Wer wir sind
mehr außer Landes lassen. Und außerdem muss ich an meine Familie denken.«
»Ihre Familie würde wünschen, dass Ihnen nichts geschieht.«
Adam schweigt.
»Wir können ein Versteck für Sie finden«, sagt Missie. Sie sagt: »Ich verstecke Sie.«
Adam lacht auf.
»Haben Sie mich angesehen?«
»Sie angesehen«, sagt Missie. Sie sieht an Adams langem Körper empor, in Adams schönes Gesicht. »Ja. Nein. Ja. Was meinen Sie denn?«
»Man kann mich nicht verstecken«, sagt Adam.
Er blickt aus dem Fenster auf den leuchtenden Sommertag. Er sagt: »Wozu auch. Seit Stauffenberg tot ist, fühlt man sich wie ein Baum ohne Äste.«
»Setzt euch hierher«, sagt Nina Stauffenberg zu ihren beiden ältesten Söhnen. »Nein, da auf die Bank, mir gegenüber.«
Berthold und Heimeran gehorchen. Berthold sieht die Mutter an. Sie sieht streng aus. Sie sind im Garten in Lautlingen, auf der Terrasse vor dem Schloss.
»Ihr habt gestern gehört, dass jemand versucht hat, Adolf Hitler umzubringen«, sagt die Mutter. »Aber die Vorsehung hat unseren geliebten Führer beschützt. Hört ihr? Die Vorsehung hat unseren geliebten Führer beschützt. Das merkt euch. Das müsst ihr euch merken.«
Sie schweigen. Sie warten.
»Das war nämlich der Papi«, sagt die Mutter. »Der Mann, der versucht hat, unseren geliebten Führer umzubringen.«
Berthold sieht die Mutter an. Er versteht nicht. Er versteht kein Wort von dem, was die Mutter sagt. Sie redet dummes Zeug, unverständliches dummes Zeug.
»Der Papi wollte den Führer umbringen«, sagt die Mutter. »Und nun ist er selbst erschossen worden. Ich habe aber auch noch eine gute Nachricht für euch. Ihr werdet ein neues Brüderchen bekommen, oder vielleicht ein Schwesterchen.«
»Mein Papi?«
Das sagt Heimeran.
»Mein Papi ist erschossen?«
»Der Papi hat sich geirrt. Er war ein lieber und guter Mann, und er hat euch sehr lieb gehabt. Aber er hat sich geirrt. Das müsst ihr jetzt begreifen. Der Papi hat geglaubt, er täte etwas Gutes, wenn er Hitler umbringt. Aber er hat sich geirrt. Ihr seht es ja selbst. Die Vorsehung hat unseren geliebten Führer beschützt.«
»Wir haben das Sprengstoffpaket nun untersucht.«
SS-Sturmbannführer Albert Widmann, Leiter des Referats für Chemie und Biologie im Reichssicherheitshauptamt, ist ins Büro des Kriminalrats Horst Kopkow getreten. Der ehemalige Leiter der Sonderkommission Rote Kapelle ist auch mit der Untersuchung des Attentats in der Wolfsschanze betraut worden. Widmann hat er hinzugezogen, nachdem man nahe der Wolfsschanze weiteren Sprengstoff gefunden hat, den die Attentäter offenbar nach dem Attentat weggeworfen haben.
»Es handelt sich um das gleiche Material, das auch für den Anschlag verwendet worden ist. Warum es nicht zum Einsatz gekommen ist, ist vollkommen unbegreiflich. Es kann keinenZweifel daran geben, dass niemand überlebt hätte, wenn dieses Sprengstoffpaket mit dem anderen zusammen explodiert wäre.«
Kopkow schweigt.
»Es hätte auch niemand die Druckwelle der Explosion überstanden, wenn die Besprechung wie geplant im Bunker statt in der Baracke stattgefunden hätte«, sagt Widmann.
»Die Vorsehung schützt eben den Führer.«
»Ja.«
»Warum, meinen Sie, haben die Täter das zweite Sprengstoffpaket weggeworfen?«
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.«
»Und fragen kann man auch keinen mehr. Die Wehrmacht hatte es ja so ungeheuer eilig damit, alles zu erschießen, was einem noch hätte Auskunft geben können.«
»General Fromm. Ja. Fast als hätte er uns die Herren Offiziere in letzter Minute noch entziehen wollen.«
»Na. Wahrscheinlich war es doch eher Feigheit. Der General wollte unter Beweis stellen, dass er nicht zu den Abtrünnigen gehört.«
Sie schweigen eine Weile.
»Wirklich seltsam, das mit dem weggeworfenen Sprengstoff, nicht wahr«, sagt Kopkow schließlich. »Fast als hätten sie den Erfolg nicht gewünscht.«
»Werner ist tot.«
Es ist Freitag, der 21. Juli. Noch immer ist es Freitag, der 21. Juli. Es ist abends, schon nach zehn. Hans von Haeften ist zu seiner Familie nach Grammertin hinausgefahren. Er sieht verstört aus, elend.
»Es ist alles schiefgegangen. Sie haben Werner mit Stauffenberg im Hof des Bendlerblocks erschossen. Sie haben meinenkleinen Bruder erschossen. Es ist uns alles fehlgeschlagen.«
Es schneidet Barbara ins Herz.
»Ja«, sagt sie. »Ich habe ja gleich geahnt, dass es fehlschlägt.«
Hannes antwortet nicht. Er sitzt am Tisch in der Küche des Gutshauses.
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