Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
einen Kloß im Hals und brachte nur mit Mühe ein leises »Leb wohl!« heraus.
Sie trat hinaus in den Flur und brachte die schwierige Aufgabe hinter sich, auf der Ranch anzurufen. Vince stand neben ihr, seine Hand auf ihrem Rücken, und sprach leise mit den Schwestern. Wie vorherzusehen war, brachen die Parton-Schwestern in Tränen aus, während Snooks und Tyrus zwar tieftraurig, aber nicht überrascht waren. Sie waren zähe alte Cowboys wie Clive und würden dafür sorgen, dass auf der Ranch weiterhin alles reibungslos verlief.
Sie hatte keine Ahnung, wie sie ohne ihren Anker weiterleben sollte, und in den nächsten fünf Tagen stand sie vollkommen neben sich. Sie aß nur wenig und schlief noch weniger. Sie nahm alles wie durch einen Schleier wahr. Einen verschwommenen, diffusen Nebel aus Menschen, die auf der Ranch vorbeischauten, um zu reden und sich an ihren Vater zu erinnern. Ein steter Strom aus mitgebrachten Aufläufen und Clive-Anekdoten. Ein Nebel, in dem sie den Sarg und die Kleidung für seine Bestattung auswählen musste. Dokumente unterzeichnete und den Nachruf formulierte. Erfuhr, dass ihr Vater aufgrund einer tiefen Venenthrombose an Herzversagen gestorben war. Sich mit dem Notar, Mr Koonz, und mit dem Testamentsvollstrecker traf.
Sie hatte im Büro des Notars gesessen, wo der Geruch von Leder und Holzpolitur in ihr benebeltes Hirn gedrungen war. Sie saß mit fünf loyalen Angestellten ihres Vaters dort und hörte zu, wie jeder von ihnen fünfzigtausend Dollar bekam und ihnen allen zugesichert wurde, so lange auf der JH-Ranch zu arbeiten, wie sie wollten. Der Notar erwähnte einen Treuhandfonds für einen ungenannten Begünstigten, der Sadies Vermutung nach für die Kinder eingerichtet worden war, die sie vielleicht eines Tages bekäme.
Alles andere in Clives Nachlass hinterließ er Sadie. Alles, von seinem alten Ford Truck über noch nicht ausgelaufene Versicherungspolicen bis hin zur Ranch.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, und das war nur wenige Wochen her, da hätte die Last der Verantwortung sie erdrückt. Das tat sie zwar auch jetzt, aber vielleicht nicht ganz so sehr. Jetzt war die Ranch für sie eher ein Anker als eine Schlinge um den Hals.
Er hatte Sadie einen Brief hinterlassen. Er war kurz und bündig.
»Reden ist mir nie leichtgefallen. Ich habe deine Mama geliebt, und ich habe dich geliebt. Ich war dir nicht der beste Daddy, und das bereue ich. Lass nicht zu, dass die vom Bestattungsinstitut mich zurechtmachen, und lass meinen Sargdeckel geschlossen. Du weißt ja, wie ich es hasse, wenn gegafft und getratscht wird.«
Und wenn es am allerschlimmsten war, war Vince für sie da. Mit seiner starken, verlässlichen Ausstrahlung, immer wenn sie ihn brauchte. Er hatte ihr geholfen, die persönlichen Sachen ihres Vaters zusammenzupacken, und sie am nächsten Tag zum Bestattungsinstitut gefahren. Vor allem war er nachts bei ihr gewesen. Wenn alle anderen weg waren. Wenn es im Haus zu still war. Wenn sie mit ihren Gedanken allein war und der betäubende Schmerz sie zu überwältigen drohte. Dann kam er und presste seinen Körper an ihren. Seine solide Wärme vertrieb die Kälte aus ihren Knochen. Es ging dabei nicht um Sex. Es war eher so, als käme er kurz vorbei, um nach ihr zu sehen, und bliebe dann ein paar Stunden.
Er beging nie mehr den Fehler, in ihrem Bett einzuschlafen, und wenn sie im Dunkeln aus einem rastlosen Schlaf erwachte, war er immer schon weg.
FÜNFZEHN
Es schien, als sei die gesamte Bevölkerung der Nordspitze Texas’ zu Clive Hollowells Beerdigung erschienen. Trauernde aus so fernen Orten wie Denver, Tulsa und Laredo saßen dicht gedrängt in den Bankreihen der größten Baptistenkirche in Lovett. Wie viele Mitglieder der Südlichen Baptisten war Clive erst im Alter von vier Jahren nach seinem Glaubensbekenntnis getauft worden. Abgesehen von der Beerdigung seiner Frau konnte sich niemand erinnern, Clives hochgewachsene Gestalt je in der First Baptist Church, Ecke Third und Houston, gesehen zu haben. Dafür war im Laufe der Jahre eine Menge Hollowell-Geld in die Brieftasche der Kirchen geflossen. Gelder, mit denen Anbauten, Renovierungen und der funkelnagelneue, dreizehn Meter hohe Kirchturm mitsamt Glockenspiel bezahlt worden waren.
Hauptpastor Grover Tinsdale hielt die Predigt, in der alle Highlights über Sünden, verlorene Seelen und dass Gott seinen Sohn Clive wieder zu sich nahm, vorkamen. Nachdem der Pastor Platz genommen hatte, lief Sadie nach vorn und hielt
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