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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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keine Ahnung, dass die Aufgabe Claus selbst zufallen würde.
    Nun ist Claus tot. Deshalb hat Nux diese Wanderung vorgeschlagen. Nina braucht Zeit, um damit zurande zu kommen, dass es ihr Mann war, der den Anschlag ausgeführt hat, und dass er nicht mehr am Leben ist. Sie muss sich darauf vorbereiten, den Kindern zu sagen, was gesagt werden muss. Sie muss sich auf die Polizei vorbereiten.
    »Also, du verstehst, Berthold«, sagt Nux zu Claus’ Ältestem. »Man muss den Löwen sofort erlegen. Ein verwundeter Löwe ist nämlich ein äußerst gefährliches Tier. Er denkt nicht daran, vor dem Jäger zu fliehen, sondern er geht sofort zum Gegenangriff über.«
    Und wird man auch ihn selbst vernehmen, Nikolaus von Üxküll-Gyllenband? Nux’ Herz schlägt fühlbar, mit einzelnen starken, fast schmerzhaften Schlägen. Er muss einen Moment innehalten. Er muss stehen bleiben, um Luft zu schöpfen.
    Berthold blickt zu seinem Großonkel empor.
    »Man muss sich wahrscheinlich gegen die Windrichtung anschleichen. Oder, Onkel Nux?«
    »Ja. Ja, natürlich, aber das ist leichter gesagt als getan. Man weiß ja gar nicht, wo sich der Löwe versteckt hält. Löwen leben in der Savanne. Das ist eine Buschlandschaft mit hohem gelbem Gras, in der der Löwe perfekte Deckung findet.«
    »Das weiß ich schon«, sagt Berthold. Er liebt diese afrikanischen Jagdgeschichten. Er ist ganz bei der Sache. »Das Gras fressen die Tiere, die der Löwe jagt. Und durch ebendieses Gras schleicht sich der Löwe an sie an.«
    Er ist beinahe ganz bei der Sache. Etwas ist eine Spur anders als sonst. Etwas ist in der Luft. Der Onkel antwortet nicht ganz wie sonst. Der Onkel antwortet immer erst einen Tick zu spät, mit einer winzigen Zeitverzögerung. Was ist los? Was ist passiert? Es hat ein Attentat auf den Führer gegeben, das hat Berthold gestern noch mitbekommen. Die Erwachsenen haben aber abgewunken. Es ist nichts. Es ist gar nichts passiert. Der Führer ist wohlauf. Was gibt es da viel zu fragen? Berthold hat auch nicht gefragt. Er beherrscht schließlich die Schwertworte des Jungvolkjungen,
    Jungvolkjungen sind hart, schweigsam und treu.
    Jungvolkjungen sind Kameraden.
    Des Jungvolkjungen Höchstes ist die Ehre .
    Zweifellos. Nur ist Berthold zu jung. Er ist vor drei Wochen zehn Jahre alt geworden. Aber er ist drei Tage zu jung für seine Aufnahme ins Jungvolk. Und er ist zu dünn, hat der Arzt gesagt. Berthold wird es aber schaffen, ein bisschen fetter zu werden. Er wird sich bemühen. Er wird jedenfalls anständig essen, in diesen Ferien. Das hat er sich vorgenommen.Clarita hat Adams Brief bekommen. Den angekündigten Brief, den sie schon gestern hätte erhalten sollen: Sie hält ihn seit heute früh in den Händen.
    Du wirst vielleicht lange Zeit nicht von mir hören. Aber es bleibt das tiefe Vertrauen auf unser gemeinsames Leben, das an zwei so entfernten Polen doch als Teile eines einzigen und unter den gleichen Zeichen gelebt wird.
    Da ist er, der ersehnte Satz. Da hat er ihn endlich niedergeschrieben. Clarita hat sofort in Berlin angerufen. Adam ist sofort ans Telefon gegangen.
    »Clarusch.«
    »Adam. Geht es dir gut?«
    »Aber ja. Es geht mir so gut, wie man es nur erwarten kann.«
    »Kannst du nicht von Berlin fort, Adam?«
    »Aber Samstag in einer Woche komme ich doch ohnehin. Da beginnen doch unsere Ferien.«
    »Kannst du nicht heute oder morgen schon kommen? Oder ich komme. Soll ich nach Berlin kommen, Adam? Ich könnte sicher noch heute kommen.«
    »Um Gottes willen. Nein, bitte bleib, wo du bist. Versprich mir das. Bleib in Imshausen. Bleib bei den Kindern. Bleib du nur immer und unter allen Umständen bei den Kindern.«
    »Ja, Adam.«
    Adam legt auf. Er ist zum Mittagessen mit Ulrich von Hassell und Carl-Hans Graf von Hardenberg im Hotel Adlon verabredet. Er ist schon fast aus dem Zimmer, da klingelt das Haustelefon. Es ist Adams Chef, SS-Brigadeführer Franz Alfred Six, bis 1943 Dekan der Auslandswissenschaftlichen Fakultät, zu Beginn des Russlandfeldzugs Leiter des Vorkommandos Moskau in der von Nebe geführten Einsatzgruppe B und inzwischen Leiter der Kulturpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt.
    Adam unterdrückt einen Seufzer. Nun auch noch das.»Six drängt mich, in die Schweiz zu fahren«, sagt Adam zu der Sekretärin Missie Wassiltschikow. »Er ahnt etwas. Und nun will er mich unbedingt ins Ausland schicken.«
    »Dann fahren Sie! Warum fahren Sie nicht? Fliehen Sie, ich bitte Sie.«
    »Es ist zu spät. Man wird mich nicht

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