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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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beglückend, ganz einer Meinung zu sein. Und wie wohl Freya aussieht. Er kann ganz beruhigt sein. Als sie den Kopf neigt, sieht er, dass ihr Haar grau wird.»Die Unanständigkeit. Von der geht ja immer alles aus. Wenn man unter sich unanständig ist, ist man es auch gegen andere.«
    Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler spricht vor den Gauleitern, die als die obersten Parteifunktionäre zu einer Tagung nach Posen einberufen worden sind, wo ihnen Erklärungen zum Umsturzversuch zuteilwerden sollen.
    Es ist dringend nötig. Es wird viel getuschelt. Es wird gemunkelt, die Attentäter hätten sich auf eine breite Volksbewegung gestützt, sie seien gute Nationalsozialisten gewesen, aufrechte Volksgenossen, die einfach nur den Krieg beenden wollten.
    Bisher hat Gauleiter Hildebrandt, der von Schwerin angereist ist, noch nicht viel Gegenteiliges oder Neues erfahren. Goebbels hat über seine neue Aufgabe als Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz gesprochen, Speer über die Aufwärtsentwicklung der deutschen Rüstung und die Notwendigkeit, wieder das technische Übergewicht über den Feind zu gewinnen. Aber der Reichsführer-SS wird nun hoffentlich zur Sache kommen.
    Im Moment spricht er über die Armee, über die Leitung der deutschen Wehrmacht, und Hildebrandt kann nicht recht glauben, was er hört.
    »Die Armee hat uns wieder und wieder Heldentaten einfach vorgelogen. Ich will dabei nichts schmälern. Es ist eine ungezählte Reihe von wirklichen soldatischen Taten und Heldentaten geschehen. Aber wenn man da vom Don, Donez, Dnjepr, Wolchow, oder wo wir überhaupt waren, einmal einige Bände auflegen sollte, nur mit Luftbildaufnahmen, dann können Sie blind sagen: Das sind die russischen Stellungen. Denn da sind viele Stellungen. Die deutschen Stellungen sind da, wo nur eine einzelne ist, eine Schützenmulde, weil die Herren Offiziere während der Zeit im Dorf in einem russischen Hausmit russischen Weibern leben mussten, weil sie nicht vorn bei ihren Männern waren und weil selbstverständlich, wenn der Offizier nicht vorn ist, der Mann auch nicht vorn ist.«
    So geht es nun schon seit fast einer Stunde. Hildebrandt sieht sich vorsichtig um. Ist er der einzige der Gauleiter, der sich wundert? Anfangs hat Himmler noch vom Treiben einer Clique gesprochen, von den Unarten einer klitzekleinen Clique. Aber nun bescheinigt er dem gesamten Heer, der gesamten deutschen Generalität uferlose und jahrzehntelange Verderbtheit. Wie soll Deutschland dann den Krieg gewinnen? Wie konnte Hitler überhaupt einen Krieg beginnen, wenn böser Wille, Sabotage, Defätismus, Feigheit und Weichheit im deutschen Heere regieren, wenn das Attentat nur der äußerste Ausdruck einer langen Entwicklung gewesen ist? Und wo bleibt der Führer? Ist er nicht der oberste Kriegsherr?
    »Es war für den Führer in diesen ganzen Jahren entsetzlich schwer. Die Vorgänge im Heer waren alle so nicht zu fassen. Man spürte es, und man konnte es nicht greifen, man konnte es nicht beweisen, Befehle wurden vierundzwanzig Stunden zu spät sehr oft gegeben. Sie wurden gegeben in einer sinnlosen Form, obwohl der Weitergeber des Befehls genau wusste, dass dieser Sinn des Befehls gar nicht gemeint war. Wenn man aber ein Haarspalter oder Wortspalter ist, kann man natürlich aus einem Befehl auch etwas anderes machen. Es war immer zu fühlen. Aber beweisen Sie einmal, dass dieser Befehl mit Absicht vierundzwanzig Stunden zu spät gekommen ist. Das können Sie gar nicht beweisen, weil der Betreffende sagt: Ich habe ihn am Soundsovielten abgegeben, Leitungsstörungen, tut uns leid. Oder: Ich habe ihn gefunkt, es ist die Funkstation ausgefallen.«
    Aber warum haben deutsche Offiziere so gehandelt? Hildebrandt kann ein Gefühl der Schwermut nicht unterdrücken.Wenn der Umsturz geglückt wäre, hätte er seine Macht, vielleicht sein Leben verloren. Aber ist er nun sicherer? In der letzten Woche sind die Amerikaner nach Avranches durchgebrochen, die Russen haben Brest-Litowsk und Kowno genommen, die Heeresgruppe Nord ist von Ostpreußen abgeschnitten, die Amerikaner haben Florenz besetzt.
    »Dann gab es unter vielen, vielen anderen einen Generalmajor von Tresckow, Chef des Stabes einer der tragenden Armeen der Heeresgruppe Mitte. Am 21. Juli soll er gefallen sein oder den Tod gesucht haben. Die Verbindung zu ihm hielt ein Oberleutnant Graf Lehndorff-Steinort aus Ostpreußen. Es war überhaupt bemerkenswert, wie geschickt alle die Stellungen besetzt waren. Es wurde

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