Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
erinnerte sie ihn trotzdem. »Ich hab dir noch mehr Socken mitgebracht.« Sie hielt eine Tüte aus dem Target-Laden wenige Meilen entfernt hoch. »Die flauschigen mit Noppen an den Sohlen.«
»Das ist zum Fenster rausgeschmissenes Geld. Für flauschige Socken hab ich nichts übrig.« Der Krankenpfleger drehte die Fußstützen weg, und ihr Vater stellte seine langen, knöchrigen Füße in den rot karierten Socken mit den rutschsicheren Sohlen, die sie ihm in Laredo gekauft hatte, auf den Boden. Dann half ihm der Krankenpfleger beim Aufstehen aus dem Stuhl. »Scheiß die Wand an!« Er schnappte nach Luft und ließ sich schwerfällig auf der Bettkante nieder. »Gottverdammt!«
Früher hätte sein rüder Ton sie aus dem Zimmer vertrieben. Doch jetzt trat sie zu ihm ans Bett. »Kann ich was für dich tun, Daddy? Brauchst du irgendwas von zu Hause? Die Post? Rechnungen? Irgendwelche Berichte?«
»Dickie Briscoe ist schon auf dem Weg hierher«, antwortete er und meinte den Geschäftsführer der Ranch. »Und Snooks kommt auch mit.«
Damit war sie entlassen. »Kann ich denn nichts für dich tun?«
Er warf ihr einen schneidenden Blick zu. »Hol mich hier raus. Ich will heim.«
Im Moment brauchte er noch zu viel Pflege, um schon nach Hause zu kommen. Und auch zu viel, als dass sie hätte nach Arizona zurückkehren können. »Das kann ich nicht.«
»Dann kannst du nichts für mich tun.« Lächelnd schaute er an ihr vorbei. »Snooks, ist aber auch höchste Eisenbahn.«
Als Sadie sich umdrehte, sah sie den Vorarbeiter ihres Vaters in der Tür stehen. Sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben, und wie ihr Vater war er ein echter Cowboy. Arbeitshemd mit Perlmuttdruckknöpfen, eine Wrangler’s und Stiefel, die mit Kuhscheiße und Staub verschmiert waren. Seine Haare waren grau, seine Haut ganz ledrig vom texanischen Wind, von der Sonne und einer Schachtel Zigaretten pro Tag.
»Hallo, Snooks.« Mit ausgebreiteten Armen lief Sadie auf ihn zu.
»Da ist ja mein Mädchen.« Er war Vater von sechs Söhnen, Mitte bis Ende sechzig, und genau wie Clive sah man ihm sein Alter an. Doch im Gegensatz zu Clive hatte Snooks einen Bierbauch und Sinn für Humor.
»Du siehst so gut aus wie immer«, log sie. Selbst an guten Tagen hatte Snooks nie gut ausgesehen, vor allem weil er allergisch gegen Traubenkraut und Staub war, weshalb seine Augen immer gespenstisch rot leuchteten. »Wie geht’s deinen Jungs?«
»Gut. Ich hab jetzt acht Enkel.«
»Du meine Güte!« Sie war wahrhaftig der letzte Mensch in Lovett über fünfundzwanzig, der kinderlos war. Sie und Sarah Louise Baynard-Conseco, aber bei der lag es bloß daran, dass Mr Conseco Logiergast in San Quentin war.
»Und ich keinen einzigen«, knurrte Clive hinter Sadie.
War das der Grund, warum ihr Vater dauernd so griesgrämig war? Weil sie noch keine sechs Enkel geworfen hatte? Welche Entschuldigung hatte er dann gehabt, als sie zwölf war? »Über Enkel hast du noch nie mit mir gesprochen.«
»Hab dazu keine Veranlassung gesehen.«
»Nun, dann lass ich euch mal in Ruhe reden«, sagte sie und floh aus dem Zimmer.
Sie verbrachte den Nachmittag damit, sich um so aufregende Dinge zu kümmern, wie ihr Auto zur Inspektion zu bringen. Ihr war das Glück beschert, einen Frisörsalon zu finden, der halbwegs anständig aussah, und sie ließ sich einen Termin geben, um sich den Haaransatz nachfärben zu lassen. Sie kehrte noch einmal ins Krankenhaus zurück, um nach Clive zu sehen, und fuhr nach Hause. Sie aß mit den Rancharbeitern zu Abend und setzte sie über die Fortschritte ihres Vaters ins Bild.
Dann ging sie ins Bett und sah fern. Stumpfsinnige Reality-Shows mit Menschen, deren Leben noch beschissener war als ihres. Damit sie nicht über die Realität ihres eigenen beschissenen Lebens nachdenken musste.
Ein surrender Deckenventilator wehte die kühle Nachtluft über Vinces nackte Brust. Langsame, gleichmäßige Atemzüge füllten seine Lunge. Im Gästezimmer von Luraleens Haus im Ranch-Stil aus den Siebzigern schlief er in dem verschnörkelten Einzelbett, doch hinter seinen geschlossenen Augen war Vince wieder im Irak. Im gewaltigen Hohlraum der Lockheed C-130 Hercules, in dem er den Rest der lebenswichtigen Ausrüstung des Teams verstaute. In leichter Kampfausrüstung, Desert-Khakihose und Oakley-Einsatzstiefeln hievte er seinen müden Körper in eine robuste Hängematte aus Mesh-Material. Stunden bevor er zu Team Five auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Bahrain beordert worden war,
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