Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
heiterem Himmel angerufen und wollte plötzlich Dad spielen. »Aber dass er dich angerufen hat, wundert mich nun doch.«
»Mich hat es auch gewundert. Mannomann, ich hab nicht mehr mit Big Vin gesprochen, seit er deine Mama verlassen hat.« Sie zog wieder an ihrer Fluppe und blies den Rauch in einer dichten Schwade aus. »Er hat mich angerufen, weil er hoffte, ich könnte dich zur Vernunft bringen. Er hat behauptet, du würdest dir nicht anhören, was er zu sagen hat.«
Vince hatte sich sehr wohl angehört, was er zu sagen hatte. Er hatte im Wohnzimmer des alten Mannes gesessen und ihm eine Stunde lang zugehört, bis er genug gehört hatte und gegangen war. »Er hätte dich nicht damit behelligen sollen.« Vince trank einen großen Schluck aus der Flasche und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Hast du ihm gesagt, dass er mich mal am Arsch lecken kann?«
»Um ein Haar.« Sie griff nach ihrer Tasse. »Hast du in etwa das zu ihm gesagt?«
»Nicht nur in etwa.«
»Willst du es dir nicht noch mal überlegen?«
»Nein.« Verzeihen fiel ihm nicht leicht. Daran musste er noch arbeiten, aber Vincent Haven senior war der einzige Mensch auf der Welt, der die große Anstrengung nicht wert war, die er dafür aufbringen müsste. »Hast du mich deshalb gebeten herzukommen? Ich dachte, du hättest ein Angebot für mich.«
»Hab ich auch.« Sie trank einen Schluck. »Ich werde langsam alt und will mich zur Ruhe setzen.« Sie stellte den Becher auf den Schreibtisch und kniff vor dem Rauch, der sich vom glühenden Ende ihrer Zigarette kringelte, ein Auge zu. »Ich will reisen.«
»Klingt vernünftig.« Er selbst hatte die ganze Welt bereist. Einige Orte waren die reinste Hölle. Andere so wunderschön, dass es einem den Atem raubte. Er hatte schon überlegt, einige dieser Orte noch einmal als Zivilist aufzusuchen. Vielleicht war es genau das, was er brauchte. Schließlich hatte er keinerlei Verpflichtungen mehr. Er konnte gehen, wohin er wollte. Wann immer er wollte. So lange wegbleiben, wie es ihm passte. »Wie kann ich dir helfen?«
»Du kannst mir das Gas and Go abkaufen.«
DREI
Er hatte ihr einen Korb gegeben. Sie hatte einen Wildfremden gebeten, sie zur Hochzeit ihrer jüngeren Cousine zu begleiten, und glatt einen Korb gekriegt.
»Hab keinen Anzug«, war alles, was er gemurmelt hatte, bevor er abgehauen war. Selbst wenn sie seinen Führerschein nicht gesehen und die fehlende näselnde Aussprache nicht bemerkt hätte, hätte sie gewusst, dass er kein gebürtiger Texaner war, weil er sich nicht mal die Mühe gemacht hatte, sich eine plausible Lüge einfallen zu lassen. Zum Beispiel, dass sein Hund gerade gestorben war und er deshalb trauerte oder dass die OP für seine Nierenspende ausgerechnet für morgen angesetzt war.
Die untergehende Sonne tauchte die JH-Ranch in leuchtendes Orangegold und schimmerte durch die feinen Staubschwaden, die von den Reifen ihres Saab aufgewirbelt wurden. Er hatte ihr zwar angeboten, sich bei ihr zu revanchieren, es aber natürlich nicht ernst gemeint. Ihre Bitte war ein bescheuerter, impulsiver Einfall gewesen. Und bescheuerte, impulsive Einfälle brachten sie immer in die Bredouille. Von dieser Warte betrachtet hatte Vince, der Pannenmann, ihr sogar einen Gefallen getan. Was hätte sie auch den ganzen Abend mit einem hünenhaften, überaus heißen Fremden anstellen sollen, nachdem er seinen Zweck erfüllt hatte? Das hatte sie vorher nicht bedacht.
Auf der unbefestigten Straße brauchte man zehn bis zwanzig Minuten bis zur JH-Ranch, je nachdem, wann die Straße zum letzten Mal planiert worden war und was für einen Wagen man fuhr. Sadie rechnete jeden Moment damit, aufgebrachtes Gebell zu hören und ein halbes Dutzend Hütehunde vor sich auftauchen zu sehen. Das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude standen acht Kilometer von der Landstraße entfernt auf dem gut viertausend Hektar umfassenden Besitz. Vom Umfang her war die Ranch zwar nicht die größte in Texas, dafür aber eine der ältesten, auf der jedes Jahr mehrere Tausend Stück Vieh gehalten wurden. Die Ranch war im frühen zwanzigsten Jahrhundert von Sadies Ururgroßvater, Major John Hollowell, am Canadian River angesiedelt worden, der das dazugehörige Land gekauft hatte. In fetten und in mageren Jahren hatten es die Hollowells mit der Zucht von reinrassigen Hereford-Rindern und American Paint Horses wechselweise zu Wohlstand gebracht oder nur knapp überlebt. Doch wenn es darum ging, die Zukunft der Familie durch einen
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