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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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sehen, was ich tun kann. Ich werde versuchen, mich für den Grafen einzusetzen, soweit das möglich ist. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht versprechen.«
    Charlotte nickt.
    »Im Gedenken an Ihren Herrn Vater«, sagt Hildebrandt zu Tisa. Er begleitet die Damen zur Tür.
    »Ich bewundere im Übrigen Ihre Loyalität«, sagt er zu Charlotte. »Besonders in Anbetracht der widrigen Umstände für Sie persönlich.«
    Charlotte starrt ihn an.
    »Es ist doch klar, wie schrecklich dies für Sie sein muss«, sagt der Gauleiter. »Von Ihrem Mann so hintergangen worden zu sein. So ahnungslos dazustehen, nichts von allem gewusst zu haben.«
    Tisa gräbt ihre Nägel in Charlottes Arm.
    »Ja«, sagt Charlotte.
    Moskau, Moskau, Moskau!
    Clarita ist nach Berlin gefahren. Endlich ist sie nach Berlin gefahren, wo es sie die ganze Zeit lang mit solcher Macht hingezogen hat. Und nun kann sie nichts tun. Adam ist verhaftet. Wozu ist Clarita gekommen? Es war ein Fehler. Sie hat damit gegen Adams erklärten Willen gehandelt. Aber der schwerste Fehler ist, dass sie Adam erst jetzt nicht gehorcht.
    Das Schlimmste ist, dass sie erst jetzt eigenmächtig handelt, wo es sinnlos geworden ist. Sie hätte schon am 21. nach Berlin fahren müssen, vor einer Woche. Sie hätte vor sechs Tagen fahren müssen, vor fünf, vor vier, vor drei Tagen: am 25., als Adams Haushälterin nach Imshausen kam. Adam ist am Abend des 25. verhaftet worden. Am Mittag dieses Tages hätte Clarita ihn noch sehen können. Clarita steht in ihrer Wohnung in der Rheinbabenallee.
    Die Möbel umstehen sie, fremd und stumm. Adam hat hier allein gelebt, ein ganzes Jahr lang. Sie sagt: »Wäre er doch geflüchtet. Warum ist er nicht geflüchtet?«
    »Ich weiß es nicht. Wegen der Familie vielleicht. Oder vielleicht, weil es ihm nicht gegeben ist. Was weiß ich von meinem Bruder. Ich weiß im Grunde gar nichts von meinem Bruder.«
    Clarita sagt: »Er wäre übermorgen nach Imshausen gekommen. Was soll ich jetzt tun? Was soll ich denn jetzt tun?«
    »Morgen früh um acht nimmst du den Zug zurück.«
    Marion ist auf allen Dienststellen der Gestapo gewesen. Sie war in der Meinekestraße, in der Kurfürstenstraße, im Prinz-Albrecht-Palais. In der Meinekestraße hat sie erfahren, dass ein Dr. Neuhaus die Ermittlungen führt. Er war aber nicht zu sprechen. Marion ist also zurück nach Schlesien gefahren. Sie ist in Klein Oels abgestiegen. Heute Morgen war sie drüben in Kauern. Dort hat der Brief auf sie gewartet.
    Liebe Frau,
    zur Feier des Sonntags hat man mir freundlicherweise Tintenstift und Papier gegeben.
    Peter Yorck wird im KZ Ravensbrück gefangen gehalten, wo sich auch Helmuth Moltke befindet. Marion hat nun eine Aufgabe. Peter bittet um seinen Füllhalter aus dem Büro, um die Bibel, um den ersten Band der Schriften Karl Holls. Er bittetdarum, dass Marion die Theaterkarten für nächste Woche abbestellt, dass sie ihm Patiencekarten schickt, einen Rasierspiegel, Schuhputzzeug, Briefmarken.
    Ich muss Dir Bankvollmachten ausstellen. Sobald der Bestellungs- und Düngeplan mit Görbing fertiggestellt ist, musst Du Sprecherlaubnis bekommen.
    Ja. So machen es die Moltkes. Marion wird morgen noch einmal nach Kauern fahren. Sie muss sich um den Dreschsatz kümmern, um die Erweiterung der Scheune, vor allem aber um den Bestellungsplan. Dann wird sie nach Berlin fahren und Sprecherlaubnis beantragen. Sie wird Pfirsiche mitnehmen, Eier. Sie wird ein Paket für Helmuth packen und eines für Peter. Sie hält Peters Brief in der Hand.
    Ich küsse Dir sehr zärtlich die Hände
    Charlotte ist ruhig. Seit klar ist, dass Fritzi verhaftet ist, ist sie voll Stärke, voll Kraft. Sie steht morgens auf, frisiert sich, zieht Brauen und Mund nach. Sie ruft ihn leise.
    Fritzi
    Sie kann ihn sehen. Sie kann sein Gesicht sehen, sie kann ihm in die Augen sehen, seine Augen sind auf sie gerichtet. Sein Blick ruht auf ihr. Charlotte fühlt die Liebe zu ihren Kindern. Ihre Liebe oder seine Liebe? Ständig streckt sie die Arme nach den Kindern aus, streichelt das eine oder das andere, zieht es an sich. Ständig neigt sie das Gesicht in Fritzis oder in Schuschus Haare. Unter ihnen stehen die Fische in der moosigen Stille des Sees. Das Wasser ist warm. Die Kinder spritzen und lärmen. Charlotte kommt vom Baden zurück. Eines der Mädchen eilt ihr entgegen.
    »Der Gauleiter ist da.«
    »Hildebrandt?«
    »Ja.«
    Er steht in der Halle von Trebbow. Er sieht ein wenig verloren aus, hier außerhalb seiner

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