Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
männlichen Erben zu sichern, schnitten die Hollowells schlecht ab. Bis auf ein paar wenige entfernte Cousinen, die Sadie kaum kannte, war sie die letzte Hollowell. Was für ihren Vater eine herbe Enttäuschung war.
Die Weidesaison hatte noch nicht begonnen, sodass die Rinder näher beim Haus und den Wirtschaftsgebäuden standen. Als Sadie am Grenzzaun entlangfuhr, sah sie auf den Feldern ihre vertrauten Silhouetten grasen. Bald wäre es an der Zeit, sie zu markieren und zu kastrieren, und Sadie konnte nicht behaupten, dass sie die Geräusche und Gerüche dieser entsetzlichen, wenn auch notwendigen Prozedur vermisst hatte, seit sie von hier fortgezogen war.
Vor dem knapp vierhundert Quadratmeter großen Haus, das ihr Großvater in den 1940er-Jahren gebaut hatte, hielt sie an. Das ursprüngliche kleine Gehöft lag acht Kilometer weiter westlich am Little Tail Creek und wurde von Vorarbeiter Snooks Perry und seiner Familie bewohnt. Die Perrys arbeiteten schon länger auf der JH-Ranch, als Sadie am Leben war.
Sie schnappte sich ihre Gucci-Handtasche vom Rücksitz und warf die Autotür zu. Die kühle Brise, die ihr über die Wangen strich und sich in den Kragen ihres grauen »Pink«-Kapuzensweatshirts stahl, trug ihr die Rufe der Schwarzkehl-Nachtschwalben zu.
Die untergehende Sonne färbte das weiße Schindelhaus aus Stein golden, als sie auf die große Flügeltür aus hartem Eichenholz zusteuerte, auf der beiderseitig das JH-Emblem prangte. Nach Hause zu kommen brachte sie immer durcheinander, und prompt tobte das reinste Gefühlschaos in ihr. Ein Mix aus Heimatgefühlen, den altvertrauten Gewissensbissen und der ängstlichen Erwartung, die ihr immer zu schaffen machte, wenn sie nach Texas kam.
Sie öffnete die unverschlossene Tür und trat in den leeren Eingangsbereich, wo ihr die heimischen Gerüche entgegenschlugen. Sie atmete den Duft von Zitrone, Holz und Lederpolitur ein, den Jahre alten Rauch vom riesigen Steinkamin im Wohnzimmer und den Geruch der Mahlzeiten, die über Jahrzehnte hinweg im Haus zubereitet worden waren.
Da sie niemand willkommen hieß, lief sie über die astigen Pinienböden und Navajo-Teppiche zur Küche im hinteren Teil des Hauses. Um das reibungslose Funktionieren der Ranch zu gewährleisten, waren mehrere Vollzeitangestellte nötig. Clara Anne Parton, die Haushälterin, sorgte sowohl im Haupthaus als auch in der Schlafbaracke für Ordnung und Sauberkeit, während ihre Zwillingsschwester Carolynn bis auf sonntags jeden Tag drei Mahlzeiten zubereitete. Keine von ihnen hatte je geheiratet, weshalb sie zusammen in der Stadt wohnten.
Sadie folgte dem regelmäßigen dumpfen Geräusch von etwas Schwerem, das in einem Trockner hin- und hergewälzt wurde. Sie durchquerte die leere Küche und lief an der Speisekammer vorbei zur Waschküche weiter hinten, wo sie in der Tür stehen blieb und unwillkürlich lächeln musste. Clara Anne, die sich nach ein paar Handtüchern bückte, reckte ihr zur Begrüßung ihr eindrucksvolles Hinterteil entgegen. Beide Zwillingsschwestern verfügten über beachtliche Kurven und Wespentaillen, die sie gerne betonten, indem sie ihre Hosen eng zurrten und Gürtelschnallen so groß wie Dessertteller trugen.
»Du machst Überstunden.«
Die Haushälterin fuhr zusammen, fasste sich ans Herz und wirbelte zu ihr herum, wobei ihr schwarzer Haarturm ins Wanken geriet. »Sadie Jo! Mädchen, du hast mich zu Tode erschreckt!«
Sadie, der ganz warm ums Herz wurde, trat lächelnd ein. »Entschuldige.« Die Zwillinge hatten sie mit großgezogen, und sie breitete die Arme aus. »Schön, dich zu sehen.«
Die Haushälterin drückte sie fest an ihren Riesenbusen und küsste sie auf die Wange. Die Wärme um Sadies Herz weitete sich über ihre ganze Brust aus. »Es ist Ewigkeiten her.«
Sadie lachte.
»So lange nun auch wieder nicht.«
»Ich finde schon.« Sie lehnte den Oberkörper zurück und sah Sadie ins Gesicht. »Herr im Himmel, du bist deiner Mama wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Nur dass ihr ihre Selbstsicherheit, ihr Charme und alles, weshalb die Menschen sie ganz einfach lieben mussten, fehlten. »Die Augen hab ich von Daddy.«
»Ja. Blau wie Prärie-Enzian.« Sie streichelte mit ihren rauen Händen über Sadies Arme. »Wir haben dich vermisst.«
»Ich euch auch.« Was auch stimmte. Sie vermisste Clara Anne und Carolynn. Sie vermisste ihre herzlichen Umarmungen und ihre Wangenküsse. Aber nicht genug, um wieder herzuziehen. Sie ließ die Hände sinken. »Wo ist
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