Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
»Vielleicht ein paar Pfund.«
Wohl eher zehn Kilo.
Sie lief zum Herd, tat sich Reis auf und nahm sich dazu ein Stück frisch gebackenes Brot. Abgesehen davon, dass Sadie vor Jahren einmal ein paar Schafe und Hereford-Rinder für ein Landjugendprojekt gezüchtet hatte, wusste sie nicht viel über die Bewirtschaftung einer Rinderfarm. Und tief in ihrer verräterischen Seele, ganz weit unten, wo sie die dunklen Geheimnisse verwahrte, lag die Tatsache verborgen, dass sie es auch gar nicht wissen wollte. Jene besondere Hollowell-Verbundenheit mit dem Land war ihr nicht mitgegeben worden. Sie lebte lieber in der Stadt. Egal in welcher. Selbst in Lovett mit seinen mickrigen zehntausend Einwohnern.
Die mit Fliegengitter versehene Hintertür knallte gegen den Rahmen, als Carolynn Parton den Küchenbau betrat. Sie quiekste, warf die Hände in die Luft und sah bis auf den Westernrock und die Rüschenbluse genauso aus wie ihre Schwester. »Sadie Jo!« Sadie konnte ihren Teller noch in letzter Sekunde auf der angeschlagenen Theke abstellen, bevor sie an Carolynns großen, weichen Busen gedrückt wurde.
»Gott, Mädchen, es ist Ewigkeiten her.«
Sadie lächelte, als Carolynn sie auf die Wange küsste. »Nicht ganz.«
Nachdem sie eine Weile geschwatzt hatten, nahm Carolynn Sadie den Teller ab und lud ihr Rippchen auf. Sie schenkte ihr ein Glas süßen Tee ein und folgte Sadie zum Tisch. Da ein paar von den Cowboys aufbrachen, konnte sie sich auf den Stuhl neben ihrem Vater setzen.
»Wir reden morgen weiter«, sagte Carolynn zu Sadie, als sie ihr den Tee auf den Tisch stellte. Dann wandte sie sich an Clive. »Essen Sie«, befahl sie ihm streng und ging dahin zurück, wo sie hergekommen war.
Clive biss ein Stück Maisbrot ab. »Was hast du vor, während du hier bist?«
»Morgen Abend habe ich das Probedinner, und die Hochzeit ist am Samstag um sechs.« Sie aß einen Löffel von Carolynns spanischem Reis und seufzte. Das tröstliche Gefühl des Vertrauten ließ sich mit dem warmen Reis wohlig in ihrem Bauch nieder. »Aber morgen hab ich den ganzen Tag Zeit. Wo ich schon mal hier bin, sollten wir was Lustiges zusammen unternehmen.« Sie überlegte, was sie und ihr Vater früher zusammen unternommen hatten. Während sie sich noch einen Löffel Reis in den Mund schob, musste sie scharf nachdenken. »Vielleicht Tontauben schießen oder rüber nach Little Tail reiten und ein bisschen mit Snooks quatschen.« Früher hatte sie supergern mit ihrem Daddy Tontauben geschossen und war mit ihm über den Pfad zu Snooks geritten. Nicht dass sie das besonders oft getan hätten. Wenn sie ihm zu sehr zusetzte, hatte er meist einen der Farmhelfer gezwungen, sie hinzubringen.
»Snooks ist in Denver und inspiziert einen Viehbestand für mich.« Er trank einen großen Schluck von seinem süßen Tee. »Und morgen fahr ich nach Laredo.«
Sie war nicht einmal überrascht. »Was gibt’s denn in Laredo?«
»Ich bringe Maribell hin, um sie von einem Tobiano-Zuchthengst namens Diamond Dan decken zu lassen.«
Die Arbeit ging vor. Was da auch kam, ob Feiertag oder Klassentreffen. Sie verstand das. Sie war so erzogen worden, aber … auf der Ranch gab es eine Menge Angestellte. Viele Männer, die ohne weiteres in der Lage gewesen wären, eine Stute zum Decken in Laredo abzusetzen. Oder konnte man sich nicht einfach per Express-Sendung ein bisschen Samen von Diamond Dan schicken lassen? Aber Sadie kannte die Antwort. Ihr Daddy war alt und stur und wollte alles kontrollieren. Er musste sich mit eigenen Augen überzeugen, dass er auch wirklich den Zuchthengst bekam, für den er bezahlt hatte.
»Bist du rechtzeitig zur Hochzeit zurück?« Ob er eingeladen war, brauchte sie ihn gar nicht erst zu fragen. Schließlich gehörte er zur Familie, auch wenn er kein Blutsverwandter war und auch wenn die Verwandtschaft ihrer Mama sich nicht viel aus ihm machte.
Er schüttelte den Kopf. »Das wird zu spät.« Er sparte sich die Mühe, untröstlich zu wirken. »Snooks sollte am Sonntag wieder zu Hause sein. Wir können ja dann zu ihm reiten.«
»Am Sonntagmorgen muss ich schon wieder fahren.« Sie nahm ein Rippchen in die Hand. »Ich hab am Montag einen Abschluss.« Wahrscheinlich könnte Renee das genauso gut erledigen, doch Sadie wollte vor Ort sein, falls noch etwas Unvorhergesehenes passierte. Mit dem Rippchen vor dem Mund hielt sie inne und sah in die müden blauen Augen ihres Daddys. In nur wenigen Jahren würde er achtzig. In weiteren fünf Jahren wäre er
Weitere Kostenlose Bücher