, als der in den Ersten Weltkriegzog. Er bewundert seinen Vater. Er gibt sein Bestes, so wie der Vater. Er ist bereit, sein Leben für sein Vaterland einzusetzen, ganz genau so, wie sein Vater es tut. Mark denkt viel an seinen Vater. Er würde sich gern mit ihm unterhalten. Er wüsste zu gern, was sein Vater zu dem feigen, hinterhältigen Attentat zu sagen hat.
    General Tresckow hat sich verspätet. Das ist sehr ungewöhnlich. Er hat seinen Fahrer Dassler auf neun bestellt, ist aber erst um halb zehn gekommen. Nun sitzt er wie immer auf dem Beifahrersitz, die Karte in der Hand. Er ist aber nicht wie immer: Er wirkt zerstreut, zugleich eigentümlich heiter. Sie fahren schon eine ganze Weile. Einmal hat der General halten lassen.
    »Öffnen Sie bitte das Verdeck. Das Wetter ist so schön.«
    Seitdem hat er nichts mehr gesagt. Er hat einmal die ersten Takte eines Liedes gesummt. Dann ist er verstummt. Eigentlich wollte er Rittmeister von Breitenbuch mitnehmen, auf diese Fahrt. Aber dem hatte Feldmarschall Model schon einen anderen Auftrag erteilt. Tresckow hat genickt.
    »Dann fahre ich eben allein. Es ist ein wenig schade.«
    Sie sind auf dem Weg zum Gefechtsstand der 28. Jäger-Division. Dassler wirft dem General einen Blick zu. Er sitzt ganz entspannt, fast lächelnd, hält mit geschlossenen Augen sein Gesicht in die Sonne, was geht in ihm vor? Er ist Dassler heute fast ein wenig unheimlich.
    Joachim Kuhn sollte Marie Gabrieles Briefe vernichten. Das sollte er unbedingt tun. Er weiß es. Er sollte alles vernichten, was ihn mit den Stauffenbergs verbindet. Major Kuhn, Erster Adjutant des Generalleutnants Gustav Heisterman von Ziehlberg, Freund Stauffenbergs, Mitverschworener und biszum 10. Juli 1943 Verlobter seiner Cousine Marie Gabriele, ist außer sich.
    Claus ist tot. Er ist im Hof des Bendlerblocks erschossen worden, zusammen mit Werner von Haeften, Mertz von Quirnheim, Beck und Olbricht. Heute Morgen um sieben Uhr hat die Meldung den Gefechtsstand der 28. Jäger-Division erreicht. Sie haben es also gewagt. Sie haben versucht, Hitler umzubringen, und es ist schiefgegangen. Claus hat versagt, und nun ist er tot. Joachim Kuhn hätte das nie für möglich gehalten.
    Er hat das Gefühl, nicht mehr ganz bei sich zu sein. Er ist nicht mehr ganz er selbst. Er ist krank vor Angst. Er muss jede Verbindung zu Stauffenberg tilgen, er muss alle Brücken abbrechen. Er muss Marie Gabrieles Briefe vernichten. Es ist ihm, als bellten Hyänen, lachten Gespenster aus dem Abgrund. Furchtbares Unheil rollt auf ihn zu, und es gibt keine Rettung.
    »Kuhn?«
    Er fährt hoch, bis ins Herz erschrocken.
    »Generalmajor von Tresckow ist auf dem Weg hierher. Er will sich über die Frontlage durch persönlichen Einblick unterrichten. Halten Sie sich bereit, den General zu begleiten.«
    »Fabian?«
    Hennings Stimme. Die Härchen in Fabian von Schlabrendorffs Nacken richten sich auf, fröstelnd in der Hitze, als hätte ihm die Ewigkeit sanft über den Hals geblasen.
    »Fabian? Henning hier. Gibt es eine Veränderung?«
    Der Anruf kommt nicht aus der Unterwelt. Er kommt nicht aus dem Jenseits. Er kommt vom Gefechtsstand der 28. Jäger-Division. Fabian von Schlabrendorff kann dennoch nicht sprechen. Seit Henning von Tresckows Abfahrt hat er sich bemüht, mit Hennings Tod zurande zu kommen.
    »Fabian. Was ist. Gibt es etwas Neues?«
    »Nein«, sagt Fabian von Schlabrendorff.
    Er fasst sich. Er sagt: »Nein, ich fürchte, in der Sache gibt es keine neuen Nachrichten.«
    Einen Moment ist es still.
    »Adieu, Fabian.«
    »Henning?«
    Die Leitung ist tot. Henning von Tresckow hat aufgehängt.
    General Tresckow hat Major Kuhn gebeten, ihn auf eine Erkundungsfahrt zu begleiten. Sie fahren in Richtung der Front. Der General ist unverändert heiter. Er hat einen leichten Plauderton angeschlagen. Kuhn antwortet kaum. Dassler fragt sich, was der Major haben mag. Dassler ist allerdings auch nervös. Die deutschen Linien haben sie längst hinter sich gelassen, sie fahren immer tiefer ins Niemandsland.
    »Wir sollten besser umkehren«, sagt Kuhn. »Wir sind möglicherweise unmittelbar vor den russischen Linien.«
    »Gut«, sagt der General. »Kehren Sie um, Dassler.«
    Sie fahren nun also wieder zurück.
    »Biegen Sie nach rechts ab.«
    Es ist keine Straße zu sehen.
    »Das genügt. Halten Sie. Major

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