Wer zuerst kommt, küsst zuerst
gut aus, dachte sie. Die dunklen Haare und Augen, das markante Kinn. Sich mit ihm in einem Zimmer aufzuhalten reichte schon, um ihre Hormone in Aufruhr zu versetzen. Es war egal, wie oft sie sich liebten – sie wollte ihn immer. Ob das so bliebe? Wenn die sechs Monate vorbei wären und sie sich trennten, hätte sie diese Gefühle dann immer noch?
„Hattest du einen schönen Abend?“, fragte er beim Aufstehen.
„Ich war bei Dana. Martin hat sie verlassen. Wir haben eine Mädchenparty gefeiert.“
„Ich habe nicht gefragt, wo du warst.“
„Ich weiß. Aber ich erzähle es dir.“ Sie stellte ihre Handtasche ab. „Du hattest es vorhin ja ziemlich eilig.“
„Ich war wütend.“
„Hab ich gemerkt. Du bist wirklich ein großes Kommunikationstalent.“
Sie war ihm nicht böse. Sie war es einfach nur leid, immer wieder zu versuchen ihm klarzumachen, was richtig war.
„Tut mir leid“, sagte er. „Ich hätte meine Wut nicht an dir auslassen sollen. Du versuchst ja nur zu helfen. Obwohl du nicht für Kendra verantwortlich bist, bist du an ihr drangeblieben. Sie hat es dir nicht leicht gemacht – ich bin sicher,dass sie eine ziemliche Nervensäge war, aber du hast nicht aufgegeben.“
„Ich kann nicht anders.“
„Ich sage ja gar nicht, dass es schlecht ist, Lexi. Ich sage nur …“ Er kam näher. „Vielleicht hast du recht. Welche Dämonen aus meiner Vergangenheit mich auch verfolgen, das hat nichts mit ihr zu tun. Sie ist nur ein Mädchen, das versucht, im Leben zurechtzukommen. Das habe ich ihr nicht gerade leicht gemacht. Im Gegenteil: Ich habe es ihr sogar verdammt schwer gemacht. Du warst entschlossen, mir das vor Augen zu führen, ganz gleich, wie sehr ich dich zurückgeschoben habe.“
Sie saugte die Worte auf und lächelte dann. „Hast du vor, sie jetzt häufiger zu sehen?“
„Wir treffen uns nächste Woche zum Abendessen. Das ist ein Anfang.“
„Das ist großartig. Sie ist ein gutes Mädchen. Ich glaube, du wirst sie sehr mögen, wenn du ihr eine Chance gibst.“
„Ich weiß.“
„Was hat deine Meinung geändert?“
„Du.“
Lexis ohnehin schon flauer Magen überschlug sich. „Ach, Cruz.“
„Ich habe bei meiner Tochter die Wahl. Mein Vater hatte auch eine Wahl. Jedes Mal, wenn er meine Mutter schlug, hatte er eine Wahl. Er war sehr selbstsüchtig – er hat immer nur das gemacht, was ihm ein gutes Gefühl gab, und sich einen Dreck um die Konsequenzen geschert. Ich will nicht so sein wie er.“
„Das bist du auch nicht.“
Er legte ihr eine Hand in den Nacken und küsste sie. Sein Mund fühlte sich warm und zärtlich an. Willig schmiegte sie sich an ihn. Als sein Kuss leidenschaftlicher wurde, verlor sie sich in seiner Nähe. Sie erinnerte sich an seine Frage: Warum hatte sie gewollt, dass er ihr erstes Mal war?
Weil sie schon damals keine andere Wahl gehabt hatte. Wenn es um Cruz ging, war sie noch nie in der Lage gewesen, sich zurückzuhalten. Sie war die Motte, die in seine Flamme flog – obwohl sie wusste, dass es für die Motte letztendlich nicht gut ausgehen konnte.
Mit genügend Geld, Beziehungen und der Bereitschaft, die Grenze zur Illegalität zu überschreiten, kann ein Mensch erstaunlich viele Informationen über jemand anderes in Erfahrung bringen.
„Bist du dir sicher?“, fragte Cruz.
Lexi blickte auf den Wohnkomplex, vor dem er gehalten hatte, und nickte.
„Ich möchte mit ihr reden.“ „Ihr Anwalt könnte das gegen dich verwenden.“
„Es wird keine Anwälte geben.“
Dessen war sich Lexi sicher. Diesmal hatte Garth sich für seine miesen Spielchen die falsche Titan ausgesucht. Sie hatte genug davon, sich von ihm zum Affen machen zu lassen. Die Sache mit dem Darlehen hatte sie unvorbereitet getroffen, womit die erste Runde an ihn gegangen war, aber sie hatte nicht vor, sich von ihm vollständig überrollen zu lassen.
Sie betraten das Gebäude und fuhren mit dem Aufzug in die dritte Etage. Bevor sie von zu Hause losgefahren waren, hatte Lexi angerufen und so getan, als hätte sie sich verwählt. Ann Paul war ans Telefon gegangen, und Lexi war sicher, dass sie immer noch da war.
Lexi klingelte. Wenige Sekunden später ging die Wohnungstür auf.
„Ja?“, sagte die Frau.
Sie war Ende dreißig, klein und unscheinbar. Lexi konnte sich nicht daran erinnern, sie je im Venus Envy gesehen zu haben, aber die Frau sah genauso aus, wie Lexi sie sich vorgestellt hatte.
„Hi“, begrüßte Lexi sie lächelnd und schob sie zurück in ihre Wohnung.
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